Direkter Draht zu den Lobbyisten

Für große Wirtschaftsverbände ist es ein Segen, dass die FDP wieder Teil der Bundesregierung ist

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Für Olaf in der Beek war der Einzug in den Bundestag im Jahr 2017 ein Glücksfall. Im selben Jahr musste nämlich seine Medienproduktionsfirma Insolvenz anmelden. Trotzdem wird dem gebürtigen Bochumer derzeit viel Vertrauen entgegengebracht. Der FDP-Politiker ist Vorsitzender der Bundesvereinigung Liberaler Mittelstand. In der Vita von in der Beek steht, er sei seit 2021 kooptiertes Mitglied im FDP-Bundesvorstand.

Daran übte die Organisation Lobbycontrol kürzlich scharfe Kritik. Sie bezeichnete den Liberalen Mittelstand als partei-externen Lobbyverband. »Lobbyverbände gehören nicht in Parteivorstände. Sie verschaffen einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe privilegierte Zugänge zur wichtigsten Parteischaltstelle – und entziehen sich den Transparenzanforderungen des Parteiengesetzes«, kritisierte Christina Deckwirth von Lobbycontrol. Die Organisation sieht einen Verstoß gegen das Parteiengesetz. Dieses sieht vor, dass nicht gewählte Mitglieder nur dann dem Vorstand angehören dürfen, wenn dies in der Satzung explizit erwähnt wird.

Die FDP verwies darauf, dass der Verein eine »satzungsmäßig anerkannte Vorfeldorganisation« sei. Lobbycontrol monierte hingegen, dass der Verband in der FDP-Satzung genannt werde, aber nur mit dem Recht, auf Parteitagen Anträge zu stellen, zu reden und abzustimmen, aber eben nicht mit dem Recht, dauerhaft an den Sitzungen des Parteivorstands teilzunehmen.

Einmal abgesehen von der Frage, ob das Wirken des Mittelstandsverbands rechtswidrig ist oder nicht, lohnt sich ein Blick darauf, wer über die Vereinigung versucht, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Aus dem Lobbyregister des Bundestages geht hervor, dass der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland, der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe, der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Bundesverband Automatenunternehmer dort organisiert sind.

Auf seiner Website präsentiert der Liberale Mittelstand seine neoliberale Ausrichtung. »Die gesellschaftliche Rolle des Unternehmertums wurde in den vergangenen Jahren zunehmend negativ dargestellt«, heißt es dort. Politische Entscheidungen wie die Einführung des Mindestlohns oder die Dokumentationspflichten zur Arbeitszeiterfassung hätten »den völlig falschen Eindruck erweckt und verstärkt, Unternehmerinnen und Unternehmer seien im Grundsatz unsozial und arbeitnehmerfeindlich eingestellt, weshalb der Staat strenge und zumeist bürokratische Leitplanken erlassen müsse«. Zwar wird die FDP der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro zustimmen, um den Koalitionsfrieden mit SPD und Grünen zu wahren. In anderen Bereichen wird sie aber darauf drängen, dass Gesetze zugunsten von Unternehmen erlassen werden. Das Stichwort dazu im Koalitionsvertrag lautet »Bürokratieabbau«. Noch offen ist, ob das zulasten von Schutzstandards für die Beschäftigten gehen wird.

Auch die Außenpolitik ist für deutsche Firmen von Interesse. Ein Lieblingsthema für Olaf in der Beek sind die Beziehungen der Bundesrepublik zu China. In Afrika sieht er die Volksrepublik zum Beispiel als Konkurrenten deutscher Unternehmen. In der »Wirtschaftswoche« forderte er einmal, es müssten »noch stärkere Anreize für europäische Unternehmen geschaffen werden, in afrikanischen Ländern weit mehr zu investieren, als sie es bisher tun«. Den Chinesen warf er vor, dass die meisten ihrer Kredite für Infrastrukturprojekte so groß seien, »dass sie die Haushalte der Empfängerländer empfindlich belasten. Und sobald es zu einem Zahlungsausfall kommt, sichert sich China die Zugriffsrechte auf die errichtete Infrastruktur.« Im Klartext bedeutet dies, dass in der Beek und sein Lobbyverein es nicht hinnehmen wollen, dass China zunehmend als mächtiger Konkurrent auf dem afrikanischen Kontinent auftritt.

Im Juni vergangenen Jahres veröffentlichte in der Beek gemeinsam mit dem früheren Grünen-Vorsitzenden Reinhard Bütikofer einen Gastbeitrag für den »Tagesspiegel«, in dem die Autoren China als »systemischen Rivalen« bezeichneten. Sie forderten die EU wolkig dazu auf, der Volksrepublik Grenzen aufzeigen, deren Überschreitung mit Kosten verbunden sein müsse. Dabei verwiesen der Grünen-Politiker und der FDP-Mann auch auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in China.

Dabei nehmen es auch Personen in der Führung des Lobbyverbands Liberaler Mittelstand mit den Menschenrechten nicht so genau, wenn es darum geht, Profite zu erzielen. So geriet der heutige stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Axel Graf Bülow, vor einigen Jahren in die Kritik, nachdem der »Spiegel« berichtet hatte, dass er im Juni 2001 als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Freier Tankstellen (BFT) ein Schreiben an den Vizepremier des Irak geschickt hatte. In der Hoffnung auf Öllieferungen aus dem Land schrieb Bülow, sein Verband sei bereit, »immer an der Seite des irakischen Volkes und seines großen Führers Saddam Hussein zu stehen«.

Sowohl im Verband Liberaler Mittelstand als auch in der FDP ist diese Art von Geschäftssinn die beste Voraussetzung, um Karriere zu machen. So war Bülow von 2014 bis 2019 Vorsitzender des FDP-Landesverbandes Brandenburg.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.