- Kommentare
- Rekommunalisierung
Nicht blind zugreifen
Nicolas Šustr über den möglichen Rückkauf des Berliner Wärmenetzes
Die anhaltende Umstrukturierung des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall könnte sich als Glücksfall für Berlin erweisen. Sollte das Unternehmen tatsächlich zu dem Schluss kommen, sich vom Wärmenetz der Hauptstadt – das größte westlich von Warschau – zu trennen, könnte das Land einen der großen Fehler der 90er Jahre, den damaligen Bewag-Verkauf, ausbügeln. Die Fernwärme ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Direkte Kontrolle ermöglicht es Berlin, den Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter energischer voranzutreiben.
Gleich drei Beweggründe spielen für Vattenfall wohl eine Rolle bei dem möglichen Ausstieg. Zum einen die massiven Investitionen, die die Dekarbonisierung der Fernwärme in den nächsten Jahrzehnten erfordern wird. Denn angesichts des Willens der neuen Bundesregierung, Erneuerbare massiv voranzubringen, könnte es für den Staatskonzern attraktiver sein, in weitere Windräder und Solarflächen zu investieren – mit besseren Gewinnmargen. Zum anderen knabbert Vattenfall weiter an den milliardenschweren Verlusten aus dem vollkommen überteuerten Kauf des niederländischen Gas- und Stromversorgers Nuon vor vielen Jahren. Und schließlich kann der Konzern auf dem Weg zu seinem politisch vorgegebenen Ziel, selbst fossilfrei zu werden, schneller vorankommen. Das hatten die Schweden schon beim Verkauf der Braunkohleaktivitäten in der Lausitz vor einigen Jahren vorgemacht.
Berlin darf aber nicht den Fehler begehen, Vattenfall den Exit aus den Wärmeaktivitäten in der Hauptstadt zu vergolden und so die Bevölkerung für jahrzehntealte politische Fehler über Gebühr bezahlen zu lassen.
Eine Rekommunalisierung des Wärmenetzes ist sehr sinnvoll. Auch, weil es nicht nur ein Netzmonopol gibt, sondern wie beim Wasser die Kundinnen und Kunden keine Wahl bei der Wahl des konkreten Wärmelieferanten haben. Nicht ohne Grund zweifeln die Grünen aber daran, ob die von SPD und Linke geforderte Rekommunalisierung des Gasnetzes auch vorangetrieben werden sollte. Derzeit ist nämlich vollkommen unklar, wie dessen Zukunftsaussichten sind.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.