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Zu wenig Bahnen für null Euro
Fahrgastverband IGEB zweifelt an Senatswillen zur Verkehrswende
Berlin spielt weiter mit dem Gedanken, Abonnenten drei Monate zum Nulltarif fahren lassen. Während des Aktionszeitraums des 9‑Euro-Monatstickets ab Juni soll so »die Chance ergriffen werden, Neuabonnierende zu gewinnen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es aufgrund der Pandemie zu einem Rückgang bei den Abonnementenzahlen kam«, heißt es in einem aktuellen Bericht der Mobilitätsverwaltung an den Hauptausschuss. Dies würde das Land geschätzt 20 Millionen Euro kosten. Von einer kurzfristigen Ausweitung des Busangebots, wie es die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) kürzlich in einem internen Strategiepapier vorgeschlagen hatten, ist derzeit nichts mehr zu hören.
Die Tramverlängerung vom Hauptbahnhof zur Turmstraße wird für den möglichen Fahrgastansturm zu spät kommen, aber der Bau schreitet planmäßig voran. Am vergangenen Freitag ist das Gebäude des Gleichrichterwerks, das die rund zwei Kilometer lange Strecke mit Strom versorgt, übergeben worden; nun erfolgt der Innenausbau. Seit Dienstag werden die ersten Gleise in der Turmstraße vor dem Strafgericht Moabit betoniert, berichtet die BVG. Feste Daten für weitere Meilensteine möchte man »ungern« nennen, heißt es weiter, denn: »Bei einem Bauprojekt dieser Größenordnung können immer Dinge passieren, die vorher nicht geplant waren.« In Betrieb gehen soll die Verlängerung im ersten Halbjahr 2023.
»Es ist erfreulich, dass der Bau der Strecke zur Turmstraße planmäßig voranschreitet. Aber eigentlich müssten mehrere Straßenbahnverlängerungen im Bau sein, damit Berlin seine Ziele der Verkehrswende erreichen kann«, sagt Jens Wieseke zu »nd«. Er ist Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB. »Ich erwarte von den Innenstadtbezirken auch mehr Engagement, um den Ausbau voranzutreiben«, so Wieseke weiter. Er spielt auf das nicht enden wollende Planfeststellungsverfahren zur Verlegung der Tramlinie 21 zum Ostkreuz an.
Der Fahrgastverband zweifelt bei mehreren aktuellen Vorhaben der Mobilitätsverwaltung daran, ob wirklich die Verkehrswende insgesamt vorangebracht wird. Kummer bereitet Wieseke beispielweise die angekündigte Radspur auf der Schönhauser Allee anstelle der bisher als Parkplatz genutzten dritten Spur. »Die Straßenbahn wird vermehrt im Stau stehen, weil das Parken auf der zweiten Fahrspur zu Lieferzwecken legalisiert wird und die Autos auf die Gleise ausweichen werden«, befürchtet die IGEB. Entweder sollen die Gleise markiert werden oder per Ampelschaltung die Züge vor der Autokolonne einfahren.
An der Haltestelle Milastraße müssen die Fahrgäste künftig die Radspur queren und dabei auf eine Lücke im Pedalstrom hoffen, um zur Bahn zu gelangen. Die IGEB fordert daher einen barrierefreien Ausbau. Sie schlagen vor, dass die Haltestelle auf den Mittelstreifen unter die Hochbahn verlegt wird. Bis es so weit ist, soll nach dem Willen der Fahrgastlobby der Radverkehr an dieser Stelle über den alten Radweg auf dem Bürgersteig geführt werden, um die Konfliktstelle zu entschärfen.
Der Fahrgastverband kritisiert auch die Ankündigung der Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne), dass wegen der schwierigen Haushaltslage nur 1000 statt der bisher vorgesehenen bis zu 1500 neuen U‑Bahn-Wagen beschafft werden sollen. »Die BVG braucht jetzt Planungssicherheit, um die nötigen zusätzlichen Werkstatt- und Abstellkapazitäten zu schaffen«, erklärt Wieseke. »Wir fordern die Koalitionsparteien und den Senat auf, die Verkehrswende nicht infrage zu stellen und den U‑Bahn-Fahrzeugbestand nicht nur zu erneuern, sondern ausreichend Mittel für zusätzliche Fahrzeuge und mehr Verkehrsangebote bereitzustellen.«
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