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In Erwartung einer Rekordernte
Argentinien möchte mehr Weizen exportieren und versucht den Preisanstieg im Inland durch Subventionen zu dämpfen
Dass Agrarexportländer wie Argentinien von den steigenden Weltmarktpreisen für Nahrungsmittel profitieren, ist eine ungewollte Folge des Ukraine-Krieges. Vor allem Getreide und Ölsaaten haben sich stark verteuert, da Russland und die Ukraine in Friedenszeiten einen guten Teil der weltweiten Nachfrage abdecken. Seit Beginn des Krieges ist der Preis für eine Tonne Weizen von 350 auf 420 Dollar gestiegen.
Auf der weltweiten Rangliste der Weizenlieferanten liegt Argentinien mit einem Marktanteil von knapp 5 Prozent auf Platz sieben – hinter der Ukraine, die einen Anteil von 8,5 Prozent hält. An der Spitze steht Russland mit 20 Prozent, vor der EU mit 15 Prozent. Es folgen Kanada, die USA und Australien. Ob und wie sich dieses Ranking zukünftig verändern wird, ist offen. Argentiniens Regierung hat bereits angekündigt, nach der nächsten Ernte mehr liefern zu wollen.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Die Freude über absehbare Mehreinahmen hält sich allerdings in Grenzen, nicht nur wegen der Schrecken des Krieges, der auch am Río de la Plata aufmerksam verfolgt wird. Zudem haben die Preise für Mehl, Brot und Teigwaren in den vergangenen Wochen auch in dem südamerikanischen Weizenexportland kräftig angezogen. »Vor dem 20. Februar lag der Inlandspreis für Brotweizen bei etwa 26 000 Peso pro Tonne. Seit der Konflikt begonnen hat, ist er auf über 35 000 Peso pro Tonne gestiegen«, konstatiert Präsident Alberto Fernández und verspricht, »den argentinischen Tisch vor diesen wirtschaftlichen Folgen zu schützen«.
Dafür hat der Präsident einen »Stabilisierungsfonds für argentinischen Weizen« eingerichtet. Der Eigenbedarf von 3,8 Millionen Tonnen soll subventioniert und so der inländische vom internationalen Preis abgekoppelt werden. Finanziert wird der Fonds durch eine zweiprozentige Anhebung der Exportsteuer auf Sojaöl und Sojamehl. Seit Kriegsbeginn sei der Weizenpreis um 37 Prozent in die Höhe geklettert, rechtfertigt Agrarminister Julián Domínguez die Steuererhöhung. »Der Preisanstieg wurde auf den Mehlpreis und damit auf Brot und alle Weizenderivate umgelegt.«
Zugleich stellte der Minister eine Rekordweizenernte und eine der höchsten Maisernten für die nächste Saison in Aussicht. »Wir erwarten, dass die Ernte 2022/23 ein neuer Produktionsrekord sein wird«, so Domínguez. Nach Angaben der Agrarhandelsbörse in Rosario wurde von der vorherigen Ernte fast der gesamte Überschuss von 13,9 Millionen Tonnen Weizen längst verkauft, sodass der stark gestiegene Preis als Einnahmeschub erst beim Verkauf der kommenden Ernte wirksam wird.
Das untermauert die These, dass die Weltmarktpreise für Weizen bisher nicht von den Produzierenden in die Höhe getrieben wurden, sondern von den mit den Verkaufskontrakten spekulierenden Akteuren und den Exportfirmen. Im Februar erreichte der Wert der gesamten argentinischen Ausfuhren zwar die neue Rekordhöhe von 6,4 Milliarden Dollar, doch der Handelsüberschuss betrug nur 800 Millionen Dollar, von denen lediglich 220 Millionen auf den Anstieg der Weltmarktpreise für Agrarprodukte und sonstige Rohstoffe zurückgeführt werden.
Ob der Preisanstieg beim Brot vor allem dem gestiegenen Weizenpreis geschuldet ist, ist in Buenos Aires ohnehin höchst umstritten. Schon seit Jahren liegt Argentiniens Inflationsrate im zweistelligen Bereich. 2021 betrug sie 51 Prozent. Für das laufende Jahr war bereits vor dem Ukraine-Krieg eine noch höhere Rate vorhergesagt worden. Daher herrscht längst Alarmstufe Rot. Mit einer Inflationsrate von 4,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat übertraf Argentinien im Februar erstmals sogar Venezuela. Dass die Lebensmittel im Februar sogar um 7,5 Prozent teurer wurden, interpretieren viele als vorauseilende Anpassung. Dies trifft natürlich die schon jetzt unter der Armutsgrenze lebenden 40 Prozent der 45 Millionen Argentinier*innen besonders hart.
»Am Freitag beginnt der Krieg gegen die Inflation.« Mit dieser unglücklichen Wortwahl versprach Präsident Fernández jetzt, der Inflation entgegenzutreten. An diesem Tag hatte der Kongress dem neuen Schuldenabkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zugestimmt. Nachdem das IWF-Direktorium kurz zuvor ebenfalls grünes Licht gegeben hatte, ist das Abkommen nun unter Dach und Fach. Kern ist die Verschiebung des anstehenden Tilgungsbeginns für einen 44,5-Milliarden-Dollar-Kredit auf das Jahr 2026. Wie sich die im Abkommen vereinbarte Senkung der Inflationsrate umsetzen lässt, ist jedoch derzeit schleierhaft.
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