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Iran fordert Garantien

Atomverhandlungen in Wien sollen kurz vor Abschluss stehen - Sanktionen machen Alltagsleben schwer

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.

Saudi-Arabien hat sich eingeschaltet in die Verhandlungen in Wien um das iranische Atomprogramm. Außenminister Prinz Faisal Bin Farhan Al-Saud hat vor einer »Kettenreaktion« im Nahen und Mittleren Osten gewarnt, wenn es nicht gelinge, den Bau einer iranischen Atombombe zu verhindern. In einem dpa-Interview machte er deutlich, dass dann auch andere Staaten der Region eine atomare Bewaffnung anstreben könnten.

Die Warnung ist nicht unberechtigt, denn würde sich der Iran tatsächlich eine Atombombe zulegen, könnte es nicht lange dauern, bis auch andere Staaten in der Region danach rufen. Groß wäre die Versuchung insbesondere bei Ländern, die einen Konfrontationskurs gegenüber dem Iran fahren, allen voran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Die iranische Regierung hat diese Absicht jedoch immer von sich gewiesen, erst vergangene Woche betonte der Oberste Führer, Ayatollah Khamenei: »Wir wollen die Kernenergie friedlich nutzen.« Und dabei will sich das Land nicht reinreden lassen. Dennoch reichert der Iran jetzt mithilfe moderner Zentrifugen Uran bis zu 60 Prozent an - was gegen das Atomabkommen verstößt. In der Region gilt Atomenergie als vermeintlich moderne und saubere Technologie zur Energieerzeugung. Erst kürzlich hat der Leiter der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Grossi, zugegeben, Saudi-Arabien und Ägypten bei der Entwicklung ihrer Nuklearkapazitäten unterstützt zu haben, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.

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Zur Verhinderung eines Wettlaufs um die Bombe ist der erfolgreiche Abschluss der Wiener Verhandlungen um das iranische Atomprogramm essenziell. Die iranische Delegation gab sich in den vergangenen Tagen zuversichtlich, dass man bald zu einer Einigung komme. »Wir hoffen, dass einige sensible und wichtige Fragen in den kommenden Tagen mit Realismus von westlicher Seite gelöst werden«, sagte Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian am Mittwoch in Teheran. Er äußerte sich »zuversichtlich« im Hinblick auf eine Einigung, betonte jedoch, dass der Iran seine »roten Linien« in den Verhandlungen nicht aufgeben werde.

Wie diese »roten Linien« aussehen, macht eine Erklärung deutlich, die am Sonntag von 250 Parlamentsabgeordneten (von insgesamt 290) angenommen und verlesen wurde. Demnach verlange der Iran eine Garantie, dass nach einer Einigung die USA nicht womöglich irgendwann wieder die Reißleine ziehen und aus dem Abkommen aussteigen. Außerdem sollen die Vertragsparteien zusichern, dass sie den Mechanismus nicht anwenden, mit dem UN-Sanktionen automatisch in Kraft treten, sollte der Iran gegen Auflagen verstoßen. Und schließlich müssten alle »unter falschen Vorwänden« verhängten Sanktionen aufgehoben werden, so im Bereich Terrorismus, Raketen und Menschenrechte. Diese Forderungen decken sich im Übrigen großteils mit denen der iranischen Regierung und dürften der Kern der noch strittigen Punkte bei den Verhandlungen sein. Das US-Außenministerium erklärte jüngst, die Hauptakteure befänden sich »in der allerletzten Phase (...) einer komplexen Verhandlung«. Michail Uljanow, Russlands Chefunterhändler, sagte, eine Einigung könne bis Ende Februar erzielt werden.

Erstes Interesse des Irans ist die Aufhebung der Sanktionen, da sie das wirtschaftliche Leben erwürgen. Die steigenden Preise und die Inflation machen den Familien das Alltagsleben schwer. Die Leute sind unzufrieden, machen ihrem Ärger auch öffentlich Luft. So gingen vergangenes Wochenende in mehr als 100 Städten Lehrer auf die Straße, berichtete die reformorientierte Zeitung »Etemad«, um mehr Lohn und eine Rentenreform zu fordern. Bei den Protesten gegen die hohen Lebenshaltungskosten im Jahr 2017, gegen die Benzinpreise im Jahr 2019 und gegen die Wasserknappheit im Jahr 2021 richteten die Iraner ihre Wut zunehmend gegen den Obersten Führer Ali Khamenei und das politische System.

Der Iran braucht Investitionen aus dem Ausland. Deshalb besuchte der iranische Staatschef Ebrahim Raisi diese Woche Katar, das einen pragmatischen Umgang mit der Regierung in Teheran pflegt. »Bei den Treffen wurden bilaterale Beziehungen und Themen aus den Bereichen Handel, Wirtschaft, Energie, Kultur und insbesondere Investitionen erörtert«, erklärte Raisi Dienstagabend nach seiner Rückkehr, wie Al-Jazeera berichtete. 14 Abkommen seien zwischen beiden Ländern unterzeichnet worden, unter anderem um den bilateralen Handel und den Tourismus zu stärken. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna traf Raisi auch mit katarischen Geschäftsleuten und Investoren zusammen und forderte die Einrichtung eines gemeinsamen Geschäftszentrums in Doha, das Investitionen erleichtern soll.

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