Blockierte Feierlaune

Eröffnungsfeier für die Tesla-Autofabrik in Grünheide bei Berlin von Anwohner- und Klimaprotesten begleitet

  • Mischa Pfisterer und Rainer Rutz, Grünheide
  • Lesedauer: 5 Min.

Ausgerechnet am Weltwassertag, ausgerechnet in einem Trinkwasserschutzgebiet: »Das ist ein Schlag ins Gesicht«, sagt Beatrix Hundertmark am Dienstag zur feierlichen Eröffnung der »Gigafactory« des US-Autobauers Tesla im brandenburgischen Grünheide. Hundertmark wohnt seit über 40 Jahren in der kleinen Gemeinde bei Berlin. Ihre Sorge: Der enorme Wasserverbrauch der Fabrik, in der bei Vollauslastung bis zu 500.000 Elektrowagen im Jahr vom Band laufen sollen, werde dazu führen, »dass der ganze Landstrich hier austrocknet«. Hundertmark sagt, sie sei von Anfang gegen die Ansiedlung gewesen. »Es ging uns immer darum, dass die Standortwahl falsch war.«

Zusammen mit rund 100 anderen Gegnerinnen und Gegnern des innerhalb von zwei Jahren in den märkischen Forst gestampften Mammutprojekts Tesla zieht Hundertmark deshalb am frühen Dienstagnachmittag vom Bahnhof Fangschleuse zum Fabrikgelände. Aufgerufen zu der Demonstration haben die Bürgerinitiative Grünheide und der Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg, aber auch aus Berlin angereiste Klimagruppen wie Extinction Rebellion. Sie alle eint die Sorge vor den Auswirkungen auf die Umwelt, die von der Autofabrik des US-Milliardärs Elon Musk ausgeht. Dem »Riesenklopper« in dieser »wunderbaren Gegend«, wie Hardy Schülke aus Strausberg den 300 Hektar großen Standort mit Autobahnanschluss nennt. »Ich könnte mich eigentlich zurücklehnen, ich bin Rentner«, sagt Schülke. »Aber das dicke Ende beim Wassermangel kommt ja erst noch. Das werden die Menschen mittel- und langfristig zu spüren kommen.«

Erst in der vergangenen Woche hatte das brandenburgische Landesamt für Umwelt der Förderung von jährlich insgesamt 3,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser im Wasserwerk Eggersdorf zugestimmt. Ein Unding, findet nicht nur Anwohnerin Hildegard Vera Kaethner. »Man kann immer nur so viel rausnehmen aus dem Wasserreservoir, wie da ist.« Und in der Umgebung von Grünheide gebe es nun mal nicht ausreichend Wasser. Hier habe »die Landesplanung« schon 2019 versagt, nachdem Tesla bekannt gegeben hatte, in Grünheide investieren zu wollen. Die Fabrik hätte nie gebaut und erst recht nicht nachträglich genehmigt werden dürfen, sagt Kaethner auf dem Protestmarsch zum Fabriktor im Industriegelände an der Tesla-Straße.

Komplett anders sieht man das auf der anderen Seite des Tores, auf der Tesla-Chef Musk zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und weiteren Spitzenpolitikern die Auslieferung der ersten 30 Wagen des Modells Y feiert. Scholz wünscht Musk bei der öffentlichkeitswirksam inszenierten Einweihungsshow in einer der Fabrikhallen »viel Erfolg« und »alles Gute« und erklärt die Ansiedlung von Tesla in der märkischen Einöde mit direktem Berlin-Anschluss staatstragend zu »einem guten Zeichen, dass die deutsche Einheit in dieser Weise richtig funktioniert«. Musk bedankt sich und nennt sein Fabrikgelände einen »Schatz für die ganze Region, für Deutschland, Europa und weltweit«.

An Superlativen wird nicht gespart. Der ebenfalls angereiste Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht da nicht zurück, wenn er betont, die Fabrikeröffnung sei »ein besonderer Tag für die Region, ein besonderer Tag auch für Deutschland und ein besonderer Tag für die Mobilitätswende«.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) feiert Tesla als »das herausragende Beispiel« für die »neue Wirtschaftsdynamik« in der Mark. Auch er dankt Musk persönlich: »Dass Sie sich für Brandenburg entschieden haben, ist gut für Tesla und gut für die Zukunftsregion Berlin-Brandenburg.« Und Selbstlob darf dann auch nicht fehlen: »Am Ende haben wir es gemeinsam gerockt.«

Schon zuvor hatte Woidke alle Bedenken von Umweltschützern mit Blick auf den Wasserverbrauch in der Region vom Tisch gewischt. Dem Deutschlandfunk sagte der SPD-Politiker: »Es gibt kein Mengenproblem.« Dies sei auch gerichtlich bestätigt worden. Zwar liege die neue Fabrik in einem Wasserschutzgebiet. Aber Tesla habe alle Auflagen erfüllt. »Damit gehe ich davon aus, dass wir auch keine Gefährdung der Trinkwasserversorgung in der Region haben.« Deutlicher noch war Woidkes Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) geworden. Der sagte am Morgen im RBB-Inforadio, die Diskussion um die Wasserentnahme müsse jetzt nach der Gerichtsentscheidung »endlich mal aufhören«. Wenig verwunderlich: Bei den späteren gegenseitigen Huldigungen von Tesla-Chef Musk, Kanzler Scholz und Ministerpräsident Woidke in der Tesla-Halle wird das Thema Wasser nicht einmal ansatzweise gestreift.

Zeitgleich zu den Festreden drohen dabei vor der Fabrik die Proteste der inzwischen an ihrem Ziel angekommenen Tesla-Gegner zu eskalieren, als rund 15 Klimaaktivisten die Zufahrt zum Gelände am Tor 1 blockieren. Sie kritisieren nicht nur die Gefährdung der Wasserversorgung in der Region durch die Fabrik. Ihnen geht es ums Ganze. »Wir brauchen eine Verkehrswende, wir brauchen ein anderes System, um mit der Klimakrise fertig zu werden«, sagt Amelie Meier, Pressesprecherin der Blockiererinnen, zu »nd«. Dafür genüge es nicht, »einfach von einem Verbrenner- auf einen Elektromotor umzustellen«.

Eine weitere Protestaktion in der Nähe des Tesla-Werks hatte als Begleitmusik zur Eröffnung der Fabrik am Mittag für eine stundenlange Sperrung der Autobahn 10 gesorgt. Der Verkehr auf dem Berliner Ring wurde in beide Richtungen gestoppt, weil Klimaaktivistinnen und -aktivisten sich an einem Abfahrtsschild über der Autobahn abgeseilt hatten. Auch hier ging es ums Generelle: »Wir stellen uns dem Auto als veraltete, ineffiziente und zerstörerische Form von Mobilität entgegen, denn wir wollen gemeinsam eine zukunftsfähige Mobilität für alle gestalten«, heißt es in einer Erklärung.

Die Anreise für die Protestierenden aus Berlin gestaltete sich bei alldem schwierig. Aufgrund eines Kabelbrandes in der Nähe des Berliner S-Bahnhofs Wuhlheide am Montag war es zu gravierenden Störungen mit Verspätungen und Teilausfällen im Fern- und Regionalverkehr gekommen. Die Polizei geht dabei von Brandstiftung aus. Noch am Montag veröffentlichte eine Gruppe auf dem linken Onlineportal Indymedia ein weitschweifiges Bekennerschreiben. »Ziel unserer Sabotage sind die 3000 Pendler*innen gewesen, die in der Gigafactory arbeiten« heißt es hier. Ob das Schreiben authentisch ist, ist bislang unklar.

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