- Berlin
- Ukrainische Flüchtlinge in Berlin
Das Leid ein wenig mildern
Ukrainische Flüchtlinge werden in der Hauptstadt empfangen
Vor allem Frauen, Kinder, Ältere: 3000 vor dem Krieg in der Ukraine flüchtende Menschen sind allein über das Wochenende in Berlin angekommen. Man wisse derzeit von 380 000 Menschen, die auf ihrer Flucht als Ziel Deutschland angeben, sagt Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses.
Gemäß der Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel würde das bedeuten, dass Berlin 20 000 Menschen offiziell zugeteilt würden und untergebracht werden müssten. »Wir wissen aber, dass Berlin mit deutlich mehr Menschen rechnen kann«, sagt Ulrike Gote dazu. Die Stadt sei nicht zuletzt deshalb Anziehungspunkt, weil viele Flüchtlinge hier auf Familienangehörige oder Bekannte treffen und bei diesen unterkommen würden. Es gebe zudem »viele Meldungen für zivilgesellschaftliches Engagement und praktische Hilfs- und Unterstützungsangebote«, so Gote weiter.
»Mit dieser Art praktischer Solidarität hoffen wir, das Leid ein wenig zu lindern, denn es ist sehr leidvoll, vor allem für Familien, die ihre Mitglieder aufgrund der Generalmobilmachung für Männer zwischen 18 und 65 im Land zurücklassen müssen.« Auch weil diesen die Ausreise verboten ist, käme es zum Teil zu längeren Aufenthalten der Flüchtenden an den Grenzposten. Derzeit würde die Ausreise noch sehr langsam erfolgen, erklärt Gote.
Dies gibt dem Berliner Senat Zeit, Hilfsangebote zu organisieren. Zur Senatssitzung diesen Dienstag ist die Einberufung eines Krisenstabs geplant. »Die Unterbringung in Turnhallen möchten wir gern vermeiden«, erklärt Gote darüber hinaus.
Der Berliner Senat möchte den ankommenden Flüchtlingen auch möglichst schnell Impfangebote gegen das Coronavirus machen. Die Impfquote in der Ukraine sei niedrig, nur 35 Prozent der Menschen seien zweimal geimpft und nur 1,7 Prozent dreimal. Daher sei es sehr sinnvoll, Impfkapazitäten und Impfstellen bereitzuhalten. »Wir werden dieser Gruppe dann sehr zügig die Impfung ermöglichen und anbieten«, betont die Gesundheitssenatorin. Aber auch bei der Schutzimpfung gegen Tuberkulose gebe es unter Umständen Nachholbedarf.
Die medizinische Erstversorgung der ankommenden Flüchtlinge laufe, so Gote. Was den tatsächlichen Bedarf an Schutzräumen und psychosozialer Betreuung von Frauen und Kindern und im Krieg Verletzten anbetreffe, habe sie noch keinen Überblick, erklärte die Senatorin. »Den bekomme ich morgen.«
Auf den Einwurf in der Ausschusssitzung, dass der größte Teil der Menschen die Ankunftszentren schnell verlassen und wahrscheinlich privat unterkommen werde, erwiderte die Senatorin, man werde die Angebote so strukturieren, dass sie leicht zu erreichen sind und die Leute dann nicht schon wieder weg sind.
Berliner Hilfsorganisationen bereiten sich mit Hochdruck auf viele Geflüchtete aus der Ukraine vor. Der Verein »Moabit Hilft« etwa, der seit Jahren geflüchtete Menschen in Berlin unterstützt, ruft die Zivilgesellschaft dazu auf, Menschen auch bei sich zu Hause aufzunehmen. Das sagte Geschäftsführerin Diana Henniges am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Bei der Aufnahme unterstützt der Verein Berliner und Berlinerinnen konkret: »Wir fragen die Menschen, die ihre Hilfe anbieten, was sie zu Hause haben. Und wenn was fehlt, geben wir mit: Decken, Schlafsäcke, Lebensmittel und so weiter.« Die Hilfe der Gesellschaft sei nötig, weil vom Staat gestellte Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete auch ohne Krieg in der Ukraine maximal ausgelastet seien.
Henniges verwies darauf, dass bereits seit Freitag erste Menschen aus der Ukraine am Ankunftszentrum des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten in Berlin-Reinickendorf angekommen seien. Der Verein »Moabit Hilft« habe am Wochenende gearbeitet und gemeinsam mit einem Busunternehmen Menschen aus der Ukraine geholfen, nach Berlin zu gelangen.
Andere Berliner Hilfsorganisationen planen aktuell noch, wie sie den Ukrainern und Ukrainerinnen, die nach Berlin kommen, helfen können. Die Berliner Stadtmission etwa organisiert Dolmetscher, um sie zu unterstützen und zu begleiten. »Alles andere ist aktuell in Planung. Wir sind aber mitten in der Organisation«, sagte eine Sprecherin. Was schon organisiert ist, sei ein Zeichen der geistlichen Solidarität: »Seit Donnerstag gibt es in der Woche jeden Mittag ein Friedensgebet.«
Auch die Caritas Berlin schafft aktuell Strukturen, um zu helfen, wie ein Sprecher berichtete. »Wir haben einen Koordinator für Flüchtlingsfragen eingesetzt, und der sammelt aktuell alle Hilfsangebote.« Denn die Caritas bekomme sehr viele davon. Am Wochenende zum Beispiel hätten Menschen angerufen, die bereit waren, Schlafplätze im eigenen Haus zu Verfügung zu stellen. Mit dpa
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.