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Wolldecke statt Warmheizen
Die Inflation trifft nicht alle gleichermaßen – Sozialverband fordert kräftige Hilfen für die Ärmsten
Der russische Angriff auf die Ukraine treibt die Rohstoffpreise weltweit nach oben, was einen großen Einfluss auf die steigende Inflation hat. Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat nun berechnet, wer in Deutschland besonders von den steigenden Verbraucherpreisen betroffen ist.
Demnach wiesen die aktuellen haushaltsspezifischen Inflationsraten eine Spanne von 4,4 Prozent für einkommensstarke Alleinlebende und bis 5,2 Prozent für Paare mittleren Einkommens sowie für einkommensschwache Paare mit Kindern auf. Familien mit niedrigem oder mittlerem Einkommen sowie kinderlose Paare mit mittlerem Einkommen tragen also die höchste Inflationsbelastung, Singles mit hohem Einkommen die geringste. Die im Vergleich relativ hohe Inflationsrate bei Paaren ohne Kinder und mit mittlerem Einkommen liegt der Analyse zufolge daran, dass im Februar auch die Preise für Ausgabenposten wie Wohnungsinstandhaltung oder Reisen deutlich angezogen haben. Die haushaltsspezifische Inflationsrate bei Alleinlebenden mit geringem Einkommen ist deshalb noch unterdurchschnittlich, weil solche Güterarten und Ausgaben für Kraftstoffe oder Fahrzeugkauf für diese Gruppe mangels finanzieller Möglichkeiten sowieso nicht oder kaum möglich ist.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Silke Tober und Sebastian Dullien, die gemeinsam die Auswertung erstellt haben, prognostizieren jedoch eine fortgesetzte Preisexplosion bei der Haushaltsenergie, die dann gerade auch ärmere Singles »empfindlich« treffen werde. Denn Gas, Strom oder Heizöl fallen als Waren des Grundbedarfs bei den Ausgaben ärmerer Haushalte sehr stark ins Gewicht, während sie bei Haushalten mit hohem Einkommen einen deutlich kleineren Anteil des virtuellen Warenkorbs ausmachen.
Allgemein sind die Energiepreise laut IMK weiterhin die wichtigsten Inflationstreiber. Von den 5,1 Prozent Preissteigerung im Februar waren allein 2,3 Prozentpunkte den Preisen für Haushaltsenergie und Kraftstoffe geschuldet. Relativ stark gestiegen sind im Februar auch die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke. »Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Nahrungsmitteln überproportional belastet sind und zunehmend auch durch die Verteuerung bei der Haushaltsenergie«, so das Fazit von Tober und Dullien.
Bei der Wahl weiterer Entlastungsschritte solle die Politik berücksichtigen, »dass die drastische Verteuerung von Gas und Erdöl durch den Ukraine-Krieg nicht nur einen neuen Schub bekommen hat, sondern auch eine neue Dimension.«
Zwar habe die Regierung bereits durch die Senkung der EEG-Umlage Anfang des Jahres und deren Abschaffung im Juli 2022 sowie durch die Anhebung der Pendlerpauschale und die Heizkostenzuschüsse an Geringverdienende einzelne Gegenmaßnahmen ergriffen. »Allerdings ist inzwischen abzusehen, dass diese Entlastungen angesichts des sich abzeichnenden massiven weiteren Energiepreisschubs nicht ausreichend sind«, so die IMK-Fachleute.
Sie schlagen vor, für die ersten 8000 Kilowattstunden Gas, die Haushalte beziehen, den Preis auf dem aktuellen Niveau festzuschreiben und die Versorgungsunternehmen für eigene Mehrkosten zu entschädigen. Mit diesem Modell ließen sich drei Ziele erreichen: Es würde viele Haushalte entlasten, die gemessene Inflationsrate senken und gleichzeitig den Anreiz für einen sparsamen Verbrauch aufrechterhalten.
Der Paritätische Gesamtverband kritisierte am Dienstag das geplante Entlastungspaket der Bundesregierung ebenfalls als unzureichend. Der Sozialverband warnt vor »Hilfen mit der Gießkanne«, wie dessen Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sagte. Vielmehr brauche es zielgenaue Hilfe für einkommensarme Haushalte. Entlastungen für alle Autofahrer, unabhängig von deren Einkommen, seien sozialpolitisch und ökologisch das völlig falsche Signal. Stattdessen brauche es zwingend einen Inflationsausgleich für Beziehende von Hartz IV und Altersgrundsicherung.
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