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Abschiebeflughafen BER
Am Hauptstadt-Airport soll ein einzigartiges Asylverhinderungszentrum entstehen
Die Maschine aus dem italienischen Bergamo landet auf dem Flughafen BER in Schönefeld. Die Passagiere steigen auf dem Rollfeld aus und laufen die paar Schritte zum Terminal. Dort warten drei Bundespolizisten, um stichprobenartig Pässe zu kontrollieren. Als Erster erreicht der Fluggast die drei Beamten, der in der Maschine auf Platz 1A dem vorderen Ausstieg am nächsten saß. Es ist ein 18-jähriger Deutscher mit dunkelblonden Haaren und sehr heller Haut, der einige Meter vor allen anderen läuft. Die Bundespolizisten schauen sich seinen Personalausweis nur flüchtig an und winken ihn durch. Nach ihm ist ein Muster der Kontrolle nicht zu übersehen: Jetzt müssen Menschen mit schwarzer Haut und Frauen mit Kopftuch ihre Pässe zeigen, während alle anderen nicht mehr angehalten werden.
Nur Ahnungslose können das für einen Zufall halten. Es geht offensichtlich darum, Flüchtlinge herauszufischen und ins Flughafenasyl zu stecken. Dort bekommen sie ein Schnellverfahren, das ihnen im Vergleich mit einem regulären Asylverfahren geringere Chancen bietet, länger in der Bundesrepublik zu bleiben. Seit 2002 gibt es in Schönefeld für den genannten Zweck einen umzäunten Flachbau mit 32 Plätzen, der in der Corona-Pandemie auch dazu genutzt wurde, Quarantäne-Verweigerer abzusondern.
Von den rund 200 Mitarbeitern des Abschiebezentrums sollen etwa 90 vom Bund gestellt werden.
Geplant ist ein Komplex mit sieben Meter hohen Gebäuden samt Grünflächen und einer Tiefgarage.
Für 2025 wurde damit gerechnet, 1500 Einreisen zu bearbeiten, 15 Jahre später dann 3000 Einreisen.
Abgewickelt werden sollen außerdem zunächst 600 und später 900 freiwillige Ausreisen im Jahr, zudem 150 Abschiebungen im Jahr 2025 und 250 Abschiebungen im Jahr 2040. af
Doch nun soll ein sieben Häuser umfassender Komplex entstehen. Er wird verharmlosend als Behördenzentrum bezeichnet. Treffender ist das 4,4 Hektar große Areal freilich als Aufnahme- und Ausreisezentrum bezeichnet. Gegner des Vorhabens werden noch deutlicher und sprechen von einem Abschiebezentrum.
Zu den Gegnern gehören die Flüchtlingsräte von Berlin und Brandenburg, die Initiativen Seebrücke und Wir packen’s an, Justizwatch, Sea Watch, Migrantifa und die Schlafplatzorga, außerdem die Selbsthilfeorganisation Women in Exile. Sie und elf andere Gruppen haben sich im Bündnis »Abschiebezentrum BER verhindern« zusammengeschlossen. Diesen Mittwoch soll es eine erste Demonstration geben. Treffpunkt ist 16.45 Uhr am S-Bahnhof Schönefeld. Von dort geht es zur Kundgebung um 17.45 Uhr am Rathaus in der Hans-Grade-Allee 11. Hier tagen zeitgleich die Gemeindevertreter. Es solle Druck auf die Kommunalpolitiker ausgeübt werden, erklärte das Bündnis am Dienstag. »Denn der Beschluss der Baupläne steht noch aus.« Konkret geht es um den Bebauungsplan »Südlicher Dorfkern Schönefeld«. Weil der noch nicht aufgestellt ist, werden die anvisierten Termine wahrscheinlich nicht zu halten sein. Ursprünglich sollte der Bau im laufenden Jahr beginnen und 2025 fertiggestellt werden.
»Jede Form von Abschiebung und Inhaftierung ist ein gewaltvoller und zutiefst rassistischer Akt, den die Regierenden versuchen zu normalisieren, zu beschönigen und unsichtbar zu machen«, kritisiert Bündnissprecherin Alexis Martel. Durch den Zwang zur Erlangung von Visa und Aufenthaltstiteln, durch exklusive Asylverfahren und die Einweisung von Flüchtlingen in Lager werde Schwarzen Menschen »systematisch ein selbstbestimmtes Leben und die freie Wahl ihres Aufenthaltsortes verweigert«.
In dem geplanten Zentrum sollen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Bundespolizei mit den Ausländerbehörden des Landes Brandenburg und des Landkreises Dahme-Spreewald zusammenwirken. Auch ein Amtsgericht, ein Verwaltungsgericht sowie die Staatsanwaltschaft sollen dort in einem eigenen Haus unterkommen, um zu ermitteln, Durchsuchungsbeschlüsse zu erlassen und Eilanträge gegen Asylbescheide und Abschiebungen zu verhandeln. Eine Simulation zeigt einen modernen Zweigeschosser mit großen Glasfronten, davor parkenden Autos und schick angezogenen Beschäftigten. Uniformierte oder Flüchtlinge werden dabei nicht gezeigt.
»Mit dem Aufnahme- und Ausreisezentrum in Schönefeld wird eine europaweit einmalige Einrichtung geschaffen, die neue Maßstäbe für eine zügige, vernetzte Bearbeitung von Ein- und Ausreiseverfahren direkt am Hauptstadtflughafen setzt«, heißt es in einer Präsentation. »Es handelt sich um ein Vorzeigeprojekt von internationaler Bedeutung.« Die Kommunalpolitik wird mit dem Versprechen geködert, dass etwa 200 Arbeitsplätze für eine wirtschaftliche Belebung sorgen werden.
Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) nennt es »ein Unding«, dass ein Projekt dieser Größenordnung - es werde mindestens 100 Millionen Euro kosten und den Landeshaushalt über Jahrzehnte belasten - komplett am Landtag vorbei geplant werde. Die Linke habe der Landes- und der Bundesregierung »alles aus der Nase ziehen müssen«, und es sei immer noch einiges unklar. Auch Johlige beschwert sich über die verharmlosende Bezeichnung Behördenzentrum. Es werde dort so ausgezeichnete Bedingungen für Sammelabschiebungen geben wie an keinem anderen Flughafen in Deutschland, prophezeit die Politikerin. Darum führt sie noch einen weiteren Begriff ein: »Abschiebedrehkreuz«. Dass die in Bund und Land mitregierenden Grünen das dulden, hält Johlige für einen »Knaller«.
Angeschoben wurde das Vorhaben noch unter dem 2019 in den Ruhestand getretenen Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Der hatte sich bereits als Landrat von Oberhavel den Ruf erworben, gegenüber Flüchtlingen unnachgiebig zu sein. Das zeigte sich daran, dass in Oberhavel noch Gutscheine ausgegeben wurden, als viele andere Landkreise längst Bargeld auszahlten.
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