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Fünfkampf um fünf Prozent
Vor der Landtagswahl im Saarland ist noch völlig offen, wie viele Parteien den Einzug schaffen werden
Am kommenden Sonntag wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Während sich der Zweikampf um den Wahlsieg zwischen CDU-Ministerpräsident Tobias Hans und SPD-Herausforderin Anke Rehlinger immer klarer gestaltet, ist eine andere Frage noch völlig offen: Wie viele Fraktionen das künftige Parlament überhaupt beherbergen wird. Von zwei bis sieben ist alles möglich, gleich vier Parteien sowie die neue Wähler*innenvereinigung Bunt.Saar kämpfen um die Fünf-Prozent-Hürde. Die Zusammensetzung der künftigen Regierung wird sich also nicht zuletzt danach richten, welche möglichen Koalitionspartner den Einzug ins kleinste aller deutschen Landesparlamente (51 Sitze) schaffen werden.
Während die AfD ihr Ergebnis der Landtagswahl 2017 (6,2 Prozent) allerhöchstens bestätigen dürfte, können sich FDP und Grüne berechtigte Hoffnungen machen, den Wiedereinzug zu schaffen. Beide Parteien liegen in Umfragen bei je fünf Prozent. Die Grünen waren zuletzt bis 2017 vertreten, die Liberalen bis zur Landtagswahl 2012. Eine Ampel-Koalition wie im Bund ist also auch im Saarland möglich – doch allzu sehr in die Karten schauen lassen wollen sich die kleinen Kontrahent*innen noch nicht.
»Wir gehen in diese Wahl offen hinein. Wir wollen für uns ein starkes Ergebnis erreichen, und dann reden wir mit den anderen Parteien und schauen«, sagte Lisa Becker, die Spitzenkandidatin der Grünen, am Montagabend in der Arbeitskammer in Saarbrücken. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Heinrich-Böll-Stiftung hatten alle kleineren demokratischen Parteien – also alle außer die AfD – zu einer »Elefantenrunde« geladen. Coronabedingt war nur wenig Publikum vor Ort. Becker, die mit ihren 31 Jahren mit weitem Abstand die jüngste der vier Diskussionsteilnehmer*innen war, sieht zugleich »eine gewisse Nähe« zum Programm der SPD.
Interne Kämpfe bei Grünen und Linken
Die Juristin steht vor einer besonderen Herausforderung: Sie soll für einen Neustart bei den gebeutelten Grünen sorgen, nachdem Ex-Chef Hubert Ulrich den Landesverband in Scherben hinterließ. Immer wieder sorgte der langjährige Dominator für negative Schlagzeilen – etwa, als er nach der Landtagswahl 2009 gegen die Stimmung in der Partei die erste Jamaika-Koalition auf Landesebene schmiedete. Pikant: Die Grünen hatten zuvor eine Spende vom Unternehmen eines FDP-Politikers erhalten. Nur drei Jahre währte die Koalition, dann brach sie auseinander. Zu einem weiteren Desaster verkam die Listenaufstellung zur Bundestagswahl 2021: Nachdem die bis dahin amtierende Landeschefin Tina Schöpfer in allen drei Wahlgängen durchgefallen war, trat Hubert Ulrich an – und gewann. Die parteiinterne Opposition focht die Wahl an – doch weil eine alternative Listenaufstellung am Bundeswahlausschuss scheiterte, traten die Grünen letztlich ohne eigene Landesliste an.
Auch in der Linken gibt es seit Jahren tiefe Risse. Die Fraktionschefin der aus dem Grabenkampf zwischen Oskar Lafontaine und Landeschef Thomas Lutze entstandenen Fraktion Saar-Linke, Barbara Spaniol, tritt nun als Spitzenkandidatin der Gesamtpartei an. Für die einst im Saarland erfolgreiche Partei (2009: 21,3 Prozent) wäre nach dem Absturz der letzten Jahre der Einzug in den Landtag schon ein großer Gewinn. Aktuell steht sie in Umfragen bei nur vier Prozent. Sollte man die Fünf-Prozent-Hürde knacken, richtet sich Spaniol auf Opposition ein: »Es braucht uns als Korrektiv im Landtag.«
Bunt.Saar hofft auf eine Überraschung
Von den internen Kämpfen bei Grünen und Linken profitiert die sozial-ökologische Wähler*innenvereinigung Bunt.Saar, der am Sonntag eine Überraschung gelingen könnte. Mit einem Programm für mehr Klimaschutz und ein gerechteres Bildungssystem wollen die »Bunten« für frischen Wind im Saarland sorgen – und vielleicht sogar noch mehr: »Falls uns jemand fragt, dann haben wir gutes Personal«, ließ Werner Ried, einer von drei Spitzenkandidat*innen, in der »Elefantenrunde« am Montagabend die Option einer Regierungsbeteiligung betont offen.
In einer Sache war sich die Runde einig: Eine Fortsetzung der Großen Koalition würde, auch unter umgekehrten Vorzeichen mit Anke Rehlinger und der SPD an der Spitze, »fünf weitere Jahre Stillstand« bedeuten, so die FDP-Spitzenkandidatin Angelika Hießerich-Peter. Allerdings ist genau dieses Modell das wahrscheinlichste und wird von der Bevölkerung auch am meisten unterstützt: Nach einer Umfrage von Infratest dimap befürworten immerhin 48 Prozent der Saarländer*innen Rot-Schwarz. Zum Vergleich: Eine Ampel-Koalition fänden nur 27 Prozent der Befragten gut, eine Wiederauflage von Jamaika sogar nur 17 Prozent.
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