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Feministin auf den Straßen, devot in den Laken

Warum es keinen Widerspruch darstellt, Feministin und sexuell unterwürfig zu sein

  • Livia Lergenmüller
  • Lesedauer: 4 Min.
Sex und Feminismus gehören zusammen.
Sex und Feminismus gehören zusammen.

»Frauen, hört auf, euch beim Sex zu unterwerfen«, forderte die Autorin Katja Lewina vor einigen Jahren in einer Kolumne. Dabei handele es sich schließlich oft um nichts weiter als reproduzierte Rollenklischees, erklärte sie und stellte entsetzt fest: »Selbst Feministinnen finden nichts Verwerfliches daran, wenn Frauen ihren devoten Neigungen nachgehen.«

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Eine Denkfigur, der man bei näherer Beschäftigung mit Feminismus nicht selten begegnet. In der Tat sind Frauen, die ihre sexuellen Wünsche kennen und ausleben, ein handfester Skandal – im positiven Sinne. Denn der Sex zwischen Frauen und Männern ist bereits ganz ohne freiwilliger Unterwerfung von hartnäckigen Machtdynamiken geprägt. Gerade beim heterosexuellen Sex ist die Lust der Frau ein kläglich vernachlässigtes Feld. Das übersetzt sich in Zahlen: Die große Mehrheit der hundert Frauen und Mädchen, die Peggy Orenstein für ihr Buch »Girls & Sex« befragt hatte, gaben an, guter Sex hieße für sie, dem Mann zu gefallen und dabei selbst keine Schmerzen zu haben. Frauen masturbieren weniger und kommen noch immer ein Drittel seltener zum Orgasmus – mehr als die Hälfte aller Frauen hat diesen sogar schon einmal vorgetäuscht.

Die Orgasmus-Ungleichheit: Frauen haben im Durchschnitt deutlich weniger Orgasmen als Männer. Besonders betroffen sind Frauen in heterosexuellen Beziehungen.

Ein Grund dafür dürfte das verbreitete Verständnis sein, nur Penetration sei »richtiger Sex«, was den Fokus auf männliche Lust zementiert. Heterosexuelle Frauen lernen von Beginn an, ihre sexuelle Aufmerksamkeit dem Mann zu widmen. Sie werden zum verfügbaren Objekt erzogen, dessen Begierde selten im Zentrum steht und entsprechend wenig bis gar nicht erforscht werden muss. Lewina hat also recht, wenn sie sagt, dass beim Sex häufig patriarchale Herrschaftsverhältnisse reproduziert werden. Nicht ohne Grund beschäftigen sich Feminist*innen bereits seit Langem mit der Thematik.

Von einem Sexualpartner absichtlich Dominanz einzufordern, scheint jedoch das ziemliche Gegenteil dessen zu sein. Machtspiele spielen zu wollen, zeugt zumindest von einem deutlich ausgeprägteren Bewusstsein für die eigenen Wünsche, als eine Frau, die beim Vanilla-Sex, also nicht fetischorientiertem Sex wiederholt einen Orgasmus vortäuscht, damit es endlich vorbei ist. Folgt weibliche sexuelle Unterwerfung also wirklich zwingend patriarchalen Logiken?

Safe, sane and consensual

Wenn Lewina von »devoten Neigungen« spricht, lohnt es sich, diese von Kinks zu differenzieren. Letzteres setzt eine weitaus stärkere Identifikation voraus, die in der Popkultur fälschlicherweise häufig pathologisiert wird. Filme wie »Fifty Shades of Grey« haben der Szene in den vergangenen Jahren hier sicher keinen Gefallen getan. Ein Superreicher mit negativem Mutterkomplex und nicht aufgearbeitetem Bindungstrauma, der eine junge Studentin ohne jegliche sexuelle Erfahrung dazu überredet, sich auspeitschen zu lassen? Da muss man erstmal schlucken. Mit einvernehmlicher BDSM-Praxis hat das wenig zu tun.

Stattdessen gelten innerhalb der kinky Szene klar vereinbarte Regeln: SSC, safe, sane and consensual gilt als unbestrittenes Grundprinzip. Praktisch bedeutet dies, dass »Do's and Don'ts« im Voraus klar kommuniziert, sowie durch »Safe Words« gegebenenfalls neu verhandelt werden. Wie weit das Gegenüber letztlich geht, bestimmt die submissive Person selbst. Unterwerfung ist somit, entgegen der Vorstellung Vieler, nicht passiv.

Dies setzt gleichzeitig zwingend Wissen über die eigenen sexuellen Bedürfnisse und Vorlieben voraus. Nur, wer seine eigene Lust kennt, kann diese benennen und Grenzen setzen. Submissiv zu sein bedeutet demnach auch, seine eigene Sexualität zu erkunden und fordert gerade devote Frauen heraus, sich mit ihrer Lust auseinanderzusetzen. Weibliche Unterwerfung ist vielleicht nicht »politsch« wie die feministische Pornoproduzentin Erika Lust in ihrem Projekt »Feminist & Submissive« befindet. »Doch wenn es deine Begierde ist, ist es deine Entscheidung. Und das ist es, wohin uns Jahrzehnte des Feminismus gebracht haben sollten.«

Damit wirft sie einen wichtigen Punkt auf. Denn zwar legen Zahlen tatsächlich nahe, dass durchschnittlich mehr Frauen davon fantasieren, dominiert zu werden als Männer (auch wenn die Differenz nicht allzu groß ist). Die feministische Konsequenz sollte jedoch nicht sein, ihnen diese Präferenz zu verbieten. Stattdessen müssen die Rahmenbedingungen justiert werden: Sex, egal welcher Art, bedarf Einverständnis, konstanter Kommunikation und dem Raum für alle Beteiligten, ihre Lust erfahrbar zu machen. Vorkehrungen, die in der kinky Community gang und gäbe sind und die psycho- oder soziologischen Herleitungen für eine Fantasie irrelevant machen. Warum etwas stigmatisieren, das allen Beteiligten Spaß macht?

Sexparties können eine Form von sexueller Befreiung und sexpositiver Kritik an der konventioneller Geschlechterordnung sein. Sie können aber auch klassische gesellschaftliche Muster normgetreu reproduzieren.

Der mangelnde Raum für weibliche Lust ist das Problem

In der Realität gibt es zweifelsohne viele Menschen, die mit Cumshots und Würgegriff primär sexistischen Rollenklischees nacheifern. Die Lösung kann jedoch kaum restriktiv sein. Vielmehr will ein feministischer Ansatz unseren Sex befreien und dabei unterstützen, sich frei von erlernten Vorstellungen und Erwartungen auszuleben. Das sollte unabhängig von Vorlieben und Kinks gelten.

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