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Was noch nicht aufgearbeitet ist
Die Gewaltgeschichte Griechenlands der 1940er Jahre am Beispiel von Thessaloniki - im NS-Dokumentationszentrum Köln
Die Folgen des deutschen Faschismus sind weiterhin virulent. Neben der Frage der Reparationsleistungen erhebt das von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg angegriffene und okkupierte Griechenland die Forderung nach Rückzahlung einer Millionenanleihe, die die griechische Nationalbank während der deutschen Besatzung an das Deutsche Reich vergeben musste.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Aber auch in Griechenland sind die Ereignisse der 40er Jahre noch nicht restlos aufgearbeitet. Nach der Befreiung vom Faschismus durch die Briten begann ein Bürgerkrieg, in dem sich Royalisten und Kommunisten bekämpften. Letztere hatten aus globalpolitischen Gründen keine Chance, da Roosevelt, Churchill und Stalin bei der Konferenz von Jalta im Februar 1945 unter anderem vereinbart hatten, dass auf dem Balkan nach dem Sieg über Deutschland Griechenland dem Westblock zugeschlagen werden sollte. Großbritannien und die USA unterstützten die Royalisten, während sich Stalin bei den kommunistischen Partisanen stark zurückhielt, die von Albanien und Jugoslawien Hilfe bekamen. Sie verloren den Bürgerkrieg, der 1949 für beendet erklärt wurde.
Die griechische Gewaltgeschichte der 40er Jahre wird in einer Ausstellung am Beispiel von Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt des Lands, thematisiert, die das NS-Dokumentationszentrum in Köln organisiert hat. Sie heißt »Gespaltene Erinnerungen 1942-1950. Zwischen Geschichte und Erfahrung« und ist wegen der Pandemie nur digital zu sehen.
Die Schau hatte 2016 ihre reale, analoge Premiere in Thessaloniki, das seit 1988 Partnerstadt von Köln ist. Sie entstand aus der Zusammenarbeit des Goethe-Instituts Thessaloniki, dem dortigen Museum für zeitgenössische Kunst und dem Jüdisches Museum sowie dem Deutschen Historischen Museum in Berlin. In Griechenland fand sie große Beachtung.
Corona verhinderte die Übernahme nach Köln. Stattdessen entstand die digitale Form, in aufwendiger Arbeit den dortigen Ausstellungsräumen angepasst. Für viele »klassische« non-digital-native Museumsbesucher ist das sicher eine Herausforderung, fehlt doch der direkte Kontakt mit den Exponaten, und das richtige Anklicken bedarf einer gewissen Übung. Doch Annemone Christians-Bernsee, stellvertretende Direktorin des Kölner NS-Dokumentationszentrums, sieht in dieser Form auch Vorteile: »Wir können so auch zusätzliche neue Exponate zeigen.«
1940 griffen italienische Truppen das Königreich Griechenland an, um sich den gesamten Balkan zu unterwerfen. Als sie im Norden des Landes nicht weiterkamen, griff die deutsche Wehrmacht auf der Seite von Italien ein. Es war vor allem ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung; infolge einer Hungersnot starben fast eine halbe Million Menschen.
Im April 1941 kapitulierte Griechenland, deutsche Truppen besetzten Thessaloniki. Sie trafen dort auf eine der größten jüdischen Gemeinden Südosteuropas, die mehr als die Hälfte der Einwohner stellte. Der Großteil ihrer 50 000 Mitglieder wurde nach Auschwitz und Bergen-Belsen deportiert und dort ermordet. 1944 wurde die Stadt von britischen Truppen befreit.
Die Ausstellung zeigt mit historischen Texten und Fotos, wie die Achsenmächte das Land unterdrückten, wie die Deutschen die Unterdrückung, die sich anschließende Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung vorbereiteten. Griechische Künstler verarbeiteten dieses Geschichtskapitel in Gedichten, Romanen und Bildern. »Doch«, so Projektleiter Peter Panes, Ex-Leiter des Goethe-Instituts Thessaloniki, »vieles aus dieser Zeit ist in Griechenland bis heute nicht aufgearbeitet.« Dazu zähle unter anderem die Frage, wer sich den Besitz der deportierten Juden angeeignet habe.
Der große Anteil von griechischen Juden am antifaschistischen Widerstand wurde erst in letzter Zeit ausführlich untersucht. Dem politischen, kulturellen und ökonomischen Umfeld der jüdischen Gemeinde in Thessaloniki ist ein eigener ausführlicher Ausstellungsteil gewidmet. Weitere Themen sind der künstlerische und der bewaffnete Widerstand gegen die deutsche und italienische Besatzung, der zu einem Großteil von kommunistischen Kräften getragen wurde. So gab es 1942 eine Kunstausstellung in Athen mit Werken, die direkt oder indirekt die Kollaborationsregierung kritisierten. Die Arbeiten wurden zerstört, der verantwortliche Grafikprofessor und seine Schüler verhaftet.
Zu einer großen Demonstration gegen die Besatzungsmächte wurde im Februar 1943 die Beerdigung des Nationaldichters Kostis Palamas in Athen. Wenige Tage zuvor waren die ersten Griechen als Zwangsarbeiter nach Deutschland geschickt worden. In Thessaloniki wollte das dortige Staatstheater nach der Deportation der Juden das Stück »Abrahams Opfer« aufführen - es wurde verboten.
Nach der Befreiung wehrte sich die EAM, die von der Kommunistischen Partei gegründete Nationale Befreiungsfront Griechenlands, gegen die von der neuen rechten Regierung angeordnete Entwaffnung der Griechischen Volksbefreiungsarmee ELAS. Sie hatte unter Führung der Kommunisten die Hauptlast des Partisanenkampfes gegen die Besatzung getragen. Zwar hatte es 1946 einen Volksentscheid zur Weiterführung der Monarchie gegeben, doch war dieser von der KP boykotiert worden. Bis 1949 führte sie einen Guerillakrieg gegen die Regierung und ihre Armee.
In den Folgejahren emigrierten viele linke Griechen vor allem in die Länder des Ostblocks. Wer blieb, musste damit rechnen, zum Tode verurteilt zu werden - wie der KP-Funktionär Nikos Belogiannis, der 1950 verhaftet und trotz internationaler Proteste 1952 hingerichtet wurde.
Der Kalte Krieg und der damit verbundene Antikommunismus verhinderten die innenpolitische Aufarbeitung des Bürgerkriegs und eine gesamtgesellschaftliche Versöhnung. Auch diese Spaltung der Gesellschaft ist Thema der Ausstellung.
Die Auseinandersetzung darüber begann erst in den frühen 60er Jahren unter der konservativen Karamanlis-Regierung, als auch Exilanten zurückkehren konnten. Ein Prozess, der 1967 mit dem Militärputsch (gegen einen befürchteten Wahlsieg der Linken) ein jähes Ende fand. Er konnte erst nach dem Ende der Militärdiktatur 1974 wieder aufgenommen werden, als auch die KP legalisiert wurde.
Erst 1982 wurde der linke Widerstand gegen die Nazis von der sozialdemokratischen Regierung Andreas Papandreous’ rechtlich anerkannt; Überlebende hatten Anspruch auf eine Ehrenrente, Exilanten konnten aus den Ostblockländern zurückkehren.
Die Ausstellung ist abzurufen unter: https://dividedmemories.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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