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Im Maschinenraum der Meinungsmanipulation

Die sechsteilige Doku »Lüge und Wahrheit« skizziert die Macht der Information und reist dafür von Ramses II zu Trump I

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Geschichte der Kriegspropaganda geht zurück bis auf König Ramses II
Die Geschichte der Kriegspropaganda geht zurück bis auf König Ramses II

Propaganda halten viele vermutlich für ein relativ modernes Instrument zur Herrschaftssicherung. Der Erste Weltkrieg, der vom Aufstieg gedruckter Zeitungen zu Massenmedien begleitet wurde, gilt diesbezüglich als Ursprung publizistischer Meinungsmanipulation. Auch später waren es vornehmlich Konflikte von Korea über Ex-Jugoslawien bis Irak, Ruanda, Afghanistan, in denen Worte und Bilder gezielt zu Waffen der Propaganda wurden. Die Wirklichkeit von oben zu verdrehen ist also weit älter als Putins Lügen über den Angriffskrieg in der Ukraine. Wenngleich nicht halb so alt wie jene von Ramses II.

Vor knapp 3300 Jahren hat der ägyptische König die Schlacht bei Kadesch gegen das hethitische Heer verloren. Weil er das Gegenteil in Stein meißeln ließ, glaubten seine Untertanen über Generationen hinweg, ihr Monarch habe den Feind 1274 vor unserer Zeitrechnung glorreich geschlagen. Propagandistische Täuschung ist also keineswegs eine Erfindung der Neuzeit – das lehrt uns ZDF-Info gleich zu Beginn einer Geschichtsdokumentation, die ungeheuer aktuell ist.

»Lüge und Wahrheit« hat das Zweite den Sechsteiler getauft, könnte das erste Wort im Titel aber getrost streichen. Wenn sich fünf Regisseure durch ein halbes Dutzend Kommunikationssysteme von Verschwörungsideologien über Religion bis hin zum Kapitalismus wühlen, geht es schließlich selten um die Wirklichkeit, sondern um das, was autoritäre Hierarchien mit dieser anstellen. Beim Thema »Macht, Geld oder Krieg«, heißt es entsprechend im Vorspann, »stirbt die Wahrheit zuerst«.

In seiner Absolutheit ist dieser Satz zwar Unsinn, der auch nicht viel sinniger wird, weil die Sprecherin aus dem Off nach Rohrfrei-Reklame klingt. Aber es stimmt schon: Wer die sechsmal 45 Minuten am Stück sieht, glaubt in Macht‑, Geld- oder Kriegsfragen künftig keinem mehr trauen zu dürfen. In der Auftaktfolge etwa streift John Kantara die Geschichte bewaffneter Konflikte von den Gräueltaten des IS rückwärts zu König Ramses, voran zu den Propagandaschlachten zweier Weltkriege nach Vietnam, dessen Entlaubung direkt in amerikanische Wohnzimmer übertragen wurde.

In der zweiten Episode mit dem Titel »Religion« reist Regisseur Rudolph Herzog vom 11. September 2001 zweieinhalb Jahrtausende retour zum biblischen Exodus, bevor er mit der Hexenverfolgung jenes frauenfeindliche Lügengespinst enttarnt, das geradewegs in amerikanische Megakirchen von heute führt, wo PR-bewusste Prediger selbst heute noch die Evolution verfluchen. Riel Lazarus schildert daraufhin, was heutige Oligarchen wie die Koch-Brüder aus Donald Trumps Dunstkreis von den Medici oder auch Julius Caeser gelernt haben, bevor im vierten Teil der wirkmächtigste Player autokratischen Machterhalts ins Zentrum rückt.

Abgesehen von Standard-Schnickschnack zeitgenössischer Dokumentationen allerdings zeigt uns das Format beispielhaft, wie die Gegenwart der Propaganda mit ihrer Vergangenheit zusammenhängt. Kein Wunder, dass Donald Trump in fast jeder Folge aus dem Maschinenraum der Meinungsmanipulation grüßt. »Lüge und Wahrheit« ist kein leicht verdauliches Histotainment. Aber ein sehr gehaltvolles.

Verfügbar in der ZDF-Mediathek.

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