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Lasst uns in Frieden (9): Gegen leere Erlösungsfantasien
Mit spitzer Feder: Rainer Maria Rilke persiflierte in seinen Gedichten den Militarismus
Manche Spötter haben ihm allzu oft Empfindelei, mithin gar eine Neigung zum Kitsch vorgeworfen. Vielleicht wegen des Sentiments seiner Lyrik, vielleicht auch wegen seiner sanftmütigen Erscheinung (oder eben schlichtweg aufgrund eines unzulänglichen Zugangs zu seiner Dichtung). Was viele dabei jedoch unterschätzten: Rainer Maria Rilke (1875-1926) beherrschte zahlreiche Stilvariationen. Mitunter auch die Ironie. Und so selten er sie zum Einsatz brachte, so signifikant ragen dann auch die Gegenstände jener im uneigentlichen Ton verfassten Poeme heraus.
So zum Beispiel, wenn er über in seinem Gesamtwerk lediglich peripher vorkommende Kriege schreibt. Dann persifliert er geradezu das Leiern der Militärkommandos und den stummen Gleichschritt: »Lag auf einer Trommel nackt, / kaum zwei Spannen lang, / und der rauhe Trommeltakt / war mein Gesang«.
Doch damit nicht genug der soldatischen Linientreue. Die blinde Loyalität und Indoktrination reichen im »Kriegsknecht-Sang« (als Teil des Mini-Zyklus »Aus dem dreißigjährigen Kriege«, abgedruckt im Band »Larenopfer« von 1895) bis in die jüngste Kindheit zurück. Denn »Wild zu wettern taugte ich / damals schon im Zorn, / meine Milch, die saugte ich / aus dem Pulverhorn«. So tumb, so simpel die Kreuzreime aufeinander klatschend hätte der für seine Eleganz und seine Sprachmagie bekannte Fin-de-Siècle-Dichter nie geschrieben, hätte er nicht ganz bewusst die Register der Komik und Groteske ziehen wollen.
Während sein Zeitgenosse Stefan George anfangs noch mit Eifer das Heroische gerade des Mannes an der Front heraufbeschwor, wusste also Rilke früh schon sehr genau die leeren Erlösungsfantasien, die in der Umbruchszeit vor dem Jahrhundert der Weltkriege herumgeisterten, zu zerschlagen. Gerade der lehrspruchartige Duktus - »Wer nur immer kühn sein Schwert zog, / hält den Schild von Schande rein« - entblößt die Lächerlichkeit des Glaubens, Waffen könnten der Welt tatsächlich Heilung verschaffen.
Ja, Rainer Maria Rilke, dieser Kunstfreund und elegische Orpheus in der Unterwelt der von der Fäulnis der Beschleunigung und Krisen befallenen Moderne - seine Feder war dann doch häufiger spitzer, als man gemeinhin annimmt.
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