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Weltgeist auf Abwegen
Trotz rassistischer Äußerungen übte Hegel einen großen Einfluss auf die Schwarze Geschichte aus – eine Veranstaltungsreihe untersucht nun dieses Spannungsverhältnis
Der Lieblingsphilosoph des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King, der sich am prominentesten gegen die Rassentrennung im Land einsetzte, war erstaunlicherweise Hegel. Das erstaunt, weil in den aktuellen Debatten über Rassismus in der deutschen Philosophie auch Hegel als Rassist entdeckt wurde. Und es stimmt: Hegel war ein Rassist. Er glaubte, dass die Völker in einer hierarchischen Ordnung zueinander stehen. Am unteren Ende der Ordnung stünden die Völker Afrikas, am oberen die Europas. Das ist in den Vorlesungen zur Geschichtsphilosophie zu lesen. Gleichzeitig hatte seine Philosophie aber einen großen Einfluss auf die philosophischen und befreiungstheoretischen Arbeiten einiger Schwarzer Philosoph*innen im afroamerikanischen, afrikanischen und karibischen Kontext - wie bei Martin Luther King. Und vor allem waren es solche Texte Hegels, die sich mit einer Philosophie des Subjekts und seinem Verhältnis zur Welt beschäftigen, wie die »Phänomenologie des Geistes«.
Es gibt eine Spannung, in der sich einerseits Hegels rassistische Äußerungen, sein Eurozentrismus und andererseits seine proto-emanzipatorische Philosophie befinden. Eine Veranstaltungsreihe geht nun der Frage nach, wie diese sich in den Arbeiten von Aimé Césaire, Édouard Glissant, Frantz Fanon, W. E. B. Du Bois, C. L. R. James und Angela Davis austrägt. Auf dem Spiel steht die paradoxe Verdrehung, deren Auseinandersetzung mit Hegel nicht mehr ernst zu nehmen, weil er unter Anklage steht, ein rassistisches Denken zu vertreten. Zugleich darf über diesen Sachverhalt in der Philosophie aber auch nicht mehr hinweggesehen werden - ein Dilemma. Die Reihe wurde von Daniel James und Franz Knappik ins Leben gerufen, die kürzlich in einem aufsehenerregenden Artikel in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« Hegels Rassismus problematisierten, sie trägt den Titel »Hegel (anti)kolonial«. Nach der Auftaktveranstaltung »Hegel und der Kolonialismus« wurde das Thema »Hegel und Schwarze Geschichte« behandelt.
Gerade Hegel ist laut Teshale Tibebu, Autor von Büchern über Hegel und die Dritte Welt sowie über Hegel und Antisemitismus, eine gute Quelle für das, was wir heute Eurozentrismus nennen. Doch das ist nicht alles. Es geht auch um Négritude, um die Aneignung der Schwarzen Position durch die Philosophie Hegels. Das ist für die Philosophin Jamila Mascat vor allem an der Hegel-Rezeption von Denker*innen der Französischen Antillen zu sehen. Interessant war für diese die Annahme Hegels, dass Freiheit durch Kampf errungen werden muss und nicht einfach gegeben ist. Die Inspiration dafür könnte Hegel wiederum aus Schwarzen Kämpfen gezogen haben, wie Susan Buck-Morss vor ein paar Jahren in ihrem viel diskutierten Buch »Hegel und Haiti« argumentierte. Ist Hegel also auf eigentümliche Weise in die Schwarze Geschichte verwoben?
Kimberly Ann Harris, Philosophin mit Schwerpunkt auf African American History, Critical Theory of Race und Hegel, beschreibt, dass sich die Philosoph*innen die Idee der erkämpften Freiheit aneigneten. Dadurch wurden die Hegel’schen Konzepte in Werkzeuge für die Befreiung und Dekolonisierung der Schwarzen verwandelt. In einem Interview bezeichnete der Philosoph Daniel James die Hegel’sche Philosophie innerhalb der Schwarzen Geschichte als »Steinbruch«, in der die Denker*innen Elemente gesucht haben, die für sie brauchbar sind, ohne das ganze Gerüst des Denkens entweder zu kennen oder mitnehmen zu wollen. So beschreibt Mascat die Methode des Dichters Aimé Césaire als »postkolonialen Kannibalismus«. Universalität erreicht diese Position nicht durch Negation der Teilhabe an der europäischen Vernunftgeschichte, sondern durch Vertiefung der besonderen Position, in der die Schwarze Geschichte im Verhältnis zur Aufklärung steht.
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