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OnlyFans: Neues Geschäftsmodell, altes Stigma

Der Umgang der Plattform OnlyFans mit pornografischen Inhalten zeigt auf, dass Sexarbeit nie unabhängig von der Gesellschaft ist, in der sie entsteht

  • Theresa Hartmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Sexarbeit im Internet kann lukrativ und selbstbestimmt sein
Sexarbeit im Internet kann lukrativ und selbstbestimmt sein

Eigentlich sieht es gerade alles ziemlich düster aus für die Sexarbeit. Die Einschränkungen der Corona-Pandemie haben die Branche hart getroffen, staatliche Unterstützung bleibt verhalten. Aber Not macht bekanntlich erfinderisch. In diesem Fall eine Erfindung des Plattformkapitalismus: OnlyFans. Seit der Coronakrise können viele Sex- und Pornoarbeiter*innen ihren Jobs in der Offline-Welt nur noch eingeschränkt nachgehen. Da bietet ihnen die Plattform die Möglichkeit, ihre Arbeit online fortzusetzen.

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OnlyFans gibt sich zwar selbst alle Mühe, das weichgezeichnete Image als Netzwerk aller Arten von Content Creators, von der Yogalehrerin bis zum veganen Koch, aufrechtzuerhalten. Trotzdem wird sie mittlerweile gerne mal als »Instagram für Pornos« bezeichnet, denn ein nicht unerheblicher Teil ihrer Mitglieder bevorzugt echten Porno statt Foodporn. Einer der simplen Gründe für den Hype: OnlyFans zensiert keine Nacktheit. Dadurch bietet sich die Plattform für erotische Inhalte viel besser an als beispielsweise Instagram. Dort dürfen auch nach Jahren der Kritik immer noch keine Brustwarzen von weiblich gelesenen Personen gezeigt werden, was nicht zuletzt Sexarbeiter*innen vor ein großes Problem stellt.

Dass OnlyFans ihnen nun die Möglichkeit gibt, relativ uneingeschränkt Content zu kreieren, ihn zu verwalten und sich über einen Abonnent*innenkreis zu finanzieren, deuten viele aus der Branche als Schritt hin zu neuer Selbstbestimmtheit von Pornoarbeiter*innen und zu mehr Anerkennung von Sexarbeit. Die deutsche Sexarbeiterin Yma Louisa Nowak erzählt auf ihrem YouTube Account nicht nur, dass sie von ihrer Arbeit auf OnlyFans uneingeschränkt leben kann, sondern betont den feministischen Charakter: Sie tut nichts, was sie nicht will und kämpft mit ihrem Content für die Enttabuisierung von dicken Frauenkörpern.

Die Digitalisierung hat die Pornobranche verändert - und deren Arbeitsbedingungen

Fast lässt einen Yma Louisas Beschreibung hoffen, dass mit OnlyFans endlich das immer noch aufrechterhaltene Bild der stets unter Zwang arbeitenden Prostituierten, die abhängig sind von zwielichtigen Produktionsfirmen und Pornobossen, ins Wanken gerät. Fast könnte man denken, OnlyFans ist das Werkzeug, dass Sex- und Pornoarbeiter*innen gebraucht haben, um dieses Bild zu sprengen. Fast.

Selbstbestimmung bleibt umkämpft

Wenn es doch so einfach wäre. Aber ein Vorfall aus dem vergangenen Jahr zeigt ziemlich eindeutig: Die Selbstbestimmung von Arbeiter*innen in der Sex- und Pornobranche ist und bleibt ein umkämpftes Feld. Im August kündigte die Betreiberfirma der OnlyFans-Plattform, Fenix International Limited, an, ihre Nutzungsbedingungen zu verändern und bereits wenige Wochen später alle explizit sexuellen Inhalte von der Plattform zu verbannen. Stattdessen wolle man auf den (viel kleineren) Teil der Mitglieder setzen, die dort Fitness-Content statt Nacktbilder bereitstellen.

Was hinter dieser Entscheidung stand, wurde nur kurze Zeit später deutlich: Der Feldzug, den konservative und rechte Kräfte in den USA seit Jahrzehnten gegen die Pornografie und die Arbeiter*innen der Branche führen, hatte auch OnlyFans erreicht. Zahlungsdienstleister machten der Plattform mit ihrer zunehmenden Erotisierung vermehrt Druck, Geldtransferleistungen für pornografischen Content nicht mehr zu unterstützen. Im Endeffekt eine einfache Rechnung: Als Teil der Tech-Industrie ist OnlyFans stark von Banken abhängig. Und die schweben eben nicht im luftleeren Raum, sondern sind verwebt in politische Agenden. So einfach die Rechnung, so krass wären die Folgen einer Sperre für diejenigen gewesen, die ihre pornografischen Inhalte über die Plattform finanzieren. Vielen von ihnen wäre die Lebensgrundlage innerhalb weniger Wochen entzogen worden – wohlgemerkt mitten in einer Pandemie, die gerade dabei war, ihre Arbeit offline komplett lahmzulegen.

Auch wenn OnlyFans die Ankündigung der Sperre ein paar Tage später zurücknahm und pornografische Inhalte bis auf weiteres auf der Plattform stehen bleiben dürfen, zeigt dieser Fall: Pornografie und Sexarbeit sind nie unabhängig von der Gesellschaft, in der sie entstehen und existieren. Wie die Pornoproduzentin Paulita Pappel vor Kurzem in einem Beitrag des Redaktionsnetzwerks Deutschland festellte, hat OnlyFans Sexarbeit nie aus sich heraus promotet, sondern lediglich geduldet. Die Plattform ist letztendlich nicht mehr und nicht weniger als eine Mittlerin zwischen Arbeiter*innen und Kund*innen, die vor allem Interesse daran hat, mit möglichst geringer Eigenverantwortung einen möglichst großen Anteil an den Einnahmen der Arbeiter*innen als Provision beizubehalten. Und wenn die großen Geldgeber sich dafür entscheiden, die auf der Plattform verrichtete Arbeit in die altbekannte Schmuddelecke zu verbannen, dann zieht OnlyFans mit. Ein genuines Interesse zur Entstigmatisierung von Porno- und Sexarbeit beizutragen oder gar bessere Arbeitsbedingungen in der Branche zu schaffen, existiert nicht.

»Verbote haben noch nie etwas verbessert«: Die Sexarbeiterin Ruby Rebelde über das »Hurenstigma«, Probleme von Prostituierten und ihr eigenes Engagement

»All das verdanken sie uns!«

Nach der angekündigten Sperre von pornografischen Inhalten auf OnlyFans ging ein Aufschrei durch die Reihen der Porno- und Sexarbeiter*innen der Plattform. Grund dafür war nicht nur die Angst vor dem finanziellen Ruin, sondern auch Wut. In einem TikTok Video vom August 2021 sagte die Darstellerin Kyokittie zynisch: »Ich finde es lustig mit anzusehen, dass eine Plattform, die von Sexarbeiter*innen aufgebaut wurde, diese Sexarbeiter*innen nun verbannt.« Und tatsächlich ist es fraglich, ob OnlyFans ohne das Zusammenspiel mit den Sex- und Pornoarbeiter*innen so viel Ruhm erlangt hätte. Kyokittie fügt noch hinzu: »All das verdanken sie uns!«

Genau diese Wut zeigt jedoch, dass OnlyFans ganz nebenbei und ohne, dass es intendiert gewesen wäre, vielleicht doch etwas verändert hat. Nämlich, dass immer mehr Darsteller*innen, Produzent*innen, Regisseur*innen und Content Creators sich die Stigmatisierung nicht mehr gefallen lassen wollen und selbstbewusst hinter ihren Inhalten stehen. Die Freiheit, die die Plattform ihren Arbeiter*innen zweifelsfrei lässt, kann dazu führen, dass mehr progressive Ideen innerhalb der Erotik- und Pornografiebranche umgesetzt werden können. Dieses emanzipatorische Potenzial ist OnlyFans aber nicht immanent, es kommt erst durch die emanzipatorischen Ideen der Sexarbeiter*innen auf die Seite.

Und hoffentlich sorgen diese Ideen in Zukunft dafür, dass immer mehr von ihnen das Gleiche tun wie Yma Louisa Nowak. Nämlich öffentlich über ihre Arbeit zu sprechen und zu sagen: Das ist mein Job, ich mache ihn aus diesen und jenen Gründen und ich habe ein Recht darauf, ihn ungehindert auszuüben.

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