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Grüne bekommen vom Regieren nicht genug
Landtagsfraktion empfängt zur Halbzeit der Legislaturperiode auch Gäste aus Berlin
Die Grünen wollen in Brandenburg auch nach der Landtagswahl 2024 Regierungspartei bleiben. Und sie wollen, wie Fraktionschef Benjamin Raschke am Dienstagabend eingangs hinzufügte, ihren Beitrag dazu leisten, »dass im nächsten Landesparlament nicht wieder 23 Nazis sitzen«. Der Empfang der zehnköpfigen Fraktion zur Halbzeit der Legislaturperiode in der Reithalle der Potsdamer Schiffbauergasse war groß und der erste seiner Art nach Corona.
»Wenn ihr ruft, dann kommen alle«, rief Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) bewundernd. Natürlich sind Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher und Umweltminister Axel Vogel (beide Grüne) vor Ort. Aber auch Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) ließen sich als Vertreter der Koalitionspartner blicken. Star des Abends aber war Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Die aus Hannover stammende, aber schon vor Jahren nach Potsdam gezogene Politikerin nahm in ihrem Grußwort auch zu den Auswirkungen ihrer Politik der schnellstmöglichen Abkehr von russischem Öl und Gas auf Brandenburgs Wirtschaft Stellung. Mit Blick auf die PCK-Raffinerie in Schwedt räumte sie ein, dass »gewisse Orte« besonders betroffen sein werden. Dies sei »nicht einfach«, aber auch eine »große Chance«. Baerbock versicherte: »Wir kümmern uns um Arbeitsplätze vor Ort.«
Europäische Friedensordnung zersprengt
Sie halte an dem Ziel fest, aus fossilen Brennstoffen auszusteigen, sofern Russland sie liefert. Alles andere bedeute, sich »erpressbar« zu machen. Russland habe durch seinen Angriff in der Ukraine die europäische Friedensordnung »zersprengt«, erklärte die Außenministerin. Man stehe in einer neuen Zeitrechnung, sei in einer neuen Welt aufgewacht. Aber Baerbock sagte an diesem Abend auch Dinge wie: Man dürfe das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sie nehme Kritik dankbar an und mitunter habe auch der andere recht.
Zuvor hatte Landtagsfraktionschefin Petra Budke selbstbewusst die Bilanz der zweieinhalbjährigen Regierungsbeteiligung der Grünen in Brandenburg gezogen – einer Partei, die hier traditionell einen schweren Stand hatte und bei der Landtagswahl 2019 auf 10,8 Prozent der Stimmen kam. Mit den Ergebnissen in den alten Bundesländern kann sich der Landesverband nicht messen. Als sich 1999 Deutschland unter einer rot-grünen Bundesregierung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien beteiligte, sprach sich ein Kleiner Parteitag von Brandenburgs Grünen für ein sofortiges Ende der Luftangriffe aus. Im Landtag war die Partei da schon nicht mehr vertreten und es sollte bis 2009 dauern, bis ihnen der Wiedereinzug gelang.
Selbstbewusst trotz Krisen
»Mit uns hat in Brandenburg ein neuer Politikstil Einzug gehalten«, einer mit dem alle drei Regierungspartner »gut leben können«, erklärte Budke. Ans Revers der Grünen heftete sie die Zunahme der Zahl der Frauenschutzräume, das Ortsteil-Budget, das »Riesenpaket Moorschutz«, den Pakt für die Pflege und andere Dinge.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sprach mit Blick auf die internationale Lage von Jugendlichen, die die Zukunft fürchten. Vor allem in dieser Altersgruppe sowie unter den Besserverdienenden finden die Grünen große Teile ihrer Anhängerschaft. Als Warnung ließe sich die Bemerkung von Paus verstehen, man solle sich hüten, lebensreifere Menschen aufs Altenteil abzuschieben. 58 Prozent der Wahlberechtigten seien über 50 Jahre alt. Von der Abschaffung der Altersarmut redete die neue Ministerin zwar nicht, aber davon, sie »eindämmen« zu wollen. Und es dürfe nicht länger so sein, dass arme Eltern verschämt Zuschüsse für die Klassenfahrt ihrer Kinder beantragen müssen. »Alle Kinder sollen die gleichen Chancen haben.«
Senatorin Jarasch dankte Brandenburgs Grünen für den Beschluss, die Energieversorgung der Hauptstadt in die eigenen Pläne einzubeziehen. »Diese Art von Solidarität ist nicht selbstverständlich.« Jarasch dankte auch Brandenburgs Infrastrukturminister Beermann für verschiedene Vereinbarungen und vor allem für das Vorhaben, die Potsdamer Stammbahn im Südwesten Berlins wiederzubeleben. »Es ist mir eine Ehre, als Bayerin die erste preußische Bahn wieder zu aktivieren«, erklärte Jarasch dazu.
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