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  • Olympiasiegerin Denise Herrmann

Den Biathlon-Moment leben

Denise Herrmann verfolgte ihren Plan - und ist nun Olympiasiegerin

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Sonne war in Zhangjiakou gerade hinter der kahlen Berglandschaft verschwunden, als ein lauter Schrei durch den hereinbrechenden Abend tönte. Ausgestoßen hatte ihn Denise Herrmann, bei ihrem großen Schritt hinauf aufs olympische Siegerpodest. Links und rechts neben der Biathletin aus dem Erzgebirge warteten bereits die Französin Anais Chevalier-Bouchet und die Norwegerin Marte Olsbu Röiseland, um der 33-Jährigen beim Erklimmen der obersten Stufe zuzuschauen. Mit 9,4 Sekunden Vorsprung auf Silbermedaillengewinnerin Chevalier-Bouchet und 15,3 Sekunden vor Röiseland hatte die Wahl-Ruhpoldingerin im Einzel über 15 Kilometer triumphiert und strahlte nun im Nordwesten von Peking entsprechend: »Olympiasiegerin - das klingt wirklich gut.«

Das phänomenale Gefühl, die versammelte internationale Elite genau im richtigen Moment distanziert zu haben, wurde noch verstärkt durch das Wissen, in den zurückliegenden Monaten den eigenen Plan für diesen Winter konsequent und gegen alle Widerstände verfolgt zu haben. Im Vorjahr hatte Herrmann den Sieg im Gesamtweltcup als ihr großes Ziel ausgegeben. Das Vorhaben ging letztlich mit Rang zehn im Endklassement dann mächtig daneben. Daraufhin krempelte die frühere Langläuferin ihre Strategie für den olympischen Winter komplett um.

»In diesem Jahr ist mir der Gesamtweltcup ziemlich Wurst. Ich versuche, meine Form über die Wettkämpfe so aufzubauen, dass ich bei Olympia im Februar möglichst meinen Leistungszenit erreiche«, sagte Herrmann vor den ersten Rennen Ende November im Gespräch mit »nd«. Gefolgt von dem Gedanken: »Und wenn ich für mich dann das perfekte Rennen mache, gut schieße, gut laufe, wäre ich zufrieden.«

Genau das glückte ihr am Montag in dieser klassischen Disziplin des Biathlons - sechs Jahre nach ihrem Wechsel von den Langlaufspezialistinnen zum Doppelwettkampf mit Ski und Gewehr. Von ihren 20 Schüssen setzte Herrmann nur einen daneben. Genauso viel wie Chevalier-Bouchet auf Rang zwei - und den entscheidenden einen weniger als die im Gesamtweltcup führende Röiseland. »Riesenrespekt«, kommentierte der viermalige Olympiasieger Sven Fischer, der betonte: »Als Langläuferin zu kommen und dann in diesem schießlastigen Einzel zu gewinnen - das muss man sich erst mal zu Gemüte führen. Boah, das ist richtig groß!«

Richtig groß war auch die Genugtuung bei der Überraschungssiegerin. »Ich habe in dieser Saison oft auf die Fresse bekommen. Aber ich bin hierher geflogen, habe mich gut gefühlt - und weiß auch, dass ich schießen kann«, beschrieb Herrmann ihre Stimmung vor dem ersten Start im Biathlonstadion von Zhangjiakou. Dort habe sie nun versucht, »den Moment zu leben«. Was ihr eindrucksvoll gelang. Sie überzeugte mit einer klugen Renneinteilung sowie ruhigen, konzentrierten Einlagen am Schießstand - und hielt am Ende mit einem breiten Grinsen im Gesicht fest: »Diesen traditionellen Wettbewerb zu gewinnen, macht mich unglaublich stolz und glücklich.« Mit ihrem Sieg gelang Herrmann nebenbei zusätzlich Erstaunliches: Als erst zweite deutsche Wintersportlerin nach Susi Erdmann auf dem Rennschlitten und im Bob holte sie nach Bronze mit der Langlaufstaffel 2014 in Sotschi olympisches Edelmetall in zwei verschiedenen Sportarten.

Neben Herrmann überzeugte am Montag noch eine weitere deutsche Biathletin. Vanessa Voigt, die am vergangenen Sonnabend bei ihrem Olympiadebüt in der Mixed-Staffel als Startläuferin noch heillos überfordert war und gleich zwei Mal in die Strafrunde musste, lief auf Platz vier. Die 24-jährige Thüringerin, die erst vor elf Monaten in Nove Mesto ihr Weltcupdebüt feierte, zeigte mit nur einem Fehlschuss nicht allein im Kampf gegen die fünf Scheiben eine Leistungssteigerung, sondern legte zudem eine sagenhafte Laufform in den chinesischen Kunstschnee.

Am Ende schrammte die Skijägerin vom WSV Rotterode nur um die Haaresbreite von 1,3 Sekunden an der Zeit der in dieser Saison bislang überragenden Norwegerin Röiseland vorbei. »Ich habe mein Handy zuletzt überhaupt nicht mehr angemacht. Da waren viele positive, aber auch negative Nachrichten. Das musst du als junge Sportlerin erst mal hinkriegen - nicht auf diese negativen Nachrichten zu schauen«, betonte Voigt und erklärte sichtbar stolz: »Das ist die Antwort, die ich für mich selbst gebraucht habe.« Die in dieser Form unerwartet guten Resultate im Einzel dürften den deutschen Biathletinnen, bei denen Vanessa Hinz Rang 14 und Franziska Preuß bei ihrem Comeback nach zweimonatiger Wettkampfpause Platz 25 erreichte, viel Schwung für die weiteren Rennen geben.

Ihre männlichen Teamkollegen waren ohnehin schon recht wohlgemut nach Peking gereist. An diesem Dienstag steht nun für Benedikt Doll, Johannes Kühn, Erik Lesser und Roman Rees im Klassiker über 20 Kilometer die erste Einzelentscheidung an. Im Falle windiger Verhältnisse maximal zwei Fehler erlauben will sich der 31-jährige Doll. »Dann hat man auch Chancen, vorne mitzukämpfen«, glaubt der im Weltcup zuletzt erstarkte Schwarzwälder. Und sein Mitstreiter Lesser, vor acht Jahren in Sotschi Olympiazweiter in dieser Disziplin, erwähnt ähnlich zuversichtlich: »Ich weiß, dass im Einzel die Chancen sehr gut stehen, erfolgreich zu sein.«

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