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- Olympische Winterspiele in Peking
Jubelschreie in Zhangjiakou
Die deutschen Skispringer fliegen in einem spannenden Finale zu Bronze im Teamwettbewerb
Es waren minus 23 Grad im Skisprungstadion von Zhangjiakou, doch die Freude des deutschen Teams über eine nicht mehr erwartete Bronzemedaille ließ den Schnee schmelzen. Karl Geiger, Markus Eisenbichler, Constantin Schmid und Stephan Leyhe hüpften im Kreis wie kleine Jungs. Nachdem das Quartett im gesamten Verlauf des olympischen Teamwettbewerbs nie auf einem Medaillenrang gelegen hatte, langte es nach einem starken Schlusssprung vom Einzel-Dritten Geiger doch noch zu Platz drei - mit 0,8 Punkten Vorsprung vor Norwegen, umgerechnet sind das winzige 44 Zentimeter.
»Ich wollte endlich diese Scheißmedaille. Ich weiß gar nicht wohin mit meinen ganzen Emotionen. Die Geschichte von vor vier Jahren hat an mir genagt«, erklärte Eisenbichler danach. Nach dem fast unglaublichen Happy End wollte er gar nicht mehr aufhören, sein Glück laut herauszuschreien. Bei den Winterspielen vor vier Jahren in Pyeongchang war er überraschend aus dem deutschen Team geflogen, das unter anderem mit Geiger und Leyhe Silber gewann. Dieses Mal hatte der Bayer aus Siegsdorf mit der Tagesbestweite von 139,5 Metern in seinem Sprung im zweiten Durchgang des Wettbewerbs den größten Anteil am ersehnten Medaillengewinn.
»Eisei war Wahnsinn. Wir waren zwischendurch schon mal auf Platz sechs. Da kann man schon mal den Glauben an die Medaille verlieren. Es stand wirklich auf des Messers Schneide, deshalb bin ich über die Medaille extrem froh«, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. Gold gewannen überraschend dessen Landsleute aus Österreich mit dem 36 Jahre alten Schlussspringer Manuel Fettner. Im Team Austria holte der Skiflug-Weltrekordler und mehrmalige Weltmeister Stefan Kraft endlich seine erste Olympiamedaille. Und die nach einem spannenden Zweikampf gleich in Gold vor den zweitplatzierten Slowenen.
Es war bei wechselnden Rückenwindbedingungen ein unglaublicher schwieriger Wettkampf. Bei Halbzeit lag das deutsche Team zehn Punkte hinter Platz drei zurück, doch Eisenbichler wollte einfach nicht aufgeben und spornte seine Kollegen im Container noch einmal an: »Wir waren extrem weit hinten. Aber ich habe gesagt: Wir gehen jetzt da raus und holen uns diese Medaille. Wir haben sie uns einfach verdient.« Speziell nach dem extrem schwierigen Verlauf dieser Olympischen Winterspiele für die erfolgsverwöhnten deutschen Skispringer. Als Nummer eins der Nationenwertung und mit Karl Geiger als Spitzenreiter im Gesamtweltcup waren sie als doppelte Goldfavoriten in Peking angereist. Doch im Einzelspringen von der Normalschanze erlebten die Deutschen mit Platz 15 für Geiger ein Debakel. Als der Oberstdorfer mit seinem besten Sprung im Mixed-Wettbewerb das Geheimnis der Schanze halbwegs entschlüsselt hatte, folgte mit der umstrittenen Disqualifikation für Katharina Althaus das »nächste Brett vor dem Kopf«.
»Ich wusste einfach nicht mehr, was ich tun soll. Ich habe gedacht: Entweder du fliegst jetzt heim oder du änderst etwas«, erzählte Geiger. Bundestrainer Horngacher appellierte in der größten Krise seiner bisherigen Amtszeit an den Teamspirit. Geiger berichtete, dass ihm neben den Telefonaten mit seiner Frau Franziska und Tochter Luisa daheim besonders die Gespräche mit seinem Kumpel Eisenbichler geholfen hätten. Er begann wieder bei null: »So wie ein neugeborenes Küken - aus dem Ei schlüpfen und loslegen.«
Es hat geholfen: Auf der Großschanze von Zhangjiakou wurde es von Sprung zu Sprung besser - und Geiger sicherte sich überraschend noch Bronze im Einzelspringen. Dort hatte der Norweger Marius Lindvik Gold gewonnen. Genau in diesem Duell gegen den Olympiasieger sicherte Geiger im entscheidenden zweiten Durchgang des Teamwettkampfs noch Bronze. Mit 2,6 Punkten Rückstand war Geiger an den Ablauf gegangen und segelte auf 128 Meter. Lindvik schaffte nur 126,5 - ein knapper halber Meter zu wenig. Der Rest war deutscher Jubel.
Mit zwei Bronzemedaillen für die deutschen Skispringer sowie Silber im Einzel für Katharina Althaus konnte das Flugteam die Erwartungen trotzdem nicht ganz erfüllen. Vor vier Jahren hatte sich Andreas Wellinger mit Gold und Silber im Einzel sowie der Silbermedaille mit dem Team noch zum olympischen Flugkönig gekrönt. Wellinger verpasste diesmal die Qualifikation für die Winterspiele, in denen sich Karl Geiger und Co mit den vorher unbekannten Schanzen in Zhangjiakou viel schwerer als erwartet taten.
Das alles war Markus Eisenbichler jedoch nach dem Happy End im Kühlschrank ziemlich egal. Nach einer Party mit »ein, zwei Bier« will er nach der Nervenbelastung dieses Teamspringens am Dienstag mit Skilangläufer und Kumpel Lucas Bögl in die Loipe gehen. Und danach freut er sich schon auf die Rückkehr nach Hause, wo sein Bruder Martin gerade Papa des kleinen Elias geworden ist. Onkel Markus Eisenbichler bringt als ganz besonderes Mitbringsel eine olympische Bronzemedaille mit: »Ich habe jetzt endlich ein Spielzeug für den Kleinen, da kann er dran lutschen.«
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