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Die erste an der Spitze
Yasmin Fahimi wird am Montag zur neuen DGB-Chefin gewählt
Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag um 14 Uhr auf die Bühne geht und vor Gewerkschaftsmitgliedern spricht, wird Reiner Hoffmann nicht mehr der oberste Arbeitnehmervertreter der Republik sein. Denn am Vormittag zuvor wird auf dem 22. Ordentlichen Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ein neuer Vorstand gewählt. Hoffmann, der mit 66 Jahren abtritt, wird dann von Yasmin Fahimi abgelöst.
Damit beginnt eine neue Zeit beim DGB. Yasimin Fahimi wird nach über 70 Jahren die erste Frau an der Spitze des DGB sein. Noch dazu hat sie einen Migrationshintergrund. Ihr Vater, der noch vor ihrer Geburt bei einem Autounfall starb, kam aus dem Iran. Es sind Hoffnungen mit der Wahl der 54-Jährigen verbunden, dass sie den DGB an der Spitze moderner und weltoffener macht.
Doch gerade linke Gewerkschafter*innen dürften gegenüber ihrer Person skeptisch sein. Schließlich hat sie – wie viele Gewerkschaftsgranden – nicht nur ein SPD-Parteibuch, sondern war bis zuletzt aktive Politikerin. Und das in einer Zeit, in der die Sozialdemokraten den Bundeskanzler stellen. Es besteht also die Angst, dass der DGB zur Außenstelle der Regierungskoalition wird.
Fahimi begann ihre Karriere bei der dem rechten Gewerkschaftsspektrum zugeordneten Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Sie ist zudem mit IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis liiert. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde sie Anfang 2014, als die SPD sie zur Generalsekretärin wählte. Von Anfang 2016 bis September 2017 war sie dann im Bundesarbeitsministerium Staatssekretärin unter Andrea Nahles. Zuletzt saß sie für die Sozialdemokraten im Bundestag.
»Olaf Scholz kennt mich viel zu gut. Er weiß, dass er keinen Schmusekurs kriegt«, sagte die designierte DGB-Chefin zwar nach ihrer Nominierung im Interview mit der »Süddeutschen Zeitung«. Doch ob das wirklich so kommen wird, muss sie erst noch beweisen. Insbesondere der Ukraine-Krieg könnte da entscheidend sein. Dass die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro aufgepeppelt werden soll, während für die Pflegekräfte oder soziale Belange angeblich kein Geld vorhanden ist, kommt auch an der Basis der Gewerkschaften nicht gut an.
»Besser hätte es für Bundeskanzler Olaf Scholz und seine sozialdemokratischen Strategen nicht laufen können«, schrieb die »Wirtschaftswoche« unter dem Titel »Olafs rote Kämpferinnen« über Fahimis Nominierung und Nahles’ Wechsel an die Spitze der Bundesagentur für Arbeit. Zwar sei das Votum der acht großen Einzelgewerkschaften für die Neubesetzung der DGB-Spitze keine Entscheidung der Bundesregierung. Aber für das in den vergangenen Jahren doch recht wechselhafte Verhältnis zwischen SPD und Arbeitnehmervertretern könne es nur gut sein, wenn der Vorsitz des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum ersten Mal von einer Frau und dann auch noch von einer aktiven Berufspolitikerin in Diensten der Genossen übernommen wird.
Andererseits wird sie nicht als Ja-Sagerin, sondern als sehr toughe, durchsetzungsstarke Frau beschrieben, die Auseinandersetzungen nicht scheut. So wechselte sie einst von der SPD-Parteizentrale ins Bundesarbeitsministerium, weil sie sich zuvor mit dem damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel über den Umgang mit der rechtsextremen Pegida-Bewegung angelegt hatte. Während Gabriel mit dieser diskutieren wollte, war Fahimi dafür, klare Kante gegen Rechts zu zeigen.
In Gewerkschaftskreisen wird es deswegen als wichtiges Signal angesehen, dass mit Fahimi jemand an die Spitze des DGB gewählt wird, die auch eigene Rassismuserfahrungen hat. »Es ist ein Unterschied, ob das einen selbst betrifft oder nicht«, heißt es aus dem Umfeld der Verdi-Bundesverwaltung in Berlin.
Schließlich wird das Engagement von Kolleg*innen mit Migrationshintergrund für die Gewerkschaften immer wichtiger. Zwar gibt es keine aktuellen Erhebungen, wie viele Gewerkschaftsmitglieder eine Migrationsgeschichte haben. Doch eine Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass dies für rund 22 Prozent der IG-Metall-Mitglieder zutraf. Außerdem engagierten sich diese Mitglieder überdurchschnittlich oft in der betrieblichen Mitbestimmung. Doch an der Spitze des DGB spiegelt sich das noch nicht wider. Zurzeit wird mit Niedersachsen – Bremen – Sachsen-Anhalt lediglich einer von neun DGB-Bezirken von einem Menschen mit Migrationshintergrund geleitet.
Insofern wird Fahimi durchaus zugetraut, eigene Akzente setzen, sich profilieren und den DGB wieder politischer machen zu können. Doch allein schon wegen des langwierigen Nominierungsprozesses wird sie es da nicht leicht haben. Dass eine Frau Reiner Hoffmann als DGB-Chefin beerben sollte, war schon lange abgemacht gewesen. Außerdem war eigentlich die IG Metall an der Reihe, den DGB-Vorsitz zu stellen. Deswegen galt zunächst Christiane Benner, die stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, als Favoritin. Doch die winkte ab, weil sie lieber ganz an die Spitze der IG Metall will. Daraufhin warf Fahimis Lebensgefährte IG-BCE-Chef Vassiliadis seinen Hut in den Ring. Doch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi blockierte ihn.
Fahimi haftet also der Makel an, in manchen Augen nur zweite Wahl zu sein. Deswegen ist es für sie umso wichtiger, dass sie am Montag mit einem möglichst guten Ergebnis gewählt wird. Denn dass sie gewählt wird, ist sicher. Schließlich gibt es keine Gegenkandidatin.
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