Günther setzt auf die Grünen

In Schleswig-Holstein stehen alle Zeichen auf eine schwarz-grüne Koalition

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Als hätten sie es geahnt, dass sich die CDU am Montag für sie entscheidet, laden die Grünen vorausschauend bereits für den heutigen Dienstagabend zu einem Landesparteitag nach Neumünster ein. Einziger Tagesordnungspunkt: Soll die Partei mit der CDU über eine schwarz-grüne Koalition verhandeln? Eine Zustimmung gilt allein deshalb als Formsache, weil das Spitzenduo aus Monika Heinold und Aminata Touré für das Regierungsbündnis wirbt. Jenes Team zu beschädigen, das den Grünen bei der Landtagswahl mit 18,3 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte in Schleswig-Holstein bescherte, dürfte sich niemand an der Parteibasis trauen.

Dass Grüne und CDU jetzt miteinander in Sondierungs- und demnächst auch in Koalitionsverhandlungen treten, dafür hatte Daniel Günther am Montag in Kiel den Weg geebnet. Auf einer Sitzung des erweiterten Landesvorstands warb Schleswig-Holsteins Ministerpräsident für die schwarz-grüne Option und erteilte damit Verhandlungen mit der FDP eine Absage.

Nicht einmal die Liberalen rechnen noch damit, dass die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen in den nächsten Wochen scheitern. Vize-Landeschef Christopher Vogt schaltete unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung in den Oppositionsmodus und erklärte, eine schwarz-grüne Koalition bedeute mehr Schulden und Bürokratie und weniger Bürgerrechte.

Für die FDP war es die dritte Niederlage in nur zwei Wochen. Bei der Landtagswahl stürzte die Partei um mehr als fünf Punkte auf 6,4 Prozent ab, Günthers gescheiterter Versuch, zunächst über die Fortsetzung einer Jamaika-Koalition zu sondieren, erschien als rettender Anker. Insbesondere die Grünen aber machten deutlich, wie wenig sie von einem erneuten Dreierbündnis hielten.

Günther begründete seine Entscheidung damit, Schwarz-Grün im hohen Norden sei geeignet, auf Basis einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz den Umbau der Wirtschaft voranzutreiben. Ausdrücklich nannte der CDU-Landesvorsitzende wie schon im Wahlkampf das Ziel, mehr für den Klimaschutz und die Energiewende tun zu wollen. Stichworte, die den Grünen gefallen. »Auf Grundlage unserer ersten Sondierungsgespräche gehen wir davon aus, dass wir eine gute gemeinsame Grundlage für ein schwarz-grünes Bündnis finden werden«, sind dann auch Heinold und Touré überzeugt. Nach nur einer Sondierungsrunde zwischen CDU und Grünen am Dienstag hieß es dann auch recht schnell: Beide Parteien wollen noch diese Woche in konkrete Koalitionsgespräche einsteigen.

Helfen dürfte den Grünen, dass eine in den eigenen Reihen umstrittene Entscheidung noch unter Jamaika beschlossen und damit für Verhandlungen abgeräumt wurde. Bereits Ende April hatte der Kieler Landtag eine Änderung des Landeswassergesetzes beschlossen, um den Bau eines geplanten Flüssiggas-Terminals in Brunsbüttel zu beschleunigen. Die Grünen-Basis war dagegen, die Landtagsfraktion stimmte dennoch dafür. Debatten dürfte es aber darüber geben, wie es mit Deutschlands einziger Ölbohrinsel weitergeht, die sich im Wattenmeer vor Friedrichskoog befindet. Betreiber Wintershall Dea will die Plattform ausbauen, die CDU unterstützt die Pläne auch unter Verweis auf die deutsche Energieunabhängigkeit von Russland. Bereits im März bekannte sich die Jamaika-Koalition zu den Plänen. Die Grünen konnten damals immerhin durchsetzen, dass die Förderung früher als wie bisher 2041 geplant enden soll. Das Problem: Ein konkretes neues Ausstiegsdatum gibt es bisher nicht.

Ebenfalls nicht unproblematisch dürften die Gespräche über ein von der CDU gefordertes Infrastrukturprojekt verlaufen. Günther machte im Wahlkampf die Zustimmung zum Weiterbau der Autobahn 20 um mehr als 200 Kilometer bis nach Niedersachsen zu einer Bedingung für eine neue Regierung. Die Grünen sind bisher lediglich für eine deutlich kürzere Verlängerung zu haben.

Mit dem starken Ergebnis von 18,3 Prozent bei der Landtagswahl dürften Touré und Heinold ihrerseits selbstbewusst in die Verhandlungen gehen. Ein Zugeständnis der CDU könnte sein, den zuletzt ins Stocken geratenen Ausbau der Windenergie voranzutreiben. In einem im Wahlkampf präsentierten Sofortprogramm legten die Grünen ihre Schwerpunkte für das erste Jahr in einer neuen Regierung fest. Weit vorne findet sich darin die Forderung nach einem Klimaschutz- und Wärmewendefonds über 500 Millionen Euro und der Abbau von Bürokratie zur Genehmigung von Solaranlagen. Auch sollen Konzepte für eine Mobilitätsgarantie entwickelt werden – keine leichte Aufgabe in einem eher dünn besiedelten Flächenland wie Schleswig-Holstein.

Was es davon in einen schwarz-grünen Koalitionsvertrag schafft, werden die nächsten Wochen zeigen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.