Linke müssen sich mit Militär befassen

Viele Linke haben die Bundeswehr oft als Schmuddeltruppe belächelt. Das war ein Fehler, meint Jeja Klein

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist immer leicht, sich in linken Kreisen über die Bundeswehr lustig zu machen. Mit dieser Schmuddeltruppe möchte man möglichst wenig zu tun haben. Ich kann das verstehen. Und: Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro sprengt jeden Rahmen. Doch auch als Linke kommen wir um die Einsicht nicht herum, dass die destruktive, tödliche Auflösung gegebener Ordnung in mitteleuropäischen Staaten nicht hinnehmbar ist. Zu ihrer Verhinderung gehört auch militärisches Gegengewicht. Bei aller Boykotthaltung: Die Entscheidung dazu ist gefallen.

Die Truppe ist auch darum ein rechtsradikaler Hotspot, weil sich viele Linke lieber, moralisch überlegen, gar nicht mit Militärischem beschäftigt haben. Teils war dies einfach Klassenperformance: Zum akademischen Habitus passte das Schmuddelige der Bundeswehr, das Männliche nicht. So lässt sich zwar prima das Finden einer politischen Identität kultivieren – Antworten auf Donezk, Aleppo oder Charkiw, auf Hongkong oder Taiwan sind das nicht.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Die Bundeswehr wird auch an unseren Witzen und Klagen vorbei aufgerüstet. Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations in London sagte, dass Deutschland nun mittelfristig die »größte Militärmacht in Europa« werden dürfte. Wir haben also zwei Optionen: Weiter mit den Augen rollen und uns vermeintlich »raus halten«. Oder uns auf eine Weise diskursiv einbringen, die auf diese Entwicklung wenigstens noch etwas Einfluss nimmt. Das kann man aber nur, wenn Wortmeldungen nicht mehr auf »Nato auflösen« oder »Team Fahnenflucht« hinauslaufen und über die Köpfe etwa der souveränen Ukraine hinweg entscheiden.

Modelle wie »hier steht Imperialismus gegen Imperialismus« sind auch nicht besonders hilfreich, die relevanten ideologischen und materiellen Unterschiede der beteiligten Gesellschaften zu begreifen. Die Einsicht darin, dass auch »hier bei uns« im Zweifel eben nicht Vernunft und Moral obsiegen, sondern in das Vokabular von Vernunft und Moral gekleidete, brutale Kapitalinteressen, muss dazu führen, diese Unterschiede stärker herauszuarbeiten, statt sie zu verwerfen.

Im Feuilleton ist eine Diskussion um Aufrüstung und Geschlecht entbrannt; und nicht wenige sehen den Krieg als Gelegenheit, sich endlich des nervigen Genderns zu entledigen. WeltN24-Chefredakteur Ulf Poschardt etwa weist in trauter Einigkeit mit der Sichtweise Putins darauf hin, dass »Freiheit« nicht »am Tamponbehälter in der Männertoilette verteidigt« werde.

Wir können die Männlichkeitsbilder emotional zurechtgestutzter Krieger am Ende nicht beeinflussen. Wir können aber Gegengewichte formulieren: Dass Militär und Krieg einhergehen mit der emotionalen Verstümmelung aller Beteiligten, mit der Aufwertung herrschafts- und gewaltorientierter Männlichkeit, mit der Abwertung von allem abweichenden – bei den Soldat*innen und denen, die durch sie traumatisiert werden.

Die Bundeswehr ist ein Brennpunkt sexueller Gewalt. Es gibt Hinweise, dass sich Misogynie unter Soldaten etwa durch gemeinsame Stuben mit Soldatinnen abbauen lässt. Das Ende der Wehrpflicht hat eher linksliberale Akademikerjungs vor der Truppe bewahrt – und das Übergewicht der Jungs aus traditionellen Familien besiegelt. Dabei war das über Jahrzehnte »linke« Forderung gewesen. Das sind Implikationen einer aus Kontaktscheue motivierten Politik.

Man kann jetzt ohnmächtig vor den mal eben locker gemachten 100 Milliarden Euro stehen und »aha, und für Klima, Frauenhäuser und Luftfilter war kein Geld da« klagen. Oder man formuliert Standpunkte wie »Ausrüstung der Bundeswehr auf Nato-Vertragsniveau ja, aber auch nur, wenn genau so viel Geld endlich in die Dinge fließt, die die Sicherheit dieser halbwegs freien Gesellschaft eben auch gewährleisten: Abbau des Individualverkehrs, Umsetzung der Istanbul-Konvention, ausfinanzierte Krankenhäuser, Bedarfsdeckung bei Psychotherapien«. Politik ist ein hässlicher Kuhhandel, der durch habituelle Kontaktscheue aber nicht weggeht. Und natürlich müssen wir Druck aufbauen, dass die Truppe sich endlich ihren Nazis zuwendet. Wir müssen dazu Gegengewichte formulieren. Und ja, das ist dann nicht irgendwie revolutionär. Es versucht erst mal nur zu verhindern, dass uns der ganze Laden um die Ohren fliegt.

Jeja Klein ist freie*r Journalist*in und beschäftigt sich mit Geschlecht, Queerness und Antifaschismus.

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