Wie der Vater, so der Sohn

Bei der Landtagswahl kann die AfD trotz chaotischer Zustände auf einen Wiedereinzug ins Parlament hoffen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Machtkämpfe, Intrigen, öffentlich ausgetragene Konflikte, solche Dinge passieren in allen AfD-Landesverbänden und in der Bundespartei. Würde es eine Rangliste der chaotischsten Parteistrukturen geben – die saarländische AfD nähme darin einen Spitzenplatz ein. Da ist es etwas überraschend, dass alle Umfragen der letzten Monate die Partei bei der anstehenden Landtagswahl über der Fünf-Prozent-Hürde sehen, wenn mit sechs Prozent auch nur knapp.

Mit diesem Ergebnis dürfte Landeschef Christian Wirth bereits zufrieden sein, würde die AfD damit bei der Wahl am Sonntag doch ein ähnliches Ergebnis (2017: 6,2 Prozent) wie vor fünf Jahren erzielen. Angesichts der katastrophalen Zustände klingen die noch Ende 2021 in Umfragen gemessenen neun Prozent wie aus einer fernen Vergangenheit.

Es gibt viele Gründe, warum die AfD im Saarland ein politischer Zwerg bleibt. Natürlich spürt die Partei auch im Südwesten der Republik, dass der Druck auf die Gesamtpartei zunimmt. Mit dem Austritt von Bundessprecher Jörg Meuthen ist der Machtkampf zugunsten der völkisch-nationalistischen Kräfte faktisch entschieden, mit der gerichtlich bestätigten Überwachung der Gesamtpartei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz wächst der öffentliche Druck auf allen Ebenen. Es kann Zufall sein, dass es kurz nach dem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichtes in der März-Befragung von Infratest dimap für die AfD um zwei Prozentpunkte nach unten ging, die zeitliche Nähe von Richterentscheidung und Erhebungszeitraum spricht allerdings dagegen.

Auch ohne den bundespolitischen Einfluss liefert der saarländische Landesverband genug eigene Ursachen für seinen desolaten Zustand. Eigentlich hatte die Partei gehofft, parteiinterne Konflikte würden unter dem 2020 gewählten Landesvorsitzenden Wirth befriedet. Stattdessen kann die Partei froh sein, bei der Landtagswahl überhaupt eine Rolle zu spielen. Beim Urnengang am Sonntag tritt die AfD nämlich ohne eine Landesliste an. Dass ihr das nicht das politische Genick bricht, hat mit einer Besonderheit der Saarlandwahl zu tun. Von den normalerweise 51 Sitzen im Saarbrücker Landtag werden lediglich 10 über die Landeslisten vergeben, 41 Mandate dagegen über sogenannte Wahlkreislisten, von denen jede Partei insgesamt drei aufstellt. Zumindest dies war der AfD korrekt gelungen.

Eigentlich verfügte die Partei auch über eine Landesliste, aufgestellt Ende November und angeführt von Generalsekretär Kai Melling. Doch vier Parteifunktionäre, darunter zwei Mitglieder des Landesvorstands, hatten die Liste ohne Absprache bei der Landeswahlleitung zurückgezogen. Gegen die vier laufen Parteiausschlussverfahren, betroffen ist auch Landesvize Christoph Schaufert, der die Wahlkreisliste für Neunkirchen anführt.

Ähnlich turbulent sieht es im Wahlkreis Saarbrücken aus. Hier tritt die AfD mit ihrem 83-jährigen Ex-Landeschef Josef Dörr als Spitzenkandidat an. Gegen ihn läuft ebenfalls ein Parteiausschlussverfahren, das Anfang Februar in erster Instanz erfolgreich war. Wie zum Trotz gegen diese Entscheidung reagierte wenige Wochen später der Kreisverband Saarbrücken Land, der Dörr zu seinen neuen Vorsitzenden wählte. An dieser Stelle wird es endgültig grotesk: Vor Josef Dörr hatte sein Sohn Michel Dörr den Posten inne. Doch auch gegen ihn läuft ein Ausschlussverfahren. Seine Mitgliederrechte verlor Dörr junior, weil er Teil jener Vierergruppe ist, die die Landesliste zurückzog.

Parteipolitisches Chaos hat bei der saarländischen AfD Tradition: 2016 löste der Bundesvorstand den Landesverband auf, weil dieser »gegen die politische Zielsetzung und die innere Ordnung der Partei« verstoßen habe. Gemeint waren damit Kontakte des Landesvorstands – darunter damals Dörr senior – zu extrem rechten Gruppen, etwa zur NPD. Es folgte ein juristisches Hin und Her, ein Bundesparteitag unterstützte die Auflösung, die am Ende vom Bundesschiedsgericht als unverhältnismäßig kassiert wurde.

2020 setzte der Bundesvorstand den Saar-Landesvorstand wegen Vorwürfen der Wahlmanipulation sogar ab und dafür einen Notvorstand ein. Dieser sollte die Geschäfte über mehrere Monate führen, ehe im Oktober des gleichen Jahres Christian Wirth neuer Landeschef wurde. Frieden kehrte in die AfD damit jedoch nicht ein.

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