Von wegen Querfront

Das in Brandenburg produzierte »Compact-Magazin« ist ein Sprachrohr von Rechtsextremisten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Wer mit dem Zug am Bahnhof von Werder (Havel) über die Eisenbahnbrücke fahre, könne kurz einen Blick auf eine Baracke auf dem Gelände einer Werft erhaschen. Da seien an Tagen, an denen das »Compact-Magazin« ausgeliefert werde, Fahrzeuge der Post zu sehen, berichtet Robin Herz vom Aktionsbündnis weltoffenes Werder. An der Adolf-Damaschke-Straße sitzt laut Impressum der Verlag. Als Geschäftsführer eingetragen ist der vom Marxisten zum Rechten gewendete Journalist Jürgen Elsässer, der auch als Chefredakteur firmiert. Er selbst erklärte seine Wandlung einmal, indem er sich einen »vernünftig gewordenen Linken« nannte.

Am Verlagssitz unter dem Radar

»Man sieht von außen nicht, dass da irgendetwas sitzt«, erzählt Robin Herz. »Man versucht meines Erachtens, unter dem Radar zu bleiben. Das Magazin taucht hier eigentlich nicht auf, außer an den Kiosken, wie überall. Die Bevölkerung hat von diesen Nachbarn keine Ahnung.« Der Verlag sei Mitglied in einem örtlichen Unternehmerverband gewesen, der sich aber aufgelöst habe, bevor das Aktionsbündnis weltoffenes Werder dagegen Einspruch erheben konnte.

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Ähnliches berichten Mitstreiter der Initiative Falkensee gegen Rechts. Das Magazin werde an Tankstellen und in Supermärkten zum Verkauf angeboten. Aber das sei es auch schon. In Falkensee soll sich angeblich die Redaktion befinden – in dem Haus, in dem Jürgen Elsässer wohne. Aber in der Kommune trete der Mann, der sonst ein großes Publikum sucht, kaum in Erscheinung. Einmal sei er in Falkensee bei einem Montagsspaziergang gegen die Corona-Maßnahmen mitgelaufen und gesehen worden, heißt es. Sein Haus stehe in einem abgelegenen Ortsteil. Da komme niemand hin, der dort nicht wohne.

Robin Herz und die anderen erzählen das am Montagabend bei einer Online-Diskussion »Compact – Sprachrohr der extremen Rechten«. Dazu eingeladen hat das brandenburgische Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Als Referent konnte es den Soziologen Felix Schilk von der Technischen Universität Dresden gewinnen. Er veröffentlichte 2017 das Buch »Souveränität statt Komplexität: wie das Querfront-Magazin ›Compact‹ die politische Legitimationskrise der Gegenwart bearbeitet«.

Mit der Etikettierung als Querfront-Magazin, das gleichermaßen Rechte und Linke anspricht, ist es aber so eine Sache. Zwar schrieb Elsässer jahrzehntelang für linke Zeitungen und Zeitschriften wie »Arbeiterkampf«, »Konkret«, »Junge Welt« und zuletzt »neues deutschland«. Als er aber mit rechten Kreisen eine ominöse Volksbewegung gründete, kündigte »nd« ihm den Vertrag.

Auf jede Protestwelle aufgesprungen

Seit 2010 gibt es das »Compact-Magazin«, und Elsässers neuer Kurs war eigentlich von Anfang an klar. Bis etwa 2014 habe es die Redaktion jedoch vermieden, sich selbst als rechts einzusortieren, informiert Wissenschaftler Schilk. Dann sei das aufgegeben worden.

»Compact« sprang auf rechte Protestwellen auf, angefangen bei den Friedensmahnwachen und Pegida, und steuerte dann ins Fahrwasser der AfD. Nicht von ungefähr hat der Landtagsabgeordnete Lars Günther (AfD), der 2019 ins Parlament einzog, ab 2015 bei »Compact« gearbeitet – laut biografischen Angaben als »verlagskaufmännischer Angestellter, persönliche Assistenz der Geschäftsführung, Redaktionsassistenz« – und sich dort auch um Marketing, Sicherheitsfragen und Veranstaltungen gekümmert.

Als rechtsextremistisch eingestuft

Seit Dezember 2021 stufe der Verfassungsschutz das Magazin als »erwiesen rechtsextremistisch« ein, erinnert die Landtagsabgeordnete Inka Gossmann-Reetz (SPD). Die verkaufte Auflage soll bei 45.000 Exemplaren liegen und die gedruckte fast doppelt so hoch sein. Verschenkt wird sie nach Erkenntnissen von Felix Schilk jedoch nicht. Selbst alte Ausgaben, die noch bestellt werden können, müssten bezahlt werden. Der Wissenschaftler hat Elsässer einmal bei Pegida in Dresden gesehen, wie er das Magazin hochhielt. Aber auch dort habe man es kaufen müssen. Es habe allerdings eine Spendenbox gegeben, von der Abos finanziert wurden, für die man sich im Internet eintragen konnte. Auf diesem Wege schaffte es Schilk, das Magazin für ein Jahr kostenlos nach Hause geliefert zu bekommen, was für seine Untersuchungen nützlich war.

Neben den Monatsheften gebe es Spezialausgaben beispielsweise mit geschichtsrevisionistischen Beiträgen, und das Internetfernsehen Compact TV. Aktuell geht es in den täglichen TV-Sendungen darum, was von dem Massaker im ukrainischen Butscha zu halten sei. Der russische Uno-Botschafter Vasily Nebenzya wird mit dem Verdacht zitiert, Ukrainer hätten die 300 Menschen selbst getötet – quasi nach dem Vorbild der SS, die einen polnischen Angriff auf den deutschen Sender Gleiwitz inszenierte, um einen Vorwand für den Zweiten Weltkrieg zu haben. Die prorussische Tendenz ist unverkennbar. Daher rühre die Vermutung, der Verlag werde aus Moskau bezahlt. Journalisten haben recherchiert, aber nichts Derartiges aufdecken können, sagt Schilk. Er vermutet, dass »Compact« zunächst ein Verlustgeschäft war, sich aber mittlerweile rechnet. Die AfD schalte Stellenanzeigen. Eine ganzseitige Werbung koste immerhin 4600 Euro.

Ob es Elsässer allein ums Geld gehe oder ob er es genieße, ein Publikum zu haben, vermag Schilk nicht einzuschätzen. Wer Elsässer persönlich kennenlernte, weiß dagegen zu sagen, dass er offensichtlich eine Bühne braucht, um sich zu produzieren.

Für den Erfolg sei es Elsässer egal, ob dieser die Storys selbst glaube, die er seinen Lesern präsentiert – etwa über die QAnon-Verschwörung, sagt Schilk. Er spielt dazu einen Videoausschnitt ein, in dem Elsässer verrät, dergleichen Berichte seien die Hefe, aus der eine Volksbewegung erwachsen könne. Schilk urteilt: »Elsässer ist da jetzt in einer Sparte drin, die beherrscht er recht gut, aber da kommt er nicht mehr raus.« Unbestritten ein kluger Mann, gehe sein Magazin nicht in die Tiefe, sondern in die Breite. So habe Elsässer das intellektuelle Niveau der Publikation selbst beschrieben.

»Compact« wirbt, größere Mengen der einzelnen Ausgaben auf eigene Rechnung zu bestellen und zu verteilen. In abgedruckten Leserbriefen schildern Leute, das tatsächlich zu tun. Ob diese Leserbriefe echt sind, vermag Schilk nicht zu sagen. Fakt ist, dass ein Mann der Falkenseer Initiative gegen Rechts immer wieder beobachtet, wie im Zug nach Berlin auf jedem dritten Sitzplatz ein »Compact«-Heft ausliegt. Er sieht sich dann um, ob Elsässer unter den Fahrgästen ist, hat ihn aber nie erblickt.

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