Zivilschutz bleibt außen vor

Union setzt sich durch: Geplantes Sondervermögen wird ausschließlich für die Bundeswehr verwendet

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Paula Piechotta scheint eher ernüchtert in die neue Woche gestartet zu sein. »Zweidrittelmehrheiten sind immer schwierig zu erreichen und eine hohe Hürde. Heute sehen wir, warum es gut ist, dass wir diese übergroße Koalition nur für wenige Entscheidungen brauchen«, twitterte die Grünen-Bundestagsabgeordnete am Montagmorgen und dürfte damit die Laune ihrer Partei ganz gut widergespiegelt haben. Wenige Stunden zuvor, am Sonntagabend, hatten sich die Verhandlungsführer aus Ampel-Koalition und oppositioneller Union auf Details zum geplanten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr geeinigt, allerdings in einem wichtigen Punkt zum Leidwesen der Grünen und insbesondere all jener, die darauf gehofft hatten, zumindest ein Teil des vielen Geldes würde für zivile Zwecke ausgegeben.

Nun findet sich in der Einigung folgende Formulierung: »Notwendige Maßnahmen zur Cybersicherheit, Zivilschutz sowie zur Ertüchtigung und Stabilisierung von Partnern werden aus dem Bundeshaushalt finanziert.« Unter »Zivilschutz« versteht man alle nicht-militärischen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Kriegseinwirkungen. Bis zuletzt war über die Verwendung des Geldes gerungen worden, insbesondere zwischen Union und Grünen. Während jene das Sondervermögen ausschließlich dem Militär zugute kommen lassen wollen, streiten vor allem die Grünen für einen erweiterten Sicherheitsbegriff, der auch humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention mit einschließt. Nun soll dafür nicht das Sondervermögen, sondern der Bundeshaushalt herhalten – die 100 Milliarden Euro wiederum sollen offenbar ausschließlich in die Truppe gehen. Entsprechend frohgemut zeigte sich der CDU-Politiker Johann Wadephul: »Die demokratische Mitte hält zusammen. Konsens ist möglich«, jubelte der Verteidigungsexperte.

Unter dem Schlagwort »Zeitenwende« hatte Bundeskanzler Olaf Scholz das Sondervermögen in seiner Regierungserklärung kurz nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine im Februar angekündigt und dafür auch von der Union viel Applaus erhalten. In der Folge begannen allerdings die Schwierigkeiten: Um des Kanzlers Worten auch Taten folgen zu lassen, muss das Grundgesetz geändert werden. Denn: Eigentlich darf der Bund überhaupt keine Schulden in diesem Umfang machen. Die Schuldenbremse im Grundgesetz schreibt eine strenge Kreditobergrenze vor, die nur in Notlagen ausgesetzt werden darf. Deshalb soll im Grundgesetz verankert werden, dass die Schuldenbremse für das Bundeswehr-Sondervermögen nicht gilt. Die Ampel-Koalition will in den Artikel 87a einen neuen Absatz 1a einfügen: »Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten.« Dafür braucht Scholz allerdings eine Zweidrittelmehrheit beziehungsweise: die Union.

Also mussten der Kanzler und seine beiden kleinen Koalitionspartner auf die Union zugehen. Nun konnte sich Merz’ Truppe in diesem Punkt tatsächlich behaupten, sicher auch, weil SPD und FDP weniger Probleme mit deren Forderung gehabt zu haben scheinen. Etwas geknickt wirkte Katharina Dröge am Montag im Bundestag: Den Grünen sei wichtig gewesen, »dass Cybersicherheit und auch die Ertüchtung von Partnerinnen und Partnern aus dem Sondervermögen finanziert werden«, sagte die dem linken Flügel zugerechnete Ko-Fraktionschefin der Grünen – doch dazu sei die Union nicht bereit gewesen: »Sie hätte hieran eine Einigung scheitern lassen.« Das aber wollten die Grünen nicht provozieren: »In einer Zeit, in der die Sicherheit in Europa so herausgefordert ist wie jetzt, wäre es für uns keine Option gewesen, daran eine Einigung scheitern zu lassen.«

Der FDP wiederum war die Einhaltung der Schuldenbremse wichtig: »Wir stellen gemeinsam sicher, dass die Bundeswehr in den kommenden Jahren mit 100 Milliarden Euro zusätzlicher Investition gestärkt wird. Zugleich bleibt die Schuldenbremse für alle anderen Vorhaben erhalten«, twitterte Finanzminister Christian Lindner. Die Linke versperrt sich dem Aufrüstungsprogramm und der Zwei-Drittel-Mehrheit, mehrere Linke-Politiker forderten statt eines Sondervermögens für Aufrüstung eines gegen Kinderarmut. »Das Sondervermögen für die Bundeswehr lehnen wir ab, weil es keines der bestehenden Probleme behebt«, sagte Janine Wissler. Die 100 Milliarden würden »die Misswirtschaft bei der Bundeswehr« nicht beheben und den Menschen in der Ukraine letztlich nicht helfen, so die Parteivorsitzende: »Es nützt vor allem der Rüstungsindustrie, bei der in dieser Woche die Sektkorken knallen dürften.«

Einen anderen Punkt versuchte Dröge allerdings als Erfolg zu verkaufen: Das von den Nato-Staaten vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel werde nicht im Grundgesetz verankert. »Aus unserer Sicht sollte man die Ausrüstung der Bundeswehr an der Sache orientieren, nicht an Symbolen«, so die Abgeordnete. In den nächsten fünf Jahren werde man das Ziel, mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in den Verteidigungshaushalt zu stecken, wahrscheinlich erreichen. Danach wolle man sich aber daran orientieren, »was notwendig ist«. Die Union hatte ursprünglich eine Verankerung dieses Ziels in der Verfassung vorgeschlagen, war davon aber bereits vor einiger Zeit abgerückt. Auch die Erfüllung des Nato-Ziels war Teil der Scholz’schen »Zeitenwende«-Erklärung.

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