- Politik
- Corona Neuseeland
Covid-Festung Neuseeland öffnet sich
Zwei Jahre hatte Neuseeland seine Grenzen geschlossen. Nun dürfen erste Ausländer wieder einreisen
Nach Australien hat sich auch Neuseeland entschieden, wieder Besucher ins Land zu lassen. Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern sagte, Neuseeland sei bereit, »die Welt wieder willkommen zu heißen«. Ab Mittwoch werden die ersten internationalen Besucher aus dem Nachbarland Australien erwartet. Für die meisten anderen Länder, darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz, öffnet sich Neuseeland wieder ab dem 2. Mai.
Neuseeland schloss seine Grenzen zuerst im März 2020, als sich die Pandemie weltweit wie ein Lauffeuer ausbreitete. Bis auf einen kurzzeitigen Reisekorridor mit Australien blieben sie bis jetzt geschlossen. Kaum ein anderes Land der Erde hat sich so konsequent abgeschottet wie Neuseeland und eine so stringente No-Covid-Strategie verfolgt. Der Inselstaat schaffte es damit tatsächlich über Monate hinweg, kaum oder sogar null Infektionen zu haben. Lange Zeit war das Alltagsleben im Land weitestgehend normal, und Neuseeland zählte nur vereinzelte Todesfälle.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Doch die Corona-Festung am anderen Ende der Welt hat andere Opfer gefordert. Denn sie hat ihre eigenen Bürger, die im Ausland leben, quasi aus dem Land ausgesperrt. Theoretisch galten die geschlossenen Grenzen zwar nicht für Neuseeländer, doch das strenge Quarantäneprogramm machte eine Rückkehr im wahrsten Sinne des Wortes zum Glücksspiel. Denn wer nicht auf einen Notfall verweisen konnte, der musste sich bei der Verteilung der Quarantäneplätze tatsächlich auf ein Lotteriesystem verlassen. Erst seit der Lockerung dieser Bestimmungen ist die Rückkehr wieder einfacher geworden. Dafür sind die Infektionszahlen jedoch rapide gestiegen: Inzwischen zählt auch Neuseeland rund 10 000 Infektionen pro Tag. Die Zahl der Todesfälle ist auf über 450 angestiegen.
Sinnbildlich für dieses »Glücksspiel« wurde die neuseeländische Reporterin Charlotte Bellis. Sie wollte in ihr Heimatland zurück, da sie schwanger war und ihr Kind im Kreis der Familie in Neuseeland zur Welt bringen wollte. Bei ihrem Arbeitgeber, dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera musste sie kündigen, da es in Katar illegal ist, schwanger und wie Bellis unverheiratet zu sein.
Nachdem die strengen Covid-Restriktionen ihr die Heimkehr ins eigene Land zunächst unmöglich machten, entschied sich die Journalistin für den ungewöhnlichen Schritt, ausgerechnet die islamistischen Taliban um Hilfe zu bitten. In Afghanistan hatte sie zuvor über die Machtübernahme der Terrorgruppe berichtet und Kontakte geknüpft. Diese hätten überraschend positiv reagiert, so Bellis, und sie und ihren Partner aufgenommen. In einem Meinungsstück für die neuseeländische Tageszeitung »New Zealand Herald« schrieb die Journalistin daraufhin den schwerwiegenden Satz: »Wenn die Taliban dir – einer schwangeren, unverheirateten Frau – einen sicheren Hafen anbietet, dann weißt du, dass deine Situation verfahren ist.« Nach weltweiter Berichterstattung erhielt Bellis schließlich einen der begehrten Quarantäneplätze, um nach Neuseeland zurückzukehren, doch ihre Odyssee warf international ein Licht auf die neuseeländische Handhabe der Pandemie.
Das scheint für Europäer nahezu unglaublich, doch Neuseeland musste – ähnlich wie andere kleinere Pazifikstaaten – ein Entgleisen der Pandemie unter allen Umständen verhindern. Denn das Land hat nur wenige Betten auf Intensivstationen, ein Umstand, den der Intensivmediziner Alex Psirides im neuseeländischen Medium »Stuff« im vergangenen Jahr kritisierte. »Neuseeland hat 4,6 Intensivbetten pro 100 000 Einwohner«, schrieb der Mediziner. Und diese Zahl sei mit dem Bevölkerungswachstum zurückgegangen. »Wir schneiden im Vergleich zu Ländern mit gleichwertigen Gesundheitssystemen schlecht ab – Großbritannien hat 6,4, Australien 8,9 und Deutschland 38,7.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.