- Brandenburg
- Erschließungskosten
Volksbegehren zu Sandpisten gescheitert
Anwohnerinnen und Anwohner in Brandenburg werden weiter für den Ausbau unbefestigter Wege zahlen
Für die Fraktion der BVB/Freie Wähler ist es eine ungewohnte Niederlage: Statt der nötigen 80 000 Unterschriften waren es weniger als 55 000, die die Initiatoren des Volksbegehrens am Ende der halbjährigen Frist haben vorweisen können.
Ziel war gewesen, Anlieger von sogenannten Sandpisten von den Erschließungskosten zu befreien, die beim grundständigen Ausbau einer Anliegerstraße anfallen. Gemeint sind unbefestigte Straßen, die schon jahrzehntelang als normaler Fahrweg zu den anliegenden Grundstücken genutzt werden. BVB-Fraktionschef Péter Vida sprach am Dienstag im Landtagsgebäude von einem »schweren Tag« für seine Partei.
Als Gründe für das Aus gab der Politiker unter anderem die Corona-Einschränkungen und »Verwaltungsprobleme« an: »Geschlossene Rathäuser, Verbot von Bürgerversammlungen, Vorsichtsmaßnahmen durch die Bürger selbst« - alle Lebensbereiche hätten verwaltungstechnische Erleichterungen erfahren. Nur beim Volksbegehren Sandpisten sei so getan worden, als gäbe es kein Corona.
In einer Presseerklärung sprach Vida von »unzumutbaren Bedingungen«. Hinzu kämen die mangelnde Bearbeitung von Briefwahlanträgen, das zeitweilige Fehlen solcher Anträge sowie die Verzögerungen, weil die Rathausmitarbeiter im Homeoffice sich damit nicht befasst hätten. Die Mängel seien vom Innenministerium »im Wesentlichen nicht bestritten« worden, einen Nachteilsausgleich habe es dennoch nicht gegeben.
Dabei hatte laut Vida alles so hoffnungsvoll begonnen. Die dem Volksbegehren vorgeschaltete Volksinitiative hatte nach zwei Monaten mit 32 000 Unterstützern das für die Initiative notwendige Quorum erreicht, obwohl sie 18 Monate dafür Zeit gehabt hätte. »Das Thema ist überall angekommen«, zeigte sich Vida überzeugt.
Vida zufolge haben sich in der zweiten Hälfte der halbjährigen Sammelzeit mehr Unterstützer gefunden als in der ersten. In den Landkreisen Barnim, Potsdam-Mittelmark, Oberhavel und Dahme-Spreewald sei der Zuspruch rege gewesen, enttäuscht dagegen hätten die kreisfreien Städte. Der Politiker gab Kosten von rund 40 000 Euro für die Kampagne an. Die Hälfte davon sei durch Spenden gedeckt gewesen, auf den übrigen »bleiben wir als BVB sitzen«, so Vida.
Auf die Frage, ob es tatsächlich zu viele Gegner des Anliegens gegeben habe, entgegnete Vida, dass man als Volksinitiative binnen zweier Monate über 20 000 Menschen hinter sich habe versammeln können. Dafür habe etwa die Volksinitiative gegen die Entschädigung der Hohenzollern ganze 18 Monate gebraucht.
Als Folge des Scheiterns sieht Vida, dass Kommunen nun weiter 90 Prozent der Baukosten von Anliegern fordern können. Er verwies auf das Beispiel Falkensee, wo ein entsprechender Umbau die Anlieger zwischen 40 000 und 60 000 Euro kosten werde: »Das haut richtig rein.« Zudem bleibe der Druck auf die Planungsabteilungen in den Kreisen und Kommunen, kostengünstig zu planen, weiterhin niedrig.
Den Einwand, dass derart befestigte Straßen den Wert anliegender Grundstücke erhöhen und deshalb womöglich nicht von der Allgemeinheit finanziert werden sollten, wies der Fraktionschef zurück. Eine mögliche Wertsteigerung sei nicht zu beweisen und ohnehin für die Anlieger von theoretischer Bedeutung: »Sie wollen nicht verkaufen, sondern dort wohnen bleiben.«
Das deprimierende Resultat eines für Vida »unfairen« Verfahrens sei nun Anlass, kommunal für Erleichterung zu sorgen. Er erwähnte das Beispiel Fürstenwalde, wo die Stadtverordnetenversammlung die Forderung von 90 Prozent der Erschließungskosten für einzelne Anlieger auf 50 Prozent gesenkt hatte. »Auch wenn das Volksbegehren nicht erfolgreich war, werden wir über die Kommunen versuchen, mehr Mitbestimmung und Kostenkontrolle durchzusetzen.«
In der Vergangenheit hatte BVB/Freie Wähler in Brandenburg das Instrument der Volksgesetzgebung erfolgreich genutzt. Sie erreichten auf diese Weise die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, das Abblasen der Kreisgebietsreform und die Durchsetzung des Nachtflugverbotes am BER. Desgleichen seien »diverse Bürgerentscheide in den Kommunen erfolgreich« gewesen, fügte Vida hinzu.
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