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Fotos aus dem Pflegeheim
Brandenburgs Datenschutzbericht dokumentiert Probleme der Digitalisierung
Bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichts 2022 gab Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge am Montag zu, mit ihrer Behörde an Grenzen zu stoßen. Verstöße und Probleme im Internet dominieren inzwischen alles andere.
»Ich bin nicht so frustriert, wie Sie vielleicht erwartet haben, sonst könnte ich meine Arbeit auch nicht machen«, sagte Hartge im Landtag. Doch angesichts der Vielzahl der Beschwerden, die sich auf das Internet beziehen, »laufen wir nur noch hinterher«. Hartge bedauerte, vielen Menschen nicht mehr die Antworten in der Qualität und auch in der Geschwindigkeit geben zu können, auf die sie eigentlich ein Recht hätten. Die alle Welt durchdringende Digitalisierung bedeutet ihr zufolge, »dass der Datenschutz nicht mehr hinterherkommt«.
Ja, es gibt sie noch, die Akte mit personenbezogenen Daten, die auf das Autodach gelegt und beim Losfahren vergessen wird. Auch werden Datenträger mit Aufnahmen von Kindern aus Kitas gestohlen oder ein Vereinsvorsitzender veröffentlicht unberechtigt private Post im Schaukasten des Vereins. Aber solche Dinge sind beinahe noch Randerscheinungen angesichts der Flut an Datenschutzverstößen im Internet. Besonders heikel war für die Behörde während der Corona-Pandemie der Umgang mit der Luca-App, die Kontaktdaten sammelte. Die App habe angeblich die Gesundheitsämtern bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen unterstützt sollen und sei mit dem Versprechen angetreten, den Bürgern ein Stück Freiheit zurückbringen. Dass sie geeignet gewesen wäre, »hat die Luca-App nicht nachgewiesen«, sagte Hartge. Bei einer Umfrage sei festgestellt worden, dass keinerlei hinreichende Vorkehrung getroffen worden seien, um die eingegebenen Kontaktdaten mit Hilfe der Luca-App datenschutzkonform zu verarbeiten. Dennoch habe das Gesundheitsministerium lange an ihr festgehalten. Nur ein einziger Landkreis in Brandenburg nutzte die Luca-App. »Sie war also noch nicht einmal besonders erfolgreich.«
Nicht ganz so bekannt wie die Luca-App war das ebenfalls in Gesundheitsämtern eingesetzte Datenverarbeitungsprogramm SORMAS. Den Umgang damit bezeichnete Hartge als »unglaublich« und als »Trauerspiel«. Datenschutzhinweise seien nicht beachtet worden, der Staat habe
verantwortet, dass dieses Produkt dennoch und damit letztlich rechtswidrig »an den Start« gegangen sei. Die Datenschutzbehörde sei mit ihren Einwänden auf taube Ohren gestoßen. Es bleibe zu hoffen, dass die Mängel bei SORMAS irgendwann Vergangenheit seien und dass man »damit normal arbeiten kann«.
»Wer ein Internet-Angebot besucht, bekommt in der Regel nicht mit, dass eine Vielzahl personenbezogener Informationen an Hunderte von Unternehmen übermittelt und ausgewertet werden«, heißt es von Hartges Behörde. Der Normalverbraucher klicke mehr oder weniger gedankenlos »Akzeptieren« an, weil alles andere für ihn umständlich wäre. Aber: »Datenschutzrechtlich wirksam ist eine Einwilligung nur dann, wenn die Auswahl in gleichrangiger Weise angeboten wird.« Ein Medienhaus hat Datenschützerin Hartge zufolge bis zu 500 sogenannte Cookies eingesetzt, die rund 150 Partnerfirmen mit den Daten der Leser belieferten. In der Regel sei den Betroffenen nicht klar gewesen, was ihre Einwilligung bedeutet und »was mit den Daten eigentlich passiert«.
Hartges Mitarbeiter Frank Jendro kam auf die problematische Nutzung des Nachrichtendienstes WhatsApp in einem Pflegeheim zu sprechen. Die dienstliche Kommunikation und die Kommunikation der Heimbewohner mit ihren Angehörigen seien kaum zu trennen gewesen. Ausgetauscht wurden dabei neben innerbetrieblichen Daten zum Beispiel auch Gruppenfotos der Pflegebedürftigen.
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