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Gekappte Verbindung nach Osten
Der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland treffen einzelne sächsische Firmen hart
Wer in einem »Lada« Platz nimmt, sitzt mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Textilien aus dem Vogtland. Das Unternehmen Vowalon im sächsischen Treuen beschichtet Stoffe, die dann zum Beispiel wie Leder aussehen und mit denen auch Pkw-Sitze bezogen werden. Produziert werden zehn Millionen Quadratmeter jährlich. Zu den Kunden gehört der im russischen Toljatti ansässige Hersteller Awtowas, bei dem der Lada vom Band läuft. Oder muss man sagen: »gehörte«? Die Geschäftsbeziehung »liegt auf Eis«, sagt Vowalon-Geschäftsführer Gregor Götz. Ob sie je wieder aufgenommen wird, ist fraglich: »Aus heutiger Sicht glaube ich nicht daran.«
Vowalon ist seit Jahrzehnten auf dem russischen Markt aktiv. »Er ist uns wichtig«, sagt Götz. »Unsere Qualität wird dort geschätzt.« Begründet wurde die Beziehung noch in der DDR, als der Betrieb unter VEB Kunstlederfabrik Treuen firmierte. Nach 1990 musste hart gekämpft werden, um sie zu erhalten. Ein eigener Handelsvertreter hilft dabei. Zuletzt belieferten die Vogtländer neben dem Lada-Werk auch Möbelhersteller. Die sächsischen Textilien wurden auf Sofas gespannt, auf medizinische Liegen, im Inneren von Booten verbaut. Rund 1,5 von 40 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete das 220 Mitarbeiter zählende Unternehmen in Russland - bis Putins Truppen Ende Februar in die Ukraine einmarschierten. Nun sind Geschäfte mit dem Land vorerst passé.
Das Textilunternehmen scheint damit exemplarisch für gute Teile der ostdeutschen Wirtschaft zu stehen. Diese pflegten, so lautet die verbreitete Annahme, traditionell gute Beziehungen gen Osten, die in Kontakten aus DDR-Zeiten wurzelten und ein wichtiges wirtschaftliches Standbein seien. Nicht zuletzt Russland, Belarus, Ukraine und andere Nachfolgestaaten der UdSSR seien wichtige Märkte. Die Sanktionen, die verstärkt seit der russischen Annexion der Krim 2014 bestehen und mit Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine drastisch verschärft wurden, treffen dieser Annahme zufolge ostdeutsche Unternehmen mit besonderer Härte.
Die These stimmt aber nur in Teilen. Zwar sind die Im- und Exporte innerhalb von zehn Jahren deutlich gesunken. Noch 2012 seien Waren im Wert von 1,9 Milliarden Euro aus Russland nach Sachsen eingeführt und Ausfuhren von 1,3 Milliarden Euro verbucht worden, heißt es im Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit (SMWA). Damit lag Russland in der Exportstatistik auf Platz sieben, jedoch mit einem Anteil von nur 4,2 Prozent, betont Lars Fiehler, Sprecher der IHK Dresden. Im Jahr 2021 sei Russland mit einem Anteil von noch 1,3 Prozent aber sogar aus den Top 20 herausgerutscht.
Der Niedergang, so betont man im SMWA, habe bereits vor der Krise um die Krim eingesetzt. Die sächsischen Exporte seien, sagt Referent Christian Adler, schon 2013 zurückgegangen, und zwar »wegen des wirtschaftlichen Abschwungs in Russland, des Rubel-Verfalls sowie niedrigerer staatlicher Investitionen aufgrund des gesunkenen Ölpreises«. Die Sanktionen ab 2014 verschärften die Entwicklung. Heute sei Russland für den Freistaat »rein volkswirtschaftlich gesehen kein entscheidender Markt«, sagt Adler. Die IHK teilt diese Einschätzung, auch wenn es zuletzt »zu einer Art Konsolidierung gekommen« sei und sächsische Unternehmen vermehrt Interesse am russischen Markt signalisiert hätten, wie Fiehler betont.
Noch weniger fallen in Sachsen Geschäfte mit der Ukraine ins Gewicht. Deren Anteil an den Exporten betrug 2021 magere 0,3 Prozent, womit sie auf Platz 42 der Ausfuhrländer stand. Sie habe »noch keinen signifikanten Anteil am sächsischen Außenhandel erreicht«, heißt es aus dem Ministerium. In die Ukraine geliefert wurden vor allem Erzeugnisse des Maschinenbaus und der Kfz-Branche sowie Papier und Pappe, importiert wurden elektrotechnische und Druck-Erzeugnisse sowie Eisenlegierungen.
All das heißt aber nicht, dass die Sanktionen seit 2014 sowie die jüngste Zuspitzung mit dem Krieg nicht einzelne Unternehmen und Branchen spürbar träfen. Zu den markantesten Beispielen gehörte der zeitweilige Produktionsstopp in sächsischen VW-Werken, weil in der Ukraine produzierte Kabelbäume fehlten. Sorgenvoll äußerte sich auch der Verband der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie. Dort merkt man an, dass Russland »traditionell ein sehr, sehr wichtiger Markt« sei und die Ukraine sowie Belarus »klassische Konfektionsländer« seien. Bei der IHK Dresden heißt es, »nach unseren Kenntnissen« unterhielten 144 Unternehmen Lieferbeziehungen nach Russland, 30 bezögen Importe von dort. In die Ukraine exportierten 70 Firmen, 18 bezögen von dort Produkte und Leistungen. In den anderen IHK-Bezirken Chemnitz und Leipzig dürfte es ähnlich sein. Das Ministerium betont, auch wenn die Märkte insgesamt für Sachsen nicht zu den wichtigsten gehörten, beobachte man doch, wie »schwerwiegend« die Folgen der langjährigen Sanktionen sowie des jetzigen Krieges für Unternehmen und ganze Branchen seien.
Zu deren direkten Folgen zählt das SMWA strenge Exportkontrollen für Hochtechnologieprodukte, Software und Dual-Use-Güter, bei denen auch eine militärische Nutzung möglich ist. »Einzelnen Maschinenbauunternehmen, die traditionell enge Handelsbeziehungen mit Russland pflegen, bricht dadurch gerade ein Absatzmarkt weg«, sagt Adler. Auch der Wegfall von Hermes-Bürgschaften dürfte in diesem Sektor die Exporte erschweren. IHK-Sprecher Lars Fiehler nennt weitere Faktoren: russische Gegenreaktionen aus Ausfuhrbeschränkungen, Probleme bei der Kapitalversorgung in Russland oder Folgen von Überflugverboten und veränderten Lieferwegen. Die Beziehungen zur Ukraine wiederum treffe der Krieg direkt: durch zerstörte Firmen und Infrastruktur oder den Umstand, dass Menschen ihr Land verteidigen müssen, statt arbeiten gehen zu können.
Die Unternehmen in Sachsen müssen versuchen, mit den Folgen umzugehen - und sich auch die grundsätzliche Frage stellen, ob und unter welchen Bedingungen sie überhaupt ihre Geschäfte mit Russland fortsetzen wollen. Im Fall des Textilunternehmens Vowalon stehen dem keine Sanktionen entgegen; auch die entfallenen Bürgschaften seien kein Problem, weil die Geschäfte einen geringeren Umfang als bei Maschinen hätten und man üblicherweise gegen Vorkasse geliefert habe, sagt Gregor Götz. Derzeit ruhen die Beziehungen zum Lada-Hersteller, weil es dort wegen des Krieges oder, wie es in Russland heißt, der »besonderen geopolitischen Lage« einen Produktionsstopp gebe. Vowalon sitzt deshalb derzeit auf Waren im Wert von 150 000 Euro. Die Frage, wer für den Schaden aufkommt, wiege indes weniger schwer als eine moralische Frage, sagt Götz: »Wollen wir unter den jetzigen Bedingungen überhaupt noch dorthin liefern?«
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