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Do you hear me, Omikron?

Die Frage ist doch längst nicht mehr, ob wir Omikron kriegen, sondern wann

  • Volker Surmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Jeden Tag dasselbe Spiel: Ich beobachte, wie die Flüssigkeit den Teststreifen langsam hochkriecht bis zur Zielmarke. Dann die rote Linie. Ich starre weitere 14 Minuten auf den Test und zähle dann die Linien noch mal durch. Eins. Ich halte den Test unters Licht, die zweite Linie soll ja oft etwas dünner sein, und zähle ein zweites Mal nach. Eins. Ich bin negativ. Schon wieder. Wie immer. Ich sollte jetzt wohl erleichtert sein.

Kann das wirklich sein? Ich hab doch schon seit Tagen dieses leichte Kratzen im Hals. Und habe ich nicht gestern mal gehustet? Oder war das schon vorgestern?

Ich nehme extra schon einen zusätzlichen Abstrich im Rachen vor, bevor das Stäbchen seine Runden in den Nasenflügeln dreht. Rachen soll ja viel virusbelasteter sein. Und ich schieb‘s mir in die Nase auch wirklich rein, voll deep. Nicht wie im Testzentrum, wo sie einem bloß einmal die Nasenhaare kämmen.

Über 200 000 Neuinfektionen pro Tag! Die Frage ist doch längst nicht mehr, ob wir Omikron kriegen, sondern wann. Und ich sag mal so: Ich habe die nächsten zehn Tage Zeit! Do you hear me, Omikron? Erbarmungslos sehe ich im Kalender die Termine näher rücken, wo ich auf keinen Fall fehlen sollte, noch sind sie alle mehr als 14 Tage entfernt. Ich schüttle das Testkit ein wenig, aber es bleibt stur: Negativ.

Haben Sie sich auch schon mal gefragt, in welchen Mülleimer die Dinger eigentlich gehören? Die Verpackung trenne ich immer in blaue und gelbe Tonne, Stäbchen und Flüssigkeit in den Restmüll. Und das Testkit selbst? Plastik kann ja recycelt werden, und mehr Körperflüssigkeit als ein ausgelöffelter Joghurtbecher enthält es auch nicht. Hat ein Coronatest einen grünen Punkt? Die entscheidenden Fragen dieser Pandemie bleiben auch im dritten Jahr unbeantwortet. Danke, Lauterbach.

Ich werfe es in den gelben Sack. Zurück bleibt das unbestimmte Gefühl von Enttäuschung, um etwas betrogen worden zu sein. Seit Wochen fühle ich mich leicht kränklich. Wie man sich nach einem lichtlosen Berliner Dreckswinter halt fühlt. Da möchte man doch nichts sehnlicher, als dass einem jemand mal »gute Besserung« wünscht! Ich will auch in den sozialen Medien meinen Positivtest posten können und Hugs ohne Ende sammeln. In Gedanken erstelle ich mir schon eine Watchlist: »Danke für den Tipp, die Serie gucke ich dann in Quarantäne«, hörte ich mich mehr als einmal sagen.

Meine größte Sorge ist, genau dann an Covid zu erkranken, wenn der Peak der Welle vorbei ist. Wenn es alle anderen schon hatten. Wenn sich niemand mehr dafür interessiert und man mit Covid völlig out ist - und ich geh völlig isoliert in die Isolation. Dann sitz ich in meiner Quarantäne, die Serien sind langweilig, und kein Schwein hat auch nur ein einziges Herz-Emoji für mich! Wie erbärmlich ist das denn?

Ich reiße sicherheitshalber noch ein Testkit auf. Vielleicht war der erste ja falsch-negativ.

Aber ich weiß auch ganz genau: Sollte mein Test doch mal positiv sein, werde ich diesen Text nach spätestens drei Tagen bitter bereuen. Volker Surmann

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