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  • Urteil des Bundesgerichtshofs

Chancen für Modrow-Kaufverträge mit (teil-)nichtigem Vorkaufsrecht?

Im Ratgeber Nr. 813 vom 12. September 2007 begann unser Autor, Rechtsanwalt Prof. Dr. DIETRICH MASKOW, Berlin-Mitte, mit der Erläuterung eines Urteils des Bundesgerichtshofs zu den Grundstückskaufverträgen nach dem so genannten Modrow-Gesetz. Im ersten Teil beschäftigte er sich mit den Hintergründen. Im zweiten Teil geht es um Möglichkeiten zu endgültiger Lösung.

Am 12. Dezember 2002 verkaufte eine Alleineigentümerin ein Grundstück, das sie mit einem Vertrag, der die in Teil 1 des Beitrags zuerst genannte Klausel beinhaltete, gekauft hatte, an einen Dritten, ohne das Land Berlin/den Liegenschaftsfonds darüber zu informieren. (Zur Erinnerung: »Die Erwerber verpflichten sich, das Grundstück nicht zu veräußern. Im Verkaufsfall muss das Grundstück dem Magistrat von Berlin zum Rückkauf angeboten werden, zu den jetzigen Vertragsbedingungen.«)
Der Liegenschaftsfonds machte klageweise Schadenersatz in Höhe des hälftigen Bodenwertes geltend. Nachdem das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, hat das Kammergericht auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Oktober 2006, Az. 20 U 119/05). Es war der Meinung, dass diese Klausel eine Rückkaufvereinbarung ist, die es aus verschiedenen, hier nicht zu erörternden Gründen für nichtig hielt.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist aber, dass der in diesem Fall entscheidende 20. Zivilsenat des Kammergerichts sich ausdrücklich von den früheren Entscheidungen anderer Senate desselben Gerichts, darunter der erwähnten Entscheidung des 1. Zivilsenats distanzierte, dass aus der Teilnichtigkeit dieser Klausel bzw. der in Teil 1 als zweite aufgeführten Klausel die Nichtigkeit des Vertrages insgesamt folgt. (Zur Erinnerung: »Die Erschienenen vereinbaren zugunsten des Magistrats von Berlin ein Vorkaufsrecht und beantragen die Eintragung in das Grundbuch. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts wird der Bodenpreis zur Anwendung gebracht, der in diesem Vertrag vereinbart war.«)
Der 20. Senat hatte die Revision zugelassen und der BGH hat in dem Revisionsurteil vom 22. Juni 2007 (Az. V ZR 260/06)das Urteil des KG aufgehoben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, so dass diese nach dem landgerichtlichen Urteil den hälftigen Bodenwert als Schadensersatz zu zahlen hat. Der BGH war der Meinung, dass die Rückkaufsvereinbarung nicht (vollständig) unwirksam ist, sondern mit der Maßgabe wirksam, dass der Rückkaufsanspruch innerhalb von 30 Jahren geltend gemacht werden kann.
Diese lange Befristung begründete der BGH damit, dass der Preisabschlag weit über 95 Prozent des Grundstückswertes betragen hatte. Der hälftige Verkehrswert ergibt sich aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz, zu dessen Bedingungen das Land Berlin den Kauf alternativ zu Modrow-Bedingungen angeboten hatte.
Von allgemeiner Bedeutung ist aber, dass der BGH in ausdrücklicher Abgrenzung zu den entgegengesetzten früheren Entscheidungen des Kammergerichts zum unbefristeten preislimitierten Vorkaufsrecht, das er als ähnlich ansah, ausführt:

»Selbst wenn eine unbefristete Rückkaufsverpflichtung nichtig wäre, führte das hier nicht zur vollständigen Nichtigkeit der Klausel oder des gesamten Vertrages (...).«
Der BGH führt aus, dass § 68 Abs. 2 ZGB der DDR, der die Möglichkeit der Teilnichtigkeit eines Vertrages vorsieht, § 139 BGB in der Zielsetzung entspricht. Er meint, dass diese Regelung auch dann anwendbar ist, wenn die Parteien anstelle der unwirksamen Regelung eine zulässige Regelung vereinbart hätten. Das hält er in dem entschiedenen Fall für gegeben, weil die Käufer bei Abschluss des Kaufvertrages die höchstzulässige Befristung des Rückkaufsrechts vereinbart hätten, wenn sie das zur Sicherung der Wirksamkeit des Vertrages als erforderlich angesehen hätten.
Nach wie vor sind einige Modrow-Kaufverträge nicht vollzogen und auch keine Nachbeurkundungen durchgeführt worden. Die neue Entwicklung der Spruchpraxis zeigt, dass es durchaus möglich erscheint, diese Verträge nunmehr zum grundbuchlichen Vollzug zu bringen. KG und BGH sind, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen, der Auffassung, dass aus der (Teil-)Nichtigkeit der den Weiterverkauf beschränkenden Klauseln nicht auf die Nichtigkeit des gesamten Vertrages geschlossen werden kann.

Was bedeutet das für die oben an zweiter Stelle genannte Klausel, die am häufigsten zur Anwendung gekommen ist?
Wenn man die Klausel insgesamt als nichtig ansieht, wäre der Eigentumsübergang gemäß Vertrag einzutragen, wie bei den frühen Modrow-Verträgen, die keine dieser Klauseln enthalten haben. Die Vorkaufsklausel würde unberücksichtigt bleiben.
Auch wenn man nicht so konsequent vorgehen will, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass das in der Klausel vorgesehene Vorkaufsrecht nicht in das Grundbuch eintragungsfähig ist. Der Teil der Klausel, der die Eintragung in das Grundbuch vorsieht, wäre deshalb als nichtig anzusehen.
Aber welche Wirkung entfaltet die Klausel im Übrigen? Sie könnte im Sinne einer Rückkaufsvereinbarung wie die erstgenannte Klausel interpretiert und diese so ausgelegt werden, wie der BGH das getan hat. Die Klausel in ihrer ursprünglichen Form war unbefristet. Sie wäre also, wie der BGH das bei der Rückkaufsvereinbarung getan hat, auf 30 Jahre zu befristen (von denen mittlerweile 17 Jahre abgelaufen sind).
Streng genommen bedeutet das: Wenn ein solcher Modrow-Käufer sich des Grundstücks vor Ablauf dieser 30 Jahre entledigen möchte oder muss, müsste er es dem Land Berlin, für das der Liegenschaftsfonds handelt, zum Erwerbspreis anbieten.
Die praktische Lösung dürfte jedoch in Folgendem liegen: Wenn jemand sein Grundstück vor Ablauf der Wirksamkeit der Beschränkungen verkaufen will, versucht er sich mit dem Liegenschaftsfonds über die Aufhebung der Vorkaufsrechtsklausel zu einigen. Das dürfte im Regelfall bedeuten, dass der halbe Verkehrswert des Grundstücks abzüglich des bereits gezahlten Betrages zu zahlen ist, denn der Käufer hat regelmäßig auch jetzt noch die Alternative, zu den Bedingungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes zu kaufen.
Für den Fall der nachbeurkundeten Modrow-Kaufverträge mit Auflassungsvormerkung hat der Liegenschaftsfonds Verhandlungen über die Zahlung eines, allerdings nicht näher definierten Ablösebetrages ausdrücklich angeboten (vergl. ND-Ratgeber Nr. 722 vom 14. Dezember 2005, S. 5). Hier ist die Sachlage fast identisch.
Unerwartete Schwierigkeiten bereitet allerdings das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (LAROV), wenn die regelmäßig erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung noch fehlt. Obwohl das LAROV die Erteilung dieser Genehmigung grundsätzlich nur davon abhängig zu machen hat, dass für das Grundstück kein Rückübertragungsanspruch besteht bzw. ein solcher bestandskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist, fühlt es sich unzulässigerweise bemüßigt, die Genehmigung zu verweigern, wenn der Vertrag ein preisgebundenes Vorkaufsrecht enthält.
Es ist sicher nicht zweckmäßig, dass die Betroffenen diese Probleme individuell lösen. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) hat sich dieser Problematik angenommen und ist bemüht, sie unter Bildung eines Ge...

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