Von der Wüste an die Ostflanke

Während die Bundesregierung die Mission in Mali infrage stellt, schickt sie weitere Soldaten nach Litauen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

SPD, Grüne und FDP haben angekündigt, alle Einsätze der Bundeswehr regelmäßig überprüfen zu wollen. »Eine regelmäßige Evaluierung werden wir sicherstellen«, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Das ist ein Hinweis darauf, dass die drei Parteien nicht noch einmal ein Debakel wie in Afghanistan erleben wollen, wo der Einsatz scheiterte und die Taliban nach dem Abzug der internationalen Truppen wieder die Macht übernahmen. Allerdings hat die Bundesregierung noch kein Mandat der laufenden Einsätze beendet oder eine Mission auslaufen lassen. Vielmehr beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch, dass die deutsche Beteiligung an der Nato-Seeüberwachungsmission »Sea Guardian« und am UN-Einsatz im Südsudan (Unmiss) um ein weiteres Jahr verlängert werden sollen.

Fraglich ist hingegen vor allem, wie lange sich die Bundeswehr noch in Mali engagieren sollte. Die Bundeswehr ist in dort an der EU-Ausbildungsmission EUTM und an der UN-Mission Minusma beteiligt. Derzeit sind rund 1300 Soldaten im Einsatz. Das Mandat läuft noch bis 31. Mai. Der Bundestag wird ab März über die Zukunft des Einsatzes beraten. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte die Mission bereits infrage gestellt. Die Europäer werfen der Militärregierung in Mali vor, zunehmend die Zusammenarbeit mit ihnen und den westlichen Militäreinsatz zu behindern. Die malische Regierung hatte in der vergangenen Woche den französischen Botschafter ausgewiesen. Die Regierung in Paris kündigte als Reaktion an, bis Mitte Februar mit ihren europäischen Partnern über die Militärpräsenz in dem westafrikanischen Land beraten zu wollen. Frankreich stellt das größte Kontingent der internationalen Truppen in der Region.

Die FDP will einen schnellen Abzug verhindern. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, schlug nun eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Mali für einen kurzen Zeitraum vor. »Möglich wäre eine Mandatsverlängerung für wenige Monate, um dann eine endgültige Entscheidung zu treffen: Bleiben oder gehen wir?«, sagte die FDP-Politikerin der »Rheinischen Post«.

Dagegen drängt die Linksfraktion die Bundesregierung dazu, schnell Tatsachen zu schaffen. Die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen erklärte: »Der Abzug der deutschen Soldaten aus Mali darf nicht auf die lange Bank geschoben werden. Eine Verlängerung des Einsatzmandats für die Bundeswehr ist unverantwortlich und widersinnig angesichts der Gefahrenlage und der wachsenden Ablehnung der ausländischen Militärpräsenz an der Seite der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich in der Sahel-Region.«

Litauen fordert Flugabwehrkanonen

Für die Präsenz deutscher Soldaten in Litauen ist hingegen keine Zustimmung des Bundestags notwendig. Das Verteidigungsministerium teilt mit, dass die deutsche Beteiligung an Enhanced Forward Presence der Nato eine sogenannte anerkannte Mission und damit kein Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes ist. Während sich die Bundeswehr aus anderen Regionen der Welt zurückzieht, gerät Osteuropa stärker in den Fokus. Die dortige westliche Truppenpräsenz richtet sich gegen Russland. Christine Lambrecht hatte am Montag angekündigt, in den kommenden Tagen 350 weitere Soldaten zur Stärkung der Nato-Ostflanke nach Litauen zu entsenden. Bisher sind etwa 500 Bundeswehrsoldaten in der früheren Sowjetrepublik stationiert.

Aus Litauen wurden nun weitere Forderungen gestellt. Sein Land halte es für »absolut notwendig«, die Truppenpräsenz der Nato in dem baltischen Staat zu verstärken, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Margiris Abukevicius der »Welt«. »Es wäre aber auch wichtig, wenn Deutschland und andere Staaten mit Flugabwehrraketen oder Flugabwehrkanonen unsere Luftverteidigung verbessern würden und entsprechendes militärisches Gerät nach Litauen verlegten.« Damit wolle er »Russland abschrecken«. Dies sei die einzige Sprache, die Staatschef Wladimir Putin verstehe, so Abukevicius. Russland hat Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen, aber auch die Nato-Staaten und ihre Verbündeten verlegen immer mehr Soldaten und militärisches Gerät nach Osteuropa.

Am Donnerstag empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz den litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda, die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas und den lettischen Regierungschef Krisjanis Karins im Kanzleramt. Der SPD-Politiker will mit den Staats- und Regierungschefs der drei baltischen Staaten über die Lage in und um die Ukraine sowie die Sicherheitslage in Osteuropa beraten.

Nauseda lobte am Mittwoch die Nato-Präsenz in seinem Land. »Litauen schätzt diesen bedeutenden Beitrag zur baltischen Sicherheit durch alle unsere Verbündeten«, sagte er bei einer Zeremonie zum fünften Jahrestag der Entsendung des multinationalen Gefechtsverbands. Ausdrücklich dankte er Deutschland für dessen Führungsrolle und Engagement als Rahmennation der auf dem litauischen Militärstützpunkt Rukla stationierten Einheit.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.