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Vorbild für ganz Afrika

Biniam Girmay feiert als erster schwarzer Radprofi einen Sieg auf der Worldtour

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Vornweg – und als Erster im Ziel: Biniam Girmay (l.) gewann am Sonntag den Klassiker Gent-Wevelgem.
Vornweg – und als Erster im Ziel: Biniam Girmay (l.) gewann am Sonntag den Klassiker Gent-Wevelgem.

Es könnte laut werden an diesem Dienstag in Eritreas Hauptstadt Asmara. Dann kehrt Biniam Girmay aus Europa in seine Heimat zurück. Eigentlich hätte er schon längst da sein sollen. »Drei Monate in Europa sind lang. Meine Familie, meine Tochter fehlen mir. Aber als das Team mich bat, vorher noch bei Gent-Wevelgem anzutreten, habe ich nicht gezögert«, sagte der Radprofi. Zu seinem 22. Geburtstag am 2. April wäre er ja noch rechtzeitig nach Hause gekommen. Nun hat Girmay zwei Dinge zu feiern. Denn weil er nicht nur startete, sondern den Klassiker auf belgischem Kopfsteinpflaster dank eines perfekt lancierten Sprints auch gewann, darf er sich nun erster schwarzer Sieger aus Afrika bei einem Worldtour-Rennen nennen.

An den Empfang zu Hause mochte er in dem Moment lieber gar nicht denken. Schon im Herbst 2021 erlangte er als frischgebackener U23-Vizeweltmeister Star-Status in der Heimat. »Eigentlich mag ich den ganzen Medienrummel nicht, ich bin eher ein ruhiger Mensch. Aber damals kamen natürlich viele Anfragen«, blickte er auf diesen Erfolg zurück. Zum Jahresende wurde er als Afrikas Radsportler des Jahres geehrt. Präsident der Jury war Bernard Hinault. »Er ist das vielversprechendste Talent. Sein zweiter Platz bei der WM war kein Zufall«, lobte ihn der fünfmalige Sieger der Tour de France.

Girmay verblüfft vor allem damit, wie schnell er sich umstellen kann. Die Pflastersteinabschnitte aus Gent-Wevelgem kannte er zuvor nur aus dem Fernsehen. Trotzdem siegte er gleich im ersten Anlauf. Das brachten nicht einmal die Klassiker- und Sprintspezialisten Peter Sagan, John Degenkolb oder Mario Cipollini zustande. Sie waren bei ihren ersten Siegen in Westbelgien nicht nur älter als Girmay jetzt, sie kannten das Rennen auch bereits aus der Wettkampfperspektive.

Auch generell hat sich Girmay in Europa schnell eingelebt. Nur wenige Wochen nach seiner Ankunft in der Nachwuchsakademie des Weltverbands UCI in Aigle schlug der Eritreer in seinem ersten Rennen das belgische Supertalent Remco Evenepoel. »Er hat einen gut ausgeprägten Renninstinkt. Und physisch ist er ohnehin enorm stark«, lobte ihn Teamkollege Benjamin Giraud von seinem ersten Profiteam Delko.

Seine Talente hatte Girmay zunächst aber in Eritrea entwickelt. »Jedes Wochenende gibt es dort Eintagesrennen. Du musst an diesem Tag alles geben, dich gut positionieren. Das schult«, berichtete er von seinen Anfängen. Mit 13 Jahren hatte er zunächst auf dem Rad seines älteren Bruders begonnen. »Dann kaufte mir mein Vater ein eigenes - für 4000 Euro, das war viel Geld für uns«, so Girmay. Der Vater ist Zimmermann in Asmara. Auf den zehn Kilometern von zu Hause zur Werkstatt hat ihn Sohn Biniam oft begleitet - dabei aber von einer großen Karriere geträumt.

Vor allem der Erfolg seines Landsmanns Daniel Teklehaimanot stimulierte Girmay. »Als Daniel 2015 bei der Tour de France das Trikot des Bergkönigs trug, war das eine Riesenmotivation. Damals sagten mir alle, dass sie mich wie Daniel bei einer Grand Tour sehen wollen. Das war auch ein Schlüsselmoment für mich, Profi zu werden«, erklärte er.

Schon damals schien Afrika bereit für den großen Durchbruch im Radsport. Teklehaimanot gewann ein Jahr später die Bergwertung beim Critérium du Dauphiné, direkt dahinter der Äthiopier Tsgabu Grmay und mit Chris Froome der »weiße Kenianer«, auch wenn der damals schon unter britischer Flagge fuhr. Natnael Berhane aus Eritrea kratzte ebenfalls 2016 mit Platz 13 an den Top Ten im WM-Rennen.

Doch dann stagnierte die Entwicklung. Fahrer, die beim südafrikanischen Rennstall MTN Qhubeka in die Worldtour geführt wurden, konnten sich nicht durchsetzen. Der Rennstall selbst setzte zunehmend auf Profis aus anderen Kontinenten - und zog sich schließlich aus der Worldtour zurück. »Afrikanische Talente haben es jetzt schwerer als ich damals«, konstatiert Girmay. Sein Sieg kann aber neue Kräfte freisetzen.

Immerhin: Rassistischen Anfeindungen im Fahrerfeld, über die andere Schwarze wie etwa der Franzose Kevin Reza zuletzt klagten, sei Girmay bisher nicht ausgesetzt gewesen, erzählte er vor wenigen Monaten. Man kann nur hoffen, dass es so bleibt.

Seine nächsten Rennen nach einem Trainingsblock im eritreischen Hochgebirge sind Eschborn-Frankfurt und der Giro d’Italia. Fest im Blick ist aber schon jetzt die WM 2025. Die findet in Ruanda, erstmals in Afrika, statt. Vielleicht bestätigt Girmay ja dann selbst die eigene Prophezeiung: »Eines Tages wird es einen Weltmeister aus Afrika geben.«

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