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Welterbe für Gäste gerüstet
Das Bauhausdenkmal Bundesschule Bernau hat für 2,7 Millionen Euro ein Besucherzentrum erhalten
Ich sah etwas Beeindruckendes«, erinnert sich Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Freitag an einen Spaziergang in den 1990er Jahren. Sie war mit einer Bekannten in Bernau unterwegs. Diese sagte, sie wolle ihr etwas zeigen, bog in den Wald ab - und dann stand Geywitz vor der ehemaligen Gewerkschaftsschule.
1928 bis 1930 ließ der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) einen Schulungskomplex errichten, der sich stufenförmig an einem Hang in die Landschaft einschmiegte. Den Entwurf lieferte Bauhausdirektor Hannes Meyer, der seinen Architektenkollegen Hans Wittwer und seine Studenten in die Realisierung des Projekts einbezog. Seit 2017 ist das Baudenkmal Bundesschule Bernau als Weltkulturerbe von der Unesco anerkannt - neben nur 47 weiteren Objekten in Deutschland und in einer Reihe mit den berühmten Bauhausstätten in Dessau und Weimar. Inzwischen habe man sich an den Gedanken gewöhnt, sagt Gey-witz. Doch das in den 90er Jahren für möglich zu halten, sei »wagemutig« gewesen.
Nach anderthalb Jahren Bauzeit ist nun ein Besucherzentrum fertig. Am Freitag übergibt der Stuttgarter Architekt Thomas Steimle symbolisch den Schlüssel an Bürgermeister André Stahl (Linke). Stahl bedankt sich bei allen Beteiligten und nicht zuletzt bei dem Verein, der sich seit 1990 unermüdlich dafür einsetzte, dieses bedeutsame Erbe zu bewahren.
Mehrmals war das seit 1977 unter Denkmalschutz stehende Ensemble in einen Dornröschenschlaf gefallen, nachdem es den DDR-Gewerkschaftsbund FDGB nicht mehr gab, der hier seit 1946 eine Gewerkschaftsschule unterhalten hatte. Doch 1990 wurden die 195 Lehrkräfte und 345 Angestellten entlassen. 1992 zog eine Fachhochschule für Verwaltung ein, die jedoch nach sechs Jahren verlegt wurde. Im Jahr 2000 übernahm die Handwerkskammer Berlin und nutzte die Schule als Lehrlingsinternat - was ein Glücksfall für das Bauhausdenkmal war, weil es mit Fördermitteln bis 2007 schrittweise saniert werden konnte. Nun ist die Handwerkskammer aber wieder ausgezogen und möchte sich von der Immobilie trennen. Nachfolger ist eine Pflegeschule der Michels-Kliniken, die ihren Krankenhausstandort unweit in der als Wandlitz bekannten ehemaligen Siedlung des SED-Politbüros haben.
Es ist vorgesehen, dass die Michels-Kliniken statt der Handwerkskammer in den Erbpachtvertrag für die Bauhausschule eintreten, erläutert Bürgermeister Stahl. Die Zukunft des Hauses ist von Bedeutung, weil man mit dem Besucherzentrum als Ausgangspunkt gern Führungen anbieten möchte. Denn das in seiner Zeit so revolutionäre Konzept erschließt sich voll erst durch eine Besichtigung auch der Innenräume.
»Luft und Licht überall«, schwärmte die aus Hamburg angereiste Teilnehmerin eines zweiwöchigen Kurses im Jahr 1931. In Vorträgen sei etwa über die Rechte der Frau in der Wirtschaft informiert worden und man habe Sport getrieben. Zu erfahren ist dies an einer der Hörstationen in der Dauerausstellung im Besucherzentrum. Doch der freundliche Eindruck des Hauses sei in der Nazizeit durch einen scheußlichen Tarnanstrich zerstört worden, schilderte Walter Maschke vom FDGB-Bundesvorstand 1947 in einem Interview. In der Nazizeit hatte sich der Sicherheitsdienst der SS in der Schule eingenistet, trainierte hier beispielsweise den fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz, der 1939 einen Vorwand lieferte, Polen anzugreifen.
1949 erhielt Architekt Georg Waterstradt den Auftrag, eine Erweiterung der nur für 120 Gewerkschafter ausgelegten Schule zu planen. Der Ergänzungsbau orientierte sich in seiner Formensprache mutig am Bauhausstil, obwohl dieser in der Stalin-Ära als Formalismus verdammt wurde. In dem Erweiterungsbau befindet sich heute das Oberstufenzentrum Barnim.
Ein Besucherzentrum zu projektieren, das zu den historischen Bauten passt, sei keine leichte Aufgabe gewesen, schildert Architekt Steimle. Sein Büro habe mehr als 80 Entwürfe erstellt und in der Nacht vor dem Abgabetermin wieder verworfen. Zum Architekturwettbewerb eingereicht wurde stattdessen eine Variante, die sich gegenüber dem Baudenkmal zurücknehme, mit großen Glasfronten jedoch deren Stil aufnehme. »Es hat sich gelohnt«, ist Steimle mit dem Ergebnis zufrieden.
Auch Hans-Peter Wittwer, Enkel des Baudenkmal-Mitschöpfers Hans Wittwer, gefällt das Besucherzentrum. Der Kunsthistoriker ist extra aus der Schweiz zur Eröffnung angereist und lobt: »Ich find’s super, sehr schön.«
2,7 Millionen Euro hat es gekostet. Die Stadt Bernau bekam 667 000 Euro vom Bund und außerdem 130 000 Euro vom brandenburgischen Kulturministerium für die Dauerausstellung. Das Land steuert künftig auch etwas zu den Personal- und Betriebskosten bei. Falls die Summen nicht ausreichen, möchte Bürgermeister Stahl noch einmal auf Kulturministerin Manja Schüle (SPD) zugehen, wie er ihr bei der Schlüsselübergabe ankündigt.
Bundesbauministerin Geywitz fragt sich: »Sind wir als Gesellschaft noch einmal in der Lage, so etwas Großes zu leisten wie das Bauhaus?« Die Verbindung von Kunst und Handwerk, neue Sachlichkeit und Zweckmäßigkeit, das waren die in den 1920er Jahren bahnbrechenden Vorstellungen. Die Herausforderung heute sei klimafreundliches Bauen, weiß Geywitz. Nicht umsonst hat der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber im vergangenen Jahr das Bauhaus der Erde gegründet, um Nachhaltigkeit zum modernen Maßstab der Architektur zu machen.
Besucherzentrum Bauhausdenkmal Bundesschule Bernau, Hans-Wittwer-Straße 1, Di bis So von 10 bis 17 Uhr, Eintritt frei, welterbe-bernau.de
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