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Preiswerte Sanktionen
EU bestraft Hunderte russische Politiker, Militärs und Geschäftsleute
Die Europäische Union gibt sich geschlossen: Nach langen Diskussionen stimmten alle 27 Mitgliedsstaaten am Dienstagabend für Sanktionen gegen Russland. Bereits am Mittwoch sollten die Maßnahmen greifen.
Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian stellte nach dem Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen in Paris klar: »Wir sind bereit, auf jede weitere Eskalation zu reagieren.« Sprich: Die EU schöpft ihre Sanktionsmöglichkeiten nicht aus und bleibt gesprächsbereit. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterstrich, dass die neuen Sanktionen »Personen genauso treffen wie Firmen und Banken, die das russische Militär finanzieren«.
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Doch was steht nun auf der Sanktionsliste? Laut Entwurf der Kommission soll der Zugang für Russland zu den Kapital- und Finanzmärkten der EU eingeschränkt werden. Russische Staatsanleihen dürfen zukünftig nicht mehr in der EU gehandelt werden. Damit soll es Moskau schwerer gemacht werden, Geld an den Finanzmärkten einzusammeln. Außerdem werden Hunderte Personen auf die Sanktionsliste gesetzt, darunter alle 350 Abgeordneten des russischen Parlaments, die für eine Anerkennung der Volksrepubliken von Luhansk und Donezk gestimmt hatten. Der Name von Russlands Verteidigungsminister Sergej Shoigu soll ebenfalls auf der Liste stehen. Die hier gelisteten Personen dürfen nicht mehr in die EU einreisen. Ihre Vermögenswerte in der Union werden eingefroren.
Zudem setzt die EU den Handel mit den prorussischen Republiken aus. Das erinnert an die Handelssanktionen, die Brüssel nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 beschlossen hatte. Seitdem gilt ein Importverbot für Produkte von der Krim. Der echte Krimsekt ist deshalb aus den Regalen europäischer Supermärkte verschwunden. Russland reagierte seinerseits und verhängte ein Importverbot für viele Lebensmittel aus der EU. Immer wieder vernichten russische Zöllner seitdem »verbotene« Lebensmittel, die etwa über Belarus ihren Weg nach Russland finden.
Ansonsten blieben die 2014 verhängten Sanktionen sehr begrenzt - zu lukrativ ist der Handel mit der Rohstoff-Supermacht Russland. EU-Exportverbote gelten seit 2014 für Rüstungsgüter und spezielle Technologien für die Ölförderung und -suche.
Tatsächlich sind auch die jetzt verhängten Sanktionen eher symbolischer Natur und halten die Kosten für die EU-Staaten gering. Denn für viele ist die Sache ein wirtschaftlicher Balanceakt, vor allem für Länder wie Deutschland oder Italien, die intensive Handelsbeziehungen zu Russland pflegen. Selbst im Corona-Krisenjahr 2020 exportierte Deutschland Waren für mehr als 23 Milliarden Euro nach Russland, das Platz 15 der wichtigsten Einfuhrländer für deutsche Exporte belegt. Umgekehrt exportierte Russland Güter im Wert von 22 Milliarden Euro, vor allem Rohstoffe wie Gas und Öl.
Zwar kam das Kieler Institut für Weltwirtschaft schon 2017 zu dem Schluss: »Die Bedeutung des Russland-Handels für Deutschland und die Mehrheit der EU-Staaten ist begrenzt und die Abhängigkeit von Importen aus Russland, bis auf die Lieferungen von Erdgas, gering.« Doch die Betonung liegt hier auf dem Nebensatz zwischen den Kommas. Tatsächlich ist Deutschland abhängig von russischen Gaslieferungen. Immerhin hat Erdgas mittlerweile einen Anteil von über einem Viertel am deutschen Primärenergieverbrauch. »Importe aus Russland wiederum decken den Erdgasverbrauch mittlerweile etwa zur Hälfte«, wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt.
Die aktuelle russische Energiestrategie sieht zwar eine Ausweitung der Erdgas-Exporte vor, aber Zielländer sind hier vor allem China und asiatische Staaten, die mit verflüssigtem Erdgas beliefert werden sollen. Putin »diversifiziert« seine Abnehmerländer und schafft so Alternativen zum europäischen Markt.
Allerdings haben seine Pläne eine längere Laufzeit. In naher Zukunft ist Russland auf die Einnahmen aus dem Rohstoff-Geschäft mit der Europäischen Union weiterhin angewiesen. Die wiederum hatte sich bereits vor einigen Tagen auf einen Katalog geeinigt, der ein ganzes Portfolio an weiteren möglichen Sanktionen enthalten soll, auch für den Energiesektor. Was dort vereinbart wurde, ist Geheimsache. Man wolle sich nicht in die Karten schauen lassen, betonte Ursula von der Leyen. Bleibt die Frage, wie weit die EU tatsächlich gehen wird, wenn sich der Konflikt in der Ukraine weiter zuspitzt.
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