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Hand in Hand
Plattenbau. Die CD der Woche: »As Long As The Light« von Michael Rother und Vittoria Maccabruni
Je enormer die Bedeutung, die ein*e Musiker*in für die Popgeschichte hat, desto größer ist die Gefahr, vom eigenen Mythos erschlagen zu werden. So jemand wie Michael Rother, der kurzzeitig Kraftwerk-Mitglied war, dann zusammen mit Klaus Dinger das revolutionäre NEU! gründete, weiter mit Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius Harmonia bildete und schließlich 1977 mit seinem Solo-Debüt »Flammende Herzen« die Hitparade stürmte, so jemand weiß einiges vom Legendenstatus zu berichten. Stücke wie »Hallogallo« gelten als Meilensteine des Krautrocks und sind Musikliebhaber*innen auf der ganzen Welt ein Begriff.
Er ist die sechssaitige Stimme der Kosmischen Musik, drohte spätestens mit den beiden großen »Solo«-Boxen bei Grönland zu musealisieren. Was man ihm im Alter von 72 auch gegönnt hätte. Doch Pension oder Rente sind für Rother keine Option. Die Passion ist immer noch bei jedem Auftritt spürbar – ob als Interviewpartner oder auf der Bühne. Vollblutmusiker nennt man so was. Gerne auch in Kooperationen. Und deswegen endet das Kapitel Rother nicht »solo«, sondern beginnt als neues Duo gleich von vorn: Michael Rother und Vittoria Maccabruni heißt das frische Paar, das sich mittlerweile nicht nur diese Platte, sondern auch eine Liebe teilt.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Als er im Juni 2020 von seinem Zuhause im Weserbergland Richtung Pisa aufbrach, war das Ergebnis noch unklar. Seine Gitarren und seine Effekte waren an Bord. Und was soll man sagen? »As Long As The Light« ist in seinen fulminantesten Momenten das Beste, was Rother seit den 70ern, seit Neu! und Harmonia, produziert hat. Die große Spannung gewinnt die Platte aus dem Zusammenspiel von Rothers Gitarren und Maccabrunis elektronischen Produktionen. Die Soundwelten, die die Italienerin entwickelt und baut wie eine tollkühne Architektin mit gewissem Hang zum simplen Minimalismus, eröffnen für Rother unbekannte Räume. Hier erscheint sein Spiel wie ornamentale Tapeten: alles sehr heimisch, manchmal unheimlich zugleich.
Wie hauchdünn die Grenze zwischen Neuerfindung und Selbstzitat sein kann, zeigen die ersten beiden Stücke »Edgy Smiles« und »Exp1«, die noch wie ein Baby rumtapsen, manchmal recht stark wanken, aber doch ohne größere Unfälle ans Ziel kommen. Nach dieser Findungsphase wird das Gesamtkonstrukt schärfer und ausformulierter, besonnener im Einsatz und fragiler. Ein Stück wie »Curfewed« gewinnt aus dem Kampf zwischen idiosynkratischen alten Mustern und Neuerfindung. Statt Kraut entstehen so technoide Klänge, die sich selbst beim Drum ’n’ Bass bedienen können – ohne dass sie je drohen auseinanderzufallen.
Ganz zum Ende hin, da kommt jedoch ein letztes Mal der große Romantiker aus Rother raus. Hier darf er noch mal, mit Effektpedalen bewaffnet, mit großen Gesten und pompösem Klang glänzen. Doch getrieben von einem faszinierenden Schreit-Rhythmus, der unaufgeregt, aber nie wohlfeil klingt, geht hier ein wunderbares neues Duo anscheinend Hand in Hand in den Sonnenuntergang. Von Mythos keine Spur – es ist wirklich neu und aufregend. Das Stück heißt passenderweise »Happy (Slow Burner)« – und ja: Glücklich dürfen mit dieser feinen Platte alle sein.
Michael Rother und Vittoria Maccabruni:»As Long As The Light« (Grönland/GoodToGo)
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