Ausweichstrecke nach Polen

Studie zum Ausbau der Bahnverbindung Berlin-Kostrzyn in Auftrag gegeben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Strecke von Berlin über Müncheberg nach Kostrzyn in Polen sollte durchgehend zweigleisig, elektrifiziert und für Tempo 160 ausgebaut werden. Dieser Ansicht sind die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Verkehrsverbund VBB. Doch alle Anläufe, das Projekt in den Bundesverkehrswegeplan hineinzubekommen und so die Finanzierung der Baumaßnahmen zu sichern, sind bislang gescheitert. Darum erteilten die Länder und der VBB nun einem Planungsbüro den Auftrag, einen Fahrplan für einen stufenweisen Ausbau zu erstellen, damit das Vorhaben in Förderprogramme des Bundes und der EU aufgenommen werden könne. Das teilte der VBB am Dienstag mit. Das Planungsbüro soll Daten zusammentragen und beim Landkreis Märkisch-Oderland, bei der Woiwodschaft Lubuskie, bei Firmen mit Gleisanschluss sowie bei Gemeinden und Interessenverbänden den Bedarf abfragen.

Denkbare Verbesserungen sollen für den Zeitraum bis 2036 und danach dargestellt werden. Bis 2036 sollte laut VBB eine Ablösung der Dieselzüge möglichst durch eine Elektrifizierung der Strecke gelingen oder - falls das nicht zu bewerkstelligen sei - durch den Einsatz von Zügen mit alternativem Antrieb. Ab 2036 soll daran gearbeitet werden, eine durchgehend zweigleisige, elektrifizierte und für Tempo 160 geeignete Strecke zu bekommen. Das Büro soll detailliert die einzelnen Infrastrukturmaßnahmen prüfen, deren Kosten kalkulieren und geeignete Förderprogramme benennen. Die Erarbeitung des Stufenkonzeptes soll voraussichtlich Anfang 2023 abgeschlossen sein.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) versteht das Anliegen, mit einer Studie Druck zu machen. Ihm geht aber alles viel zu langsam. So wäre das Ziel vor dem Jahr 2038 nicht zu erreichen, bedauert er. »Da bin ich 76 Jahre alt«, rechnet er »nd« vor. »Ich möchte es noch erleben.«

Schon als Görke brandenburgischer Finanzminister war, also in den Jahren 2014 bis 2019, habe sich Brandenburg darum bemüht, dass der Ausbau der Strecke nach Kostrzyn in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird. Der Bund habe immer abgewunken und gemeint, diese Verbindung habe lediglich regionale Bedeutung und sei deshalb kein Bundesverkehrsweg. »Stimmt nicht«, sagt Görke. Schließlich handele es sich um eine grenzüberschreitende Bahnverbindung. Jetzt wäre es an der Zeit, nicht länger zu zaudern, findet der Politiker. »Es wird immer von der Verkehrswende geredet. Hier muss man endlich mal Nägel mit Köpfen machen.« Görkes Vorschlag: Die Länder Berlin und Brandenburg sollten in Vorleistung gehen und die Planungen des Ausbaus zunächst aus eigener Tasche bezahlen. Geklappt habe dies bereits beim Ausbau der Bahnstrecke Berlin-Szczecin. Da hätten Berlin und Brandenburg zwei Mal 50 Millionen Euro vorgestreckt. Mit solchen finanziellen Argumenten ließe sich der Bund vielleicht überzeugen.

Nach Ansicht des Bundestagsabgeordneten ist durch die Eröffnung der Tesla-Autofabrik in Grünheide (Oder-Spree) eine neue Lage entstanden. Diese Fabrik hat einen Gleisanschluss an die Strecke von Berlin über Erkner und Frankfurt (Oder) nach Warschau. Tesla-Boss Elon Musk habe angekündigt, Material auf dem Schienenweg heranschaffen zu wollen. Auch sollen dort mehr Personenzüge verkehren. Perspektivisch würde das zu einer Überlastung der Strecke führen. In dieser Einschätzung sind sich Görke und der Verkehrsverbund VBB einig. Weiter nördlich könnte der Schienenstrang nach Kostrzyn für Entlastung sorgen, wenn er ordentlich ertüchtigt wird.

Südlich gibt es, so führt Görke am Dienstag aus, eine zweite Ausweichstrecke nach Polen: von Leipzig kommend über Cottbus und Guben nach Poznań. Bis Guben sei diese Strecke bereits zweigleisig und elektrifiziert, erläutert Görke. Noch eingleisig seien die letzten 2,5 Kilometer vor der polnischen Grenze und die Abschnitte dahinter. Hier müsse auch etwas getan werden. Es solle auch etwas geschehen. Diese 2,5 Kilometer auf deutscher Seite sollen mit Mitteln für den Strukturwandel im Lausitzer Braunkohlerevier gemacht werden. »Sollen«, betont Görke. »Da gibt es nach wie vor keine Klarheit«, bedauert er.

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