Macrons geplatzter Traum

Frankreichs Präsident fürchtet ohne neue Zentrumspartei um Mehrheit im Parlament

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 7 Min.

Die Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni in Frankreich werfen ihren Schatten voraus. Präsident Emmanuel Macron hat in dieser Woche in der Pariser Vorstadt Aubervilliers ein Strategie- und Wahlkampf-Kolloquium abgehalten. Dazu hat er die bisherigen Abgeordneten seiner Bewegung En marche und die neu aufgestellten Kandidaten versammelt. Bis heute stehen schon 502 Kandidaten für die landesweit 577 Wahlkreise fest, die der Zahl der Sitze in der Nationalversammlung entsprechen. Von den bisher 267 En marche-Abgeordneten wurden etwa 150 wieder aufgestellt. Während Macron 2017 weitgehend auf Vertreter der Zivilgesellschaft zurückgegriffen hatte, trifft das jetzt nur auf jeden zehnten der wieder aufgestellten und keinen einzigen der neu hinzugekommenen Kandidaten zu. Von den neuen Kandidaten kommen vier von der Partei der Republikaner, darunter der ehemalige Finanzminister Eric Woerth. Die hat sich gründlich zerstritten um die Frage, ob man mit Macron zusammenarbeiten sollte, wie es beispielsweise der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy befürwortet. Die von Politik-Veteran François Bayrou geführte Zentrumspartei Modem und die von Ex-Premier Edouard Philippe gegründete neue Partei Horizons wollten nicht in Macrons Bewegung aufgehen. So kam letztlich nur ein loses Wahlbündnis zustande. Von links sind diesmal keine Überläufer gekommen, aber das Regierungslager verschont demonstrativ den Sozialisten (PS) David Habib, indem man gegen ihn in seinem Departement Pyrénées-Atlantiques nur der Form halber einen schwachen und entsprechend aussichtslosen Kandidaten aufstellt und ihn damit gewissermaßen dafür belohnt, dass er öffentlich das linke Wahlbündnis und damit eine Unterordnung unter Mélenchons Bewegung La France insoumise vehement abgelehnt hat.

In seiner Rede griff Emmanuel Macron als Hauptgegner nicht Marine Le Pen an, sondern Jean-Luc Mélenchon und das von ihm geschmiedete Wahlbündnis Neue ökologische und soziale Volksunion (Nupes). Er machte sich über Mélenchons Hoffnung lustig, durch einen massiven Wahlerfolg der Volksunion ins Amt des Regierungschefs zu gelangen und in »Cohabitation« mit dem Präsidenten zu regieren. Macron bezeichnete das Wahlbündnis als »Linksextreme, die nur durch ein Ideal zusammengehalten werden, das eines negativen Wirtschaftswachstums«. Sie könnten sich ja nicht einmal über ein Thema wie die Atomkraft einigen, spottete der Präsident.

Der Politikwissenschaftler Brice Teinturier wertet diese Attacken als Ausdruck der Befürchtung Macrons, dass der Wahlkampf ganz im Zeichen der Konfrontation zwischen dem Regierungslager und dem linken Wahlbündnis Nupes stehen wird. »Damit würde Mélenchon de facto tatsächlich das, wovon er träumt – Oppositionsführer und Gegenspieler des Präsidenten«, meint Teinturier.

Das linke Wahlbündnis Nupes hat auch Probleme. In einigen Wahlkreisen wollen PS-Dissidenten nicht den Platz für den durch die Nupes dort eingesetzten Kandidaten räumen. Der KP-Nationalsekretär Fabien Roussel sorgte für Unruhe, als er sich in den Medien darüber beschwerte, dass in Vénissieux, einer Vorstadt von Lyon, durch die Nupes ein zweifelhafter Kandidat aufgestellt und dadurch eine vor Ort seit langem anerkannte KP-Politikerin ausgebootet wurde. Der umstrittene Kandidat Taha Bouhafs wurde von einem Gericht wegen rassistischer Hetze zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er in einer Fernsehdebatte eine Polizeigewerkschafterin als »Araberin vom Dienst« bezeichnet hatte. Das widerspreche der Absprache, nur unbescholtene Kandidaten aufzustellen, betonte Roussel. Diese Polemik zeugt einmal mehr von dem gespannten Verhältnis zwischen den Kommunisten und La France insoumise. Dabei haben sie – außer zur Atomkraft – weitgehend übereinstimmende Positionen, doch das selbstherrliche Auftreten Mélenchons und seine Neigung, die Kommunisten bestenfalls als »Juniorpartner« zu behandeln, stößt in der Partei auf immer mehr Widerstand. Daran war auch das Parteienbündnis Linksfront zerbrochen, das von 2008 bis 2016 bestanden hat. Und darum ist die KP in diesem Jahr trotz geringer Erfolgsaussichten mit einem eigenen Präsidentschaftskandidaten angetreten, während sie sich 14 Jahre lang hinter den Kandidaten Mélenchon eingereiht hatte.

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Die Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni in Frankreich werfen ihren Schatten voraus. Präsident Emmanuel Macron hat in dieser Woche in der Pariser Vorstadt Aubervilliers ein Strategie- und Wahlkampf-Kolloquium abgehalten. Dazu hat er die bisherigen Abgeordneten seiner Bewegung En marche und die neu aufgestellten Kandidaten versammelt. Bis heute stehen schon 502 Kandidaten für die landesweit 577 Wahlkreise fest, die der Zahl der Sitze in der Nationalversammlung entsprechen. Von den bisher 267 En marche-Abgeordneten wurden etwa 150 wieder aufgestellt. Während Macron 2017 weitgehend auf Vertreter der Zivilgesellschaft zurückgegriffen hatte, trifft das jetzt nur auf jeden zehnten der wieder aufgestellten und keinen einzigen der neu hinzugekommenen Kandidaten zu. Von den neuen Kandidaten kommen vier von der Partei der Republikaner, darunter der ehemalige Finanzminister Eric Woerth. Die hat sich gründlich zerstritten um die Frage, ob man mit Macron zusammenarbeiten sollte, wie es beispielsweise der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy befürwortet. Die von Politik-Veteran François Bayrou geführte Zentrumspartei Modem und die von Ex-Premier Edouard Philippe gegründete neue Partei Horizons wollten nicht in Macrons Bewegung aufgehen. So kam letztlich nur ein loses Wahlbündnis zustande. Von links sind diesmal keine Überläufer gekommen, aber das Regierungslager verschont demonstrativ den Sozialisten (PS) David Habib, indem man gegen ihn in seinem Departement Pyrénées-Atlantiques nur der Form halber einen schwachen und entsprechend aussichtslosen Kandidaten aufstellt und ihn damit gewissermaßen dafür belohnt, dass er öffentlich das linke Wahlbündnis und damit eine Unterordnung unter Mélenchons Bewegung La France insoumise vehement abgelehnt hat.

In seiner Rede griff Emmanuel Macron als Hauptgegner nicht Marine Le Pen an, sondern Jean-Luc Mélenchon und das von ihm geschmiedete Wahlbündnis Neue ökologische und soziale Volksunion (Nupes). Er machte sich über Mélenchons Hoffnung lustig, durch einen massiven Wahlerfolg der Volksunion ins Amt des Regierungschefs zu gelangen und in »Cohabitation« mit dem Präsidenten zu regieren. Macron bezeichnete das Wahlbündnis als »Linksextreme, die nur durch ein Ideal zusammengehalten werden, das eines negativen Wirtschaftswachstums«. Sie könnten sich ja nicht einmal über ein Thema wie die Atomkraft einigen, spottete der Präsident.

Der Politikwissenschaftler Brice Teinturier wertet diese Attacken als Ausdruck der Befürchtung Macrons, dass der Wahlkampf ganz im Zeichen der Konfrontation zwischen dem Regierungslager und dem linken Wahlbündnis Nupes stehen wird. »Damit würde Mélenchon de facto tatsächlich das, wovon er träumt – Oppositionsführer und Gegenspieler des Präsidenten«, meint Teinturier.

Das linke Wahlbündnis Nupes hat auch Probleme. In einigen Wahlkreisen wollen PS-Dissidenten nicht den Platz für den durch die Nupes dort eingesetzten Kandidaten räumen. Der KP-Nationalsekretär Fabien Roussel sorgte für Unruhe, als er sich in den Medien darüber beschwerte, dass in Vénissieux, einer Vorstadt von Lyon, durch die Nupes ein zweifelhafter Kandidat aufgestellt und dadurch eine vor Ort seit langem anerkannte KP-Politikerin ausgebootet wurde. Der umstrittene Kandidat Taha Bouhafs wurde von einem Gericht wegen rassistischer Hetze zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er in einer Fernsehdebatte eine Polizeigewerkschafterin als »Araberin vom Dienst« bezeichnet hatte. Das widerspreche der Absprache, nur unbescholtene Kandidaten aufzustellen, betonte Roussel. Diese Polemik zeugt einmal mehr von dem gespannten Verhältnis zwischen den Kommunisten und La France insoumise. Dabei haben sie – außer zur Atomkraft – weitgehend übereinstimmende Positionen, doch das selbstherrliche Auftreten Mélenchons und seine Neigung, die Kommunisten bestenfalls als »Juniorpartner« zu behandeln, stößt in der Partei auf immer mehr Widerstand. Daran war auch das Parteienbündnis Linksfront zerbrochen, das von 2008 bis 2016 bestanden hat. Und darum ist die KP in diesem Jahr trotz geringer Erfolgsaussichten mit einem eigenen Präsidentschaftskandidaten angetreten, während sie sich 14 Jahre lang hinter den Kandidaten Mélenchon eingereiht hatte.

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