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Der Fluch des Béla Guttmann
Zirkus Europa: Benfica Lissabon will endlich wieder einen europäischen Titel, doch die Fans fürchten einen Toten
Mal wieder nach Amsterdam. 60 Jahre nach dem größten und schönsten und spektakulärsten Triumph der Vereinsgeschichte, unvergessen für alle, die es mit Benfica Lissabon halten. 5:3 gegen Real Madrid im Finale des Europapokals der Landesmeister, wie die Champions League damals hieß. Die entscheidenden beiden Tore schoss der gerade 20 Jahre junge Eusébio.
Früher schlicht Pokal der Landesmeister genannt, ist die Champions League heute inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Ein Blick auf den kommenden Spieltag.
Das Problem daran ist, dass jener Finalerfolg über das Real von Ferenc Puskás und Alfredo Di Stéfano der bis heute letzte war, den Benfica in seinem Briefkopf notieren durfte. Aus diesem Grund betrachten sie daheim in Lissabon den Ausflug von Eusébios Erben zum Achtelfinalrückspiel der aktuellen Ausspielung im europäischen Fußballzirkus an diesem Dienstag bei Ajax Amsterdam auch mit leichter Beklemmung. Zur Folklore des denkwürdigen Abends im Mai 1962 gehört nämlich nicht nur, was sich auf dem Rasen abspielte. Prägender für die Klubgeschichte war jener Moment in der Ehrenloge, als Benficas Trainer Béla Guttmann beim Präsidium wegen einer Gehaltserhöhung vorsprach. Das Anliegen wurde zurückgewiesen, und die Legende will es, dass der gedemütigte Ungar noch an Ort und Stelle den berühmten »Guttmann-Fluch« aussprach: »Ohne mich wird es 100 Jahre dauern, bis Benfica wieder einen Europapokal gewinnt!«
Soweit die wörtliche Übersetzung des Spruchs, über den die Gelehrten allerdings bis heute streiten. Zeitzeugen sind nicht mehr aufzutreiben, Guttmann selbst starb bereits 1981. Was genau er in Amsterdam gegrummelt hat, davon gibt es mehrere Versionen, eine gemäßigte geht so: »Ohne mich als Trainer wird es 100 Jahre dauern, bis mal wieder eine portugiesische Mannschaft den Europapokal gewinnt.« Das klingt weniger nach einem Fluch denn nach einer Lobpreisung der eigenen Verdienste. Béla Guttmann stand nicht im Verdacht übermäßiger Bescheidenheit, und für schräge Sprüche war er auch immer gut. Als er 1955 den AC Mailand verlassen musste, sagte er Reportern: »Ich wurde gefeuert, obwohl ich weder kriminell noch homosexuell bin.«
Dass Benfica ohne ihn ein Jahrhundert lang keinen Europapokal mehr gewinnen würde, nahm 1962 auch niemand so recht ernst. Doch schon ein Jahr später unterlag die damals beste Klubmannschaft der Welt im Finale von Wembley 1:2 gegen den AC Mailand, trotz eines frühen Führungstores von Eusébio. Und genauso ging es weiter. Auf Wembley folgten drei weitere Endspiele um den Europapokal der Landesmeister, zwei im Uefa-Cup und noch mal zweimal in der Europa League. Alle gingen verloren, das bis heute letzte im Mai 2014 in Turin gegen den FC Sevilla. Acht verlorene Finals in Folge sind auch ein bemerkenswerter Rekord, aber eben keiner, den man in den Briefkopf stellt.
Benfica hat einiges unternommen, um eine Versöhnung mit dem einstigen Meistertrainer auf den Weg zu bringen. 1990, vor dem Wiener Finale gegen den AC Mailand, besuchte der große Eusébio das Grab seines Entdeckers und Förderers auf dem jüdischen Friedhof und betete für die Aufhebung des Fluchs. Guttmann aber ließ sich nicht umstimmen. Milan gewann 1:0. Für die EM 2004 wurde das vereinseigene Estadio da Luz abgerissen und ein paar Meter weiter neu aufgebaut. Der Fluch blieb. Eine auf dem Stadiongelände platzierte überlebensgroße Guttmann-Statue trug ebenfalls nicht entscheidend zur Besänftigung bei. Mal sehen, was an diesem Dienstag bei der Rückkehr nach Amsterdam passiert – das 2:2 aus dem Hinspiel war keine überzeugende Bewerbung für den Einzug ins Viertelfinale. Benficas letzter Sieg bei Ajax datiert aus dem Jahr 1969. Damals stürmte noch Eusébio.
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