Run auf 9-Euro-Tickets

Allein die Berliner Verkehrsbetriebe haben bereits 520 000 Stück verkauft

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Für 9 Euro pro Monat bundesweit den Nahverkehr nutzen zu können, ist ein Knallerangebot. Kein Wunder, dass allein die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bis einschließlich Montag rund 520 000 der Wundertickets verkauft haben. Zehntausende weitere 9-Euro-Tickets dürfte die S-Bahn Berlin verkauft haben, dazu kommen im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) noch zahlreiche Verkehrsbetriebe und Regionalbahnbetreiber.

Zum Vergleich: S-Bahn und BVG haben über eine Million Abonnierende. Die Verkaufszahlen bedeuten natürlich nicht, dass plötzlich die Hälfte mehr an Stammkunden täglich Bahnen und Busse stürmen werden. Denn das Ticket lohnt sich schon, wenn man drei Einzelfahrten in Berlin im Monat plant.

»Es ist ein großes Experiment«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB zu »nd« über das 9-Euro-Ticket. Niemand weiß so genau, wie groß der Ansturm ausfallen wird. »Und wenn nicht jede und jeder von den Vorzügen des Öffentlichen Personennahverkehrs überzeugt werden wird, so wird dieses Experiment schonungslos die Engpässe des Systems zeigen«, erklärt Wieseke.

Die angekündigten Angebotsausweitungen sind auch bezogen auf die Gesamtleistung eher kosmetischer Natur. DB Regio kündigt an, die am Wochenende verkehrenden, normalerweise in Prenzlau oder Neustrelitz endenden Ausflugszüge RE3 und RE5 bis zur Ostseeküste zu verlängern. Weitere zusätzliche Züge sollen an Wochenenden auch zwischen Neustrelitz und Rostock sowie Angermünde und Stralsund fahren. Angesichts der schon ohne das Aktionsticket oft chaotischen Zustände auf den Verbindungen Berlin–Ostsee, gerade was die Fahrradmitnahme betrifft, wäre so ein Schritt bereits vorher angesagt gewesen.

Auch bei der S-Bahn wird das Angebot in homöopathischen Dosen verbessert. S1 und S7 fahren zwischen Zehlendorf und Wannsee beziehungsweise Westkreuz und Potsdam nun bis kurz nach 22 Uhr alle zehn Minuten. Bisher begann der 20-Minuten-Takt bereits gegen 21.30 Uhr auf den Abschnitten. Die Berufsverkehrsverstärker montags bis freitags auf S1, S3 und S5 fahren nun eine Stunde länger bis etwa 20 Uhr. In den Sommerferien ab 6. Juli entfallen sie aber weiterhin.

Die 9-Euro-Tickets sind jeweils für die Kalendermonate Juni, Juli und August erhältlich, es gibt sie nicht als gleitende Monatskarten. Die Mitnahme von Fahrrädern und Kindern ist ausgeschlossen. Im Gegensatz zu herkömmlichen VBB-Abos, Monats-, Tages- und Einzelfahrkarten sind sie auch nicht auf den normalerweise freigegebenen Fernzügen zwischen Potsdam und Cottbus über Berlin (ein Zugpaar), Berlin und Elsterwerda (zehn Zugpaare) sowie Berlin und Prenzlau (zwölf Zugpaare) gültig, auch wenn sie in den Fahrplanauskünften teilweise auch als Regionalzüge angegeben sind. Es findet sich stets der Hinweis, dass das 9-Euro-Ticket nicht gilt. »Fernverkehrsverbindungen, welche für den Nahverkehr freigegeben sind, sind per se kein Nahverkehr«, begründet das der VBB.

Wer beispielsweise von Prenzlau nach Berlin als Pendler diese Züge nutzen will, darf also nicht einfach zum 9-Euro-Ticket greifen, sondern muss zunächst die reguläre Monatskarte kaufen, kriegt aber nach Auskunft des VBB vom ausgebenden Unternehmen, beispielsweise der Deutschen Bahn, die Preisdifferenz erstattet.

Auch Semestertickets gelten als 9-Euro-Tickets, die Berliner Studierenden können sich auf eine Erstattung von 69,90 Euro freuen, wie die Antwort auf eine Anfrage der Linke-Abgeordnetenhausmitglieder Kristian Ronneburg und Tobias Schulze ergab. Wie und wann ist allerdings noch offen.

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