- Politik
- Putin erklärt den Krieg
Russland startet Großangriff auf die Ukraine
Unicef: Kinder in der Konfliktregion brauchen »dringend Frieden« / Linke verurteilt Angriff Russlands auf die Ukraine / Menschen fliehen aus Kiew / Flüchtlingsrat fordert Abschiebestopp / Deutsche Diplomaten verlassen Kiew
Update 13.10 Uhr: Kinder in der Konfliktregion brauchen laut Unicef »dringend Frieden«
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine vor dramatischen Folgen für das Wohlergehen der ukrainischen Kinder gewarnt. »Wenn die Kampfhandlungen nicht aufhören, könnten Zehntausende Familien aus ihrem Zuhause vertrieben werden. Dies würde die humanitäre Lage dramatisch verschärfen«, sagte Exekutivdirektorin Catherine Russel laut einer Mitteilung von Donnerstag. Laut Unicef leben 7,5 Millionen Kinder in der Ukraine.
»Der schwere Beschuss von Gebieten entlang der sogenannten Kontaktlinie hat in den vergangenen Tagen bereits dazu geführt, dass die Wasserinfrastruktur sowie Bildungseinrichtungen beschädigt wurden«, hieß es in der Mitteilung. Unicef bringe mit Lastwagen Trinkwasser, stelle Medikamente und medizinische Ausrüstung, Hygieneprodukte und Schulmaterialien zur Verfügung und arbeitet mit den Gemeinden zusammen, damit Kinder schnell humanitäre Hilfe bekämen. »Die vergangenen acht Jahre des Konflikts haben den Kindern auf beiden Seiten der Kontaktlinie schweren und dauerhaften Schaden zugefügt«, sagte Russel. »Sie brauchen dringend Frieden, und zwar jetzt.«
Update 12.55 Uhr: Linke verurteilt Angriff Russlands auf die Ukraine
Die Linke hat den russischen Angriff auf die Ukraine scharf verurteilt. »Dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg ist durch nichts zu rechtfertigen«, hieß es am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung von Partei- und Fraktionsführung. »Russland muss die Kampfhandlungen sofort einstellen, einem Waffenstillstand zustimmen und an den Verhandlungstisch zurückkehren.«
Die Erklärung gaben die Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler sowie die Fraktionschefs Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch gemeinsam ab. Zuvor hatte Hennig-Wellsow bereits auf Twitter erklärt: »Dieser Angriffskrieg von Putin ist ein Verbrechen und durch nichts, rein gar nichts zu rechtfertigen.«
In der Erklärung appellierten die Linken-Politiker an die Bundesregierung, alles Mögliche zu tun, »um eine Eskalationsspirale mit unbekanntem Ende zu verhindern«. Sie regten eine UN-Sonderkonferenz unter Einbeziehung Russlands, der Ukraine und aller Nachbarstaaten an. Die Nachbarn dürften bei der Aufnahme von Geflüchteten nicht alleine gelassen werden.
Linken-Politiker hatten lange um Verständnis für russische Sicherheitsinteressen geworben und betont, dass die Nato mit ihrer Osterweiterung gegen einstige Zusagen verstoßen habe. Bereits zu Wochenbeginn hatte die Fraktions- und Parteispitze jedoch die Entscheidung von Präsident Wladimir Putin kritisiert, die sogenannten Volksrepubliken in der Ostukraine anzuerkennen und Truppen zu entsenden.
Update 11.55 Uhr: Menschen fliehen aus Kiew
Aus Angst vor einem noch größer angelegten russischen Angriff auf die Ukraine fliehen viele Menschen aus der Hauptstadt Kiew. Vor Bankautomaten bildeten sich am Donnerstag lange Schlangen, wie ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Fotos zeigten zudem lange Autokolonnen. Andere versuchten, mit Zügen aus der Millionenmetropole zu flüchten. Viele Menschen deckten sich mit Lebensmitteln und Trinkwasser ein.
Die U-Bahn stellte am Vormittag ihren Betrieb nicht ein. Die Fahrten waren am Donnerstag gratis. Am Morgen liefen testweise die Luftschutzsirenen. In dem osteuropäischen Land gilt seit 5.30 Uhr (4.30 Uhr MEZ) das Kriegsrecht.
Update 10.43 Uhr: Flüchtlingsrat fordert Abschiebestopp in Ukraine
Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern hat einen Abschiebestopp in die Ukraine gefordert. Rückführungen in das osteuropäische Land seien sowohl aus Sicherheitsgründen als auch wegen der extrem angespannten wirtschaftlichen Lage unmenschlich, erklärte Geschäftsführerin Ulrike Seemann-Katz am Donnerstag. Derzeit seien gut 700 Ukrainer aus MV ausreisepflichtig.
Seit 2014 gebe es bereits einen bewaffneten Konflikt in der Ukraine, der von Beginn an Menschen in die Flucht getrieben habe, auch nach Deutschland. »Nach längeren Asylverfahren haben sich diese Menschen inzwischen sehr gut in Deutschland integriert, sind aber zu einem großen Teil ausreisepflichtig, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Asylgrund sieht«, so Seemann-Katz. Dies müsse angesichts der aktuellen Lage geändert werden.
Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern erhalte aktuell sehr viele Anfragen zum Thema Ukraine - von Ukrainern, ihren Arbeitgebern, Nachbarn, Freunden und Kollegen sowie aus Schulen und Sportvereinen. Die kommunalen Ausländerbehörden schienen überlastet zu sein.
Update 10.10 Uhr: Deutsche Diplomaten verlassen Kiew
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Bundesregierung die letzten Diplomatinnen und Diplomaten aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew abgezogen. Diese Entscheidung habe sie am Mittwochabend getroffen, erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag in Berlin. Das Auswärtige Amt werde nun »lageabhängig« entscheiden, ob Deutschland in einer anderen ukrainischen Stadt - etwa im westukrainischen Lwiw - eine diplomatische Vertretung etabliere.
Update 9.30 Uhr: Menschenkette für Frieden in Berlin geplant
Viele Menschen sind erschüttert vom Angriff Russlands auf die Ukraine. Um ein Zeichen für Frieden und Deeskalation zu setzen, rufen verschiedene Organisationen zu einer Menschenkette in Berlin auf. »Wir gehen gegen den Krieg auf die Straße – und stehen ein für ein Europa der Abrüstung, der Entspannung und der Verständigung. Bisher dominierten Geopolitik, strategische Interessen und militärische Macht die Berichterstattung über den Konflikt. Menschen, die sich für Frieden und Deeskalation einsetzen, kommen in den Schlagzeilen kaum vor. Das wollen wir ändern«, heißt es im Aufruf des Bündnisses aus Gewerkschaften, Kirchen, dem Netzwerk Friedenskooperative und Umweltorganisationen. Am Sonntagmittag soll sich die Menschenkette von der russischen zur ukrainischen Botschaft in Berlin ziehen. Treffpunkt ist um 13 Uhr am Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor.
Update 9.05 Uhr: Baltenstaaten verurteilen Russlands Angriff
Die Außenminister der baltischen Staaten haben den russischen Angriff auf die Ukraine auf das Schärfste verurteilt. »Dieser Akt der Aggression ist nicht hinnehmbar, er ist eine eklatante Verletzung des Völkerrechts, aller internationalen Normen und ein Verbrechen gegen das ukrainische Volk«, hieß es am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung der drei an Russland grenzenden EU- und Nato-Länder im Nordosten Europas.
Die Außenminister Eva-Maria Liimets (Estland), Edgars Rinkevics (Lettland) und Gabrielius Landsbergis (Litauen) riefen die internationale Gemeinschaft darin zu einer entschiedenen und entschlossenen Reaktion auf. Neben scharfen Sanktionen und der politischen Isolation Russlands müsse der Ukraine auch wirtschaftlich, finanziell, humanitär und militärisch Beistand geleistet werden. »Wir müssten dem ukrainischen Volk dringend Waffen, Munition und jede andere Art von militärischer Unterstützung zur Selbstverteidigung zur Verfügung stellen«, hieß es in der von Rinkevics auf Twitter veröffentlichten Erklärung.
Update 8.46 Uhr: »Eklatanter Bruch des Völkerrechts«
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat den russischen Überfall auf die Ukraine als »Tag der Schande« verurteilt. »Mit dem Angriff auf die Ukraine bricht Russland mit den elementarsten Regeln der internationalen Ordnung«, sagte Baerbock nach Angaben des Auswärtigen Amts am Donnerstagmorgen in Berlin. Sie berief demnach für 8.30 Uhr den Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt ein.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte den Angriff Russlands auf die Ukraine »auf das Schärfste«. Er sei »ein eklatanter Bruch des Völkerrechts« und »durch nichts zu rechtfertigen ist«, erklärte Scholz. Der Bundeskanzler telefonierte am Morgen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Update 8.40 Uhr: EU kündigt rasch neues Sanktionspaket gegen Russland
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine will die EU rasch verschärfte Sanktionen gegen Russland verhängen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werde »ein weiteres Sanktionspaket« vorschlagen, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel zusammen mit von der Leyen am Donnerstag. Der EU-Rat solle dieses dann »schnell« beschließen. Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen am Donnerstagabend zu einem Krisengipfel zusammen. Als Antwort auf das russische Vorgehen im Ukraine-Konflikt hatte die EU gemeinsam mit den USA und anderen Partnern bereits erste Wirtschafts- und Finanzsanktionen beschlossen.
Update 8.35 Uhr: Bodentruppen dringen in die Ukraine vor
Nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzes sind russische Bodentruppen in die Ukraine vorgedrungen. In mehreren nördlichen Regionen und von der annektierten Halbinsel Krim aus habe die Armee mit Panzern und weiterem schweren Gerät die Grenze passiert, teilte der Grenzschutz am Donnerstag mit. Russland hatte in der Nacht einen Großangriff auf die Ukraine gestartet.
Russland startet Großangriff auf die Ukraine
Moskau. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen hat Russland am Donnerstagmorgen einen Großangriff auf die Ukraine gestartet. In der Hauptstadt Kiew, in der südlichen Hafenstadt Odessa sowie in anderen Städten im Osten der Ukraine waren Explosionen zu hören, wie AFP-Journalisten berichteten. Auch von Belarus aus griffen offenbar russische Truppen an. Die Regierung in Kiew verhängte das Kriegsrecht und schloss den Luftraum für zivile Flugzeuge. Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin die »Militäroperation« gegen die Ukraine angekündigt. Im Westen wurde der Angriff als Völkerrechtsbruch scharf verurteilt.
»Ich habe die Entscheidung für eine Militäroperation getroffen«, sagte Putin in einer Fernsehansprache in der Nacht zum Donnerstag. Das russische Verteidigungsministerium teilte später mit, Ziel der Angriffe in der Ukraine seien »die militärische Infrastruktur, Einrichtungen zur Luftverteidigung, Militärflugplätze und die Luftwaffe der ukrainischen Streitkräfte«. Nach den Worten des russischen UN-Botschafters Wassili Nebensia soll aber auch gegen die Regierung in Kiew, die er »Junta« nannte, vorgegangen werden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verhängte das Kriegsrecht. Sein Außenminister Dmytro Kuleba sprach auf Twitter von einer »groß angelegten Invasion«. »Dies ist ein Angriffskrieg«, schrieb Kuleba auf Twitter. Die Welt »kann und muss Putin stoppen. Es ist Zeit, jetzt zu handeln«, forderte er. »Die Ukraine wird sich verteidigen und siegen.« Ziel Russlands sei die »Zerstörung des ukrainischen Staates« sowie eine »Besatzung« des ukrainischen Territoriums, erklärte das ukrainische Außenministerium.
Ein russischer Großangriff auf die Ukraine war seit Wochen befürchtet worden. In der am Asowschen Meer gelegenen Hafenstadt Mariupol waren ebenso Explosionen zu hören wie in der Schwarzmeerstadt Odessa, in der zweitgrößten Stadt des Landes, Charkiw, sowie in Kramatorsk und an der Frontlinie zu den ostukrainischen Separatisten-Gebieten.
Nach Angaben von Einwohnern von Mariupol, das nahe der Frontlinie und der Grenze zu Russland liegt, war in den östlichen Vororten der Stadt Artilleriefeuer zu hören. Der ukrainische Grenzschutz meldet auch Angriffe mit »Artillerie« von Belarus aus, wo russische Truppen seit Wochen stationiert sind.
Zuvor hatte Putin in seiner Ansprache seine Behauptung von einem angeblichen »Völkermord« der ukrainischen Truppen an der russischsprachigen Bevölkerung im Osten des Landes wiederholt und auf das Hilfeersuchen der Separatisten in der Ost-Ukraine vom Mittwochabend an den Kreml verwiesen. »Wir werden uns bemühen, eine Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine zu erreichen«, sagte Putin und kündigte an, »diejenigen vor Gericht zu bringen, die zahlreiche Verbrechen begangen haben, die für das Blutvergießen von Zivilisten, darunter auch russischen Bürgern, verantwortlich sind«. Kiew und seine westlichen Partner haben den Vorwurf des »Genozids« wiederholt als absurd zurückgewiesen und als einen Vorwand für einen Angriff auf die Ukraine gebrandmarkt.
»Wir haben keine Pläne für eine Besetzung ukrainischen Territoriums, wir haben nicht vor, jemandem etwas mit Gewalt aufzuzwingen«, sagte Putin weiter. Das ukrainische Militär rief er auf, »die Waffen niederzulegen.« Er versicherte, dass sie dann »ungehindert das Schlachtfeld verlassen« könnten.
Während Putin sprach, tagte in New York der UN-Sicherheitsrat bei einer Dringlichkeitssitzung zur Ukraine-Krise. UN-Generalsekretär António Guterres hatte Putin zuvor aufgefordert, die Ukraine nicht anzugreifen. »Präsident Putin, stoppen Sie Ihre Truppen.« Er hob hervor: »Geben Sie dem Frieden eine Chance, zu viele Menschen sind bereits gestorben.« Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.