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Arme Pendler werden ärmer
Brandenburger haben geringere Löhne und die längsten Wege zur Arbeit
109 Kilometer legt der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (Linke) mit dem Auto zurück, wenn er von zu Hause in Templin nach Potsdam zu Landtagssitzungen fährt. Bei den explodierten Preisen für Dieselkraftstoff muss er dann mehr als 100 Euro für eine Tankfüllung bezahlen. »Noch vor wenigen Monaten war ich bei etwas über 70 Euro«, erzählt er. Was der Politiker finanziell noch verkraften kann, ist für Menschen mit geringem Einkommen eine Katastrophe. Sie sagen ihm sehr deutlich, »dass sie sich überlegen müssen, wo sie noch sparen können oder ob es sich noch lohnt, arbeiten zu fahren«. Büttner weiß: »Gerade im ländlichen Raum, wo der öffentliche Personennahverkehr nur gering ausgebaut ist, werden die hohen Preise im gesamten Energiesektor langsam zu einer existenziellen Frage.«
Insbesondere in Brandenburg ist das ein Thema. Denn wie der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) durch eine parlamentarische Anfrage bei Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) herausfand, hat niemand in der Bundesrepublik so weite Wege zur Arbeit wie die Berufspendler aus Brandenburg. 29,5 Kilometer müssen sie im Durchschnitt zurücklegen, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, geht aus der »nd« vorliegenden zwölfseitigen Antwort von Lindners Parlamentarischer Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) hervor.
Im Bundesdurchschnitt beträgt die Entfernung zum Arbeitsort 23,4 Kilometer. In Hamburg sind es sogar nur 17,6 Kilometer. Zugegeben, das ist ein Stadtstaat mit kürzeren Wegen, aber im großen Flächenland Baden-Württemberg sind es auch nur 20,9 Kilometer. Das sind Zahlen aus dem Jahr 2017, neuere seien noch nicht verfügbar, teilte Hessel dem Abgeordneten Görke mit. Brandenburgs Berufspendler treffen die hohen Spritpreise besonders hart – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Sie müssen nicht nur weiter fahren und entsprechend öfter tanken. Sie verdienen auch noch weniger. 3684 Euro im Monat betrug der durchschnittliche Bruttolohn im vergangenen Jahr in Brandenburg. Bundesweit waren es 4514 Euro.
Damit nicht genug. Görke ließ sich die zurückgelegten Entfernungen nach Einkommensgruppen aufschlüsseln. Für die Vielverdiener in Brandenburg mit einem Jahreseinkommen ab 200 000 Euro sind es nur 27,3 Kilometer, für Leute mit anständigen Löhnen ab 50 000 Euro und solche mit sehr gutem Einkommen ab 100 000 Euro sind es wenig mehr als 30 Kilometer. Dagegen müssen ausgerechnet die Niedriglöhner mit unter 10 000 Euro 31,1 Kilometer zurücklegen und entsprechend hohe Tankstellenrechnungen bezahlen.
Solchen Menschen nutzt es auch überhaupt nichts, dass die Bundesregierung die Berufspendler über eine Änderung bei der Pendlerpauschale entlasten will. Nach einem Kabinettsbeschluss, der den Bundestag noch nicht passierte, dürfen ab dem 21. gefahrenen Kilometer künftig 38 Cent in der Steuererklärung geltend gemacht werden. Bisher waren es lediglich 35 Cent. Rückwirkend zum 1. Januar 2022 soll das gelten. Außerdem soll der sogenannte Pauschbetrag von 1000 auf 1200 Euro im Jahr erhöht werden. Dahinter verbergen sich die sogenannten Werbungskosten beispielsweise für Büromaterial, aber auch fürs Pendeln. Erst wenn die 1200 Euro überschritten sind, lohnt es sich für Arbeiter und Angestellte, deswegen eine Steuererklärung zu machen.
Schlimm genug, dass die beabsichtigte Entlastung am größten ist für die Reichen mit Steuersätzen von 42 oder 45 Prozent und für andere entsprechend geringer. Die Ärmsten haben überhaupt nichts davon, weil gar keine Steuern zahlt, wer weniger als 10 347 Euro im Jahr verdient. Und damit wird er jetzt auch nicht steuerlich entlastet.
»Die Bürger von Mondpreisen an den Zapfsäulen zu entlasten, ist richtig«, bestätigt der Bundestagsabgeordnete Görke. Aber anstatt die Pendlerpauschale grundsätzlich anzupacken, verstärke die Koalition aus SPD, Grünen und FDP den Konstruktionsfehler dieser Pauschale. Görke hebt hervor: »Die Pendler legen in Brandenburg im Schnitt die weiteste Strecke zurück, bekommen aber aufgrund des geringen Lohnniveaus eine vergleichsweise geringe Entlastung. Insofern ist man in Brandenburg doppelt gebeutelt.«
Komplett angeschmiert ist beispielsweise eine Kassiererin, die Teilzeit arbeitet und nur 9500 Euro im Jahr verdient. Sie muss die gestiegenen Spritpreise aus eigener Tasche bezahlen. Ihr hilft niemand. Görke möchte aber helfen. Er verlangt, die Pendlerpauschale durch ein Mobilitätsgeld von zehn Cent je Kilometer zu ersetzen, das bereits ab dem ersten gefahrenen Kilometer und an alle in gleicher Höhe ausgezahlt wird. Die Verkäuferin bekäme die Summe also überwiesen und nicht von imaginären Steuern abgezogen, die sie ohnehin nicht zahlt.
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