Eiertanz um einen rechtsextremen Richter

Rückkehrantrag des AfD-Politikers Jens Maier bringt Sachsens Justiz in die Bredouille / Kritiker fürchten »Dammbruch«

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Jahr 2016 fiel am Landgericht Dresden eine Entscheidung, die bundesweit für Wirbel sorgte. Die NPD hatte gegen den Politikwissenschaftler Steffen Kailitz geklagt, der am Hannah-Arendt-Institut Dresden arbeitete und der rechtsextremen Partei vorwarf, diese plane »rassistisch motivierte Staatsverbrechen«. Die NPD sah sich verunglimpft, zog vor Gericht - und bekam im Eilverfahren zunächst Recht. In einer folgenden, denkwürdigen mündlichen Verhandlung verglich der zuständige Richter die Parteiprogramme von NPD und NSDAP und befand, das sei »doch eine ganz andere Diktion«. Er lobte, die NPD sehe für die »Rückführung von Ausländern« immerhin eine »gesetzliche Grundlage« vor.

Bei dem Richter, der damals so viel Verständnis für die Rechtsextremen hatte, handelte es sich um einen Mann, der heute selbst als ein solcher eingestuft wird - aber in Sachsen auf den Richterstuhl zurückkehren will: um Jens Maier, der 2017 für die AfD in den Bundestag gewählt wurde, aber im September 2021 seine Mandat verlor. Im Dezember beantragte er die Rückkehr ins Richteramt, und bisher deutet wenig darauf hin, dass ihm der Freistaat diese zu verwehren gedenkt.

Dabei besteht an der Einschätzung Maiers kein Zweifel. Der Mann, der zu den prägenden Köpfen des »Flügels« in der sächsischen AfD gehört, früh gegen den vermeintlichen »Schuldkult« der Deutschen und die Herstellung von »Mischvölkern« agitierte und Verständnis für den norwegischen Rechtsterroristen Anders Brejvik äußerte, wird vom Verfassungsschutz in Sachsen als »Rechtsextremist« geführt. Nachzulesen ist das aktuell etwa in der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linksabgeordneten Kerstin Köditz, der zufolge auch davon ausgegangen wird, dass der formal 2020 aufgelöste Flügel fortbesteht und »aktiv ist«.

Justizministerin Katja Meier (Grüne) lässt keinen Zweifel daran, dass sie für Rechtsextreme keinen Platz auf der Richterbank sieht. In einem Gastbeitrag für die FAZ schrieb sie kürzlich, der Rechtsstaat sei gehalten, »beim Umgang mit Gegnern der Verfassung, vor allem auch Verfassungsfeinden in den eigenen Reihen«, alle Handlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Im »Gesamtkonzept Rechtsextremismus« der Landesregierung, das sie vor einigen Wochen vorstellte, wird betont, eine Verletzung der Verfassungstreue bei Staatsbediensteten solle »regelmäßig dienstrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Entfernung aus dem Dienst« zur Folge haben.

Soweit die Theorie. In der Praxis gleicht der Umgang mit Maiers Antrag einem Eiertanz. Verwiesen wird zum einen auf das Abgeordnetengesetz und das darin verankerte Rückkehrrecht für aus einem Parlament ausgeschiedene Beamte. Zum anderen wird aufgeführt, welche Instrumente zur Verfügung stehen, um Richter aus dem Amt zu entfernen. Die Landesverfassung sieht in Artikel 80 die so genannte »Richteranklage« für den Fall vor, dass Richter »im Amt oder außerhalb« gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen. Einem Antrag an das Bundesverfassungsgericht müsste das Parlament aber mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Dafür wären die Stimmen der Koalition aus CDU, Grünen und SPD sowie der oppositionellen Linken notwendig; letztere hat erklärt, eine Klage würde an ihr »nicht scheitern«. Doch das Verfahren, das in 70 Jahren Bundesrepublik noch nie angewendet wurde, gilt als heikel.

Daneben könnte auch ein Disziplinarverfahren gegen Maier eingeleitet werden. Die Frage ist: von wem? Das Ministerium sieht die Zuständigkeit beim Präsidenten des Gerichts, dem der AfD-Mann zugeordnet wird. Forderungen, selbst tätig zu werden, weist Meier zurück. »Ich kann nicht eingreifen«, sagte die Ministerin im Podcast der »Sächsischen Zeitung« und verwies auf die Gefahr, »unheilbare Mängel« zu schaffen, die ein späteres Vorgehen gegen Maier torpedieren.

Das vorsichtige Agieren des Ministeriums sorgt für Kopfschütteln. Es werde »wieder der sächsische Weg gewählt: abwarten, bis es zu spät ist«, schimpfte Köditz. Der Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescano, Direktor des Zentrums für Europäische Rechtspolitik in Bremen, nannte Maiers Rückkehrantrag in einem Aufsatz für den »Verfassungsblog« eine Nachricht, an der das »Versagen der vermeintlich wehrhaften Demokratie überdeutlich wird«, und rügte die »skandalöse Nonchalance« des Ministeriums. In den »Tagesthemen« warnte er vor einem »Dammbruch« und warf der Ministerin vor, »Teil des Problems und nicht Teil der Lösung« zu sein.

Die Grünenpolitikerin wiederum drängt auf Änderung des Abgeordnetengesetzes, um Verfassungsfeinde vom öffentlichen Dienst fernhalten zu können. Sie sieht sich dabei an der Seite von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die ebenfalls erklärte, »Feinde unserer Verfassung« hätten etwa in Gerichtssälen nichts zu suchen. Die AfD im Landtag warf Meier vor, sie wolle einen »Gesinnungs-TÜV« installieren. Die Linke erwidert, es gehe nicht um einen solchen TÜV, sondern um notwendige Schritte, um die »Unabhängigkeit der sächsischen Justiz zu schützen«.

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