Spekulation auf noch extremere AfD

Im Streit um seinen Rauswurf aus der Partei kassiert der Brandenburger Landtagsabgeordnete Andreas Kalbitz die nächste Niederlage

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Er hat keine Chance hier, er hat keine Chance vor dem Kammergericht - null«, prophezeit Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel am Freitag. Er vertritt die AfD im Rechtsstreit mit dem brandenburgischen Landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz über dessen Parteimitgliedschaft. Wenige Minuten später bewahrheitet sich der erste Teil dieser Vorhersage. Denn am Landgericht Berlin fällt Richter Hans-Joachim Luhm-Schier in Abwesenheit von Kalbitz ein Urteil: »Die Klage wird abgewiesen, der Kläger hat die Kosten zu tragen.«

Der Abgeordnete ist also mit Stand jetzt weiterhin nicht Mitglied der AfD, obwohl er nach wie vor ihrer Landtagsfraktion angehört, die ihn weiter in ihren Reihen duldet. 1994 war Kalbitz Mitglied der Republikaner. Das soll er aber im Jahr 2013, als er sich der AfD anschloss, in seinem Aufnahmeantrag verschwiegen haben, obwohl die rechte Partei von ihren Mitgliedern verlangt, frühere Mitgliedschaften anzugeben. Deshalb hat das Bundesschiedsgericht der AfD die Mitgliedschaft von Kalbitz im Jahr 2020 für nichtig erklärt. Das heißt: Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet hat Kalbitz der Partei niemals wirklich angehört.

»Es geht nicht um einen Parteiausschluss«, stellt Richter Luhm-Schier am Freitag klar. Denn wenn man nie rechtskräftig Mitglied gewesen sei, dann könne man auch nicht ausgeschlossen werden. Indem Kalbitz unvollständige Angaben zu seinem Vorleben machte, habe er die AfD arglistig getäuscht, was nach den Regularien der Partei Konsequenzen hat. »Die haben rechtlich betrachtet alles richtig gemacht«, erläutert der Richter. »Was sollen wir jetzt dazu sagen? Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist bürgerliches Recht. Das ist einfache Rechtsanwendung. Er ist halt nicht Mitglied.«

Da spielt es gar keine Rolle mehr, was nun mit der neofaschistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) gewesen ist. 2007 hat Kalbitz an einem Pfingsttreffen dieser zwei Jahre später verbotenen Organisation teilgenommen, sich das nach eigenen Angaben nur mal aus Interesse angesehen. Richtig in der HDJ mitgemacht zu haben, verneint er, obwohl er auf einer Liste dieser Neonazitruppe verzeichnet ist.

Die Auseinandersetzung um den eventuellen Verbleib des Abgeordneten in der AfD zieht sich schon seit 2020 hin und läuft in Eil- und Hauptsacheverfahren durch die Instanzen. Dass Kalbitz vor dem Landgericht Berlin am Freitag wieder einmal unterliegt, kommt für seinen Anwalt Andreas Schoemaker nicht überraschend. Man müsse noch zwei Instanzen höher gehen, meint Schoemaker.

Der in dieser Sache für die AfD tätige Anwalt Steinhöfel glaubt aber nicht, dass Andreas Kalbitz dort mehr Glück haben werde. Er glaubt auch nicht, dass Kalbitz das wirklich versuchen möchte und sich überhaupt leisten könne. Die Sache sei »rechtlich aussichtslos«, ist Steinhöfel überzeugt. Er vermutet, dass Kalbitz nur Zeit gewinnen wolle, hier ein politisches Spiel treibe und darauf spekuliere, dass beim nächsten Bundesparteitag in einigen Monaten ein noch einmal weiter rechts stehender Vorstand gewählt werde. Der würde ihn dann vielleicht nicht mehr hinausdrängen wollen und ihm mit Hilfe von Winkelzügen die Rückkehr in die Partei ermöglichen. Alles andere ist für Steinhöfel nicht plausibel.

Für Winkelzüge stünde der Anwalt allerdings nach eigenem Bekunden nicht mehr zur Verfügung. Er hat sich nach dem Abgang des alten Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen extra noch beim Vorstand rückversichert, dass sich an dem Ziel, Kalbitz aus der AfD draußen zu halten, nichts geändert habe. »Ich würde mich in keiner Weise daran beteiligen, Herrn Kalbitz den Weg zurück in irgendeine Partei zu ermöglichen«, betont Steinhöfel. Er sagt, er sei selbst früher einmal in der SPD gewesen und jetzt parteilos. Den Fall habe er für die AfD übernommen, weil Rechtsprofessoren einschätzten, Kalbitz werde vor Gericht glasklar gewinnen. Es habe ihn als Jurist gereizt, das Gegenteil zu beweisen.

Ein Hoffnungsschimmer für Kalbitz könnte sein, dass Parteichef Meuthen Ende Januar aus der AfD austrat und ihm als Widersacher nun nicht mehr im Wege steht. Kalbitz war früher Beisitzer im Bundesvorstand sowie Fraktionschef und Landesvorsitzender in Brandenburg. Die neue Landesvorsitzende Birgit Bessin hält zu ihm. Zum neuen Fraktionschef Christoph Berndt sind keine inhaltlichen Differenzen zu erkennen, wohl aber persönliche Animositäten. Spätestens als Kalbitz seinen Fraktionskollegen Dennis Hohloch mit einem angeblich freundschaftlich gemeinten Fausthieb auf die Milz krankenhausreif schlug, verprellte er damit viele seiner Parteifreunde. Er galt nach dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke als zweitwichtigster Mann im völkischen Flügel der AfD, den es offiziell inzwischen nicht mehr gibt.

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