Faeser steckt in der Extremismus-Falle

Bundesinnenministerin Nancy Faeser wird für einen Gastbeitrag in einem antifaschistischen Magazin von rechts unter Druck gesetzt. Diese Scheindebatte erschwert notwendige Kritik an der SPD-Politikerin, warnt Robert D. Meyer.

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Dieser Tage beweist die extreme Rechte, dass sie im Gegensatz zur Linken in der Lage ist, mediale Kampagnen loszutreten und damit Diskurse beeinflusst. Unterstützung erhält sie von einem Journalismus, der sich als Verfechterin einer »bürgerlichen Mitte« sieht, in seiner Fixierung darauf aber jegliche Verhältnismäßigkeit über Bord wirft.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wird von Union bis AfD für einen 2021 erschienen Gastbeitrag im Mitgliedermagazin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) unter Druck gesetzt. Dieser Vorgang zeigt auf mehreren Ebenen, warum ein SPD-geführtes Innenministerium sich vom »Extremismus«-Begriff als Instrument zur Klassifizierung politischer Gefahren für die pluralistische Demokratie dringend verabschieden muss. Sonst läuft Faeser Gefahr, wiederholtes Ziel der immergleichen Empörungskampagne zu werden.

Die Kritik arbeitet sich nicht an Faesers Beitrag, sondern lediglich an dem Kontext ab, in welchen dieser erschien. Die Kernaussage selbst sollte Konsens aller Demokrat*innen sein: Die damalige hessische SPD-Landtagsabgeordnete beschreibt in knappen Worten, dass auch sie mit »NSU 2.0« unterschriebene Drohschreiben erhielt. Obwohl nur ein Einzeltäter verantwortlich war, schreibt Faeser, habe sich dieser nicht isoliert radikalisiert, sondern seinen »Rassenwahn und faschistischen Phantasien« im Austausch mit anderen Gleichgesinnten immer weiter gesteigert.

Nazis sind nie alleine Nazis – keine besonders bahnbrechende Feststellung.

Weil diese Erkenntnis aber nicht zum Skandal taugt, arbeiten sich allen voran »Bild« und »Welt« am VVN-BdA ab. Mehr als eine Randnotiz sollte sein, dass die beiden Springermedien nicht die Ersten waren, die Faesers alten Gastbeitrag entdeckten. Die »Junge Freiheit« skandalisierte den Artikel bereits Tage zuvor. »Springer« liest also nicht nur bei einer neurechten Wochenzeitung mit, zur eigenen Blattlinie kompatible Erzählungen werden auch noch übernommen und allein durch die schiere Wirkmächtigkeit dieses Medienkonzerns zu scheinbarer öffentlicher Relevanz aufgeblasen.

Was seitdem folgt, ist kalkulierter Medienbetrieb: »Bild« skandalisiert Faeser, Politiker*innen von rechts bis ganz rechts empören sich über die Innenministerin, woraus »Bild« Artikel generiert – fertig ist die Endlosschleife. Die Frage ist: Was soll das alles?

Tatsächlich macht sich Faeser angreifbar, weil sie genau wie ihre Amtsvorgänger das Bundesinnenministerium im »Kampf gegen Extremisten« sieht. Deshalb war es absehbar, dass politische Gegner*innen in ihrer politischen Vita wühlen würden. Eine SPD-Politikerin stand im Kontakt mit linken Organisationen? Welche Überraschung!

Zur Beweisführung für die angebliche Gefahr, die vom VVN-BdA ausgehe, reicht dann auch die Einschätzung EINES Verfassungsschutzes, konkret des bayerischen Landesamtes. Für dessen politische Einordnung muss man nur wissen, dass die Behörde auch in der Linksjugend sowie dem Studierendenverband der Linkspartei eine politische Bedrohung sieht und von »extremistischen Strukturen« spricht. Genau die aber will Faeser bekämpfen. Wer selbst von »Extremisten« spricht, muss sich nicht wundern, wenn dieses Kampfbegriff irgendwann gegen einen selbst verwendet wird, ist seine Auslegung doch beliebig austauschbar.

Händereibend zurücklehnen können sich die wahren Feinde der pluralistischen Demokratie, die sich als »Patrioten« selbstverharmlosen. Durch das Lostreten einer Scheindebatte um Faeser und eine Organisation, die an die Verbrechen im Holocaust erinnert, wird von den Gefahren abgelenkt, die schon lange bis tief hinein in Deutschlands Sicherheitsbehörden wirken.

Warum etwa gibt es noch keinen Untersuchungsausschuss im Bundestag, der sich mit der Amtszeit von Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz beschäftigt? Längst gibt es ausreichend Hinweise, dass dessen völkische Gedankenwelt keine Folge seines Bedeutungsverlustes war, sondern bereits existierte, als er noch vorgab, die Demokratie zu schützen. Gleich mit untersucht werden muss die Frage, warum Faesers Vorgänger Horst Seehofer davon als oberster Dienstherr des Verfassungsschutzes angeblich nichts mitbekam oder mitbekommen wollte.

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