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Auf Widerworte folgt Versetzung
Kritik an Personalpolitik von Sachsens CDU-Innenminister Wöller
In Sachsen trat kürzlich ein neuer Polizeipräsident seinen Dienst an. Jörg Kubiessa, bisher an der Spitze der Polizeidirektion Dresden, übernahm den Posten von Horst Kretzschmar, der in den Ruhestand geht. Im Windschatten der Personalie tauschte Innenminister Roland Wöller (CDU) auch den Chef der »Stabsstelle Kommunikation« der Landespolizei aus. Der Amtsinhaber wurde durch einen CDU-Jungpolitiker ersetzt. Der überraschende Schritt sorgt für Unmut in der Polizei – zumal man dort ein Muster zu erkennen meint: Es scheine, dass »Widerworte gegen den Minister mit der sofortigen Versetzung bestraft werden«, sagt Torsten Schmortte, Landeschef des »Bundes deutscher Kriminalbeamter« (BDK).
Dass Parteibücher bei der Besetzung von Posten in Sachsen eine Rolle spielen, ist kein Geheimnis. Pascal Ziehm, der die Stabsstelle seit 2019 leitete und nun in die Landesdirektion Sachsen wechseln muss, war zuvor Vizesprecher der CDU-Fraktion im Landtag gewesen. Seine fachliche Arbeit fand indes breite Anerkennung. Sein Nachfolger Florian Oest fiel bisher nicht als PR-Profi auf. Der 34-Jährige hat auch keine Diensterfahrung in der Polizei und »nie Uniform getragen«, wie der BDK spitz anmerkt. Oest war, wie einst auch Wöller, Landeschef der Jungen Union und später zeitweilig sein Referent im Ministerium. Laut »Bild«-Zeitung wird er in der Partei als »Wöllers Kofferträger« verspottet. Bei der Bundestagswahl 2021 versuchte er, das einst von CDU-Ministerpräsident und -Landeschef Michael Kretschmer an die AfD verlorene Direktmandat in Görlitz zurückzuerobern, scheiterte aber deutlich.
Für Kritik in der Polizei sorgt vor allem der Umstand, dass Wöllers Personalpolitik offensichtlich nicht am Leistungsprinzip ausgerichtet ist, sondern darauf zielt, sich mit Ja-Sagern zu umgeben. Oft reiche »ein anderer Standpunkt, um sich innerhalb kürzester Zeit in einer neuen Funktion wiederzufinden«, sagt Schmortte. Medienberichten zufolge soll Ziehm darauf hingewiesen haben, dass die Stabsstelle der Polizei »keine politische PR-Abteilung des Ministers« sei. Der BDK verweist auf eine »lange Liste« weiterer Fälle, darunter den früheren Polizeiinspekteur und den Ex-Chef des Landeskriminalamts. Die Rede ist von »Willkür« und einer Stimmung in der Behörde, die »dementsprechend schlecht« sei. Der Eindruck erhärte sich, dass »persönliche Befindlichkeiten über die der Fachlichkeit und der Interessen der sächsischen Polizei gestellt« würden. Rico Gebhardt, Chef der Linksfraktion im Landtag, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, ein »überforderter Innenminister« müsse sich »natürlich mit Günstlingen umgeben, die ihm nicht widersprechen«.
Sorgen gibt es in der Polizei zur künftigen Ausrichtung der Stabsstelle Kommunikation. Diese sei eigentlich ein »effizientes Instrument, um den Bürgerkontakt zu pflegen«, sagt Schmortte und warnt davor, es zum »verlängerten politischen Arm des Ministers« werden zu lassen. Diese Befürchtungen werden genährt durch bisherige Aktivitäten des neuen Chefs in den sozialen Medien. Als die damals noch oppositionellen Grünen 2019 wegen des neuen sächsischen Polizeigesetzes gemeinsam mit der Linken vor das Verfassungsgericht zogen, warf Oest ihnen vor, sich »auf Kosten unserer Sicherheit« zu profilieren, und forderte, sie sollten ihr »Demokratieverständnis überdenken«. Der Linksabgeordneten Jule Nagel warf er im Streit um einen Polizeieinsatz im Leipziger Stadtteil Connewitz vor, sie legitimiere »skrupellose Straftaten von Linksextremisten gegen unsere Polizei«. Und »Sea Watch«-Kapitänin Carola Rackete, die Migranten im Mittelmeer rettete, diskreditierte er als »selbsternannten Edelmenschen«.
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