50.000 Pakete pro Stunde

DHL eröffnet in Ludwigsfelde eines ihrer größten Sortierzentren

  • Andreas Fritsche, Ludwigsfelde
  • Lesedauer: 5 Min.
MItarbeiter behalten die automatische Sortierung im Blick und greifen notfalls ein.
MItarbeiter behalten die automatische Sortierung im Blick und greifen notfalls ein.

Es soll auf Null heruntergezählt werden, bevor Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch gegen 15.25 Uhr den Normalbetrieb im neuen Mega-Paketzentrum in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) startet. »Von 100?«, fragt Woidke schmunzelnd. »Von Fünf, wenn sie erlauben«, erhält er zur Antwort. Als der Ministerpräsident den roten Knopf drückt, rucken die Motoren an und Transportbänder befördern Pakete auf mehreren Ebenen durch die große Halle. »Hiermit ist die Anlage offiziell eröffnet, es läuft«, sagt der Mann, der für Woidke gezählt hatte.

Das Mega-Paketzentum
  • In ihr neues Paketzentrum in Ludwigsfelde investierte die Deutsche-Post-DHL-Gruppe nach eigenen Angaben einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag.
  • Das Grundstück im Gewerbegebiet An der Eichspitze 3 ist 165 000 Quadratmeter groß.
  • Die U-förmige Halle mit 288 Toren sowie das Eingangsgebäude bedecken eine Fläche von 37 000 Quadratmetern. Damit ist dieses Paketzentrum 1,6-mal größer als die bisher üblichen DHL-Paketzentren. Das Unternehmen nennt es deshalb ein Mega-Paketzentrum. Die Schenkel der Halle sind 260 Meter lang.
  • Symbolischer erster Spatenstich war im Februar 2019. Den Spaten, den Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) damals verwendete, hat die DHL aufbewahrt und bei der Inbetriebnahme am Mittwoch vorgezeigt. Es hafteten noch Sandkrümel an.
  • Die Technik wurde ab Januar 2021 in die Halle eingebaut. Vor dem offiziellen Start gab es einen längeren Probebetrieb. af

    Als der Ministerpräsident zwölf Jahre alt war, erhielt seine Familie zweimal im Jahr ein Westpaket, worüber er sich sehr freute. »Erst nach der Wende erfuhren wir, dass unsere Verwandten diese Pakete von der Steuer absetzen konnten«, erinnert sich Woidke in Ludwigsfelde. Inzwischen kommen Pakete viel öfter. Kunden bestellen Waren im Internet, die dann von Paketdiensten geliefert werden. Während der Lockdowns in der Corona-Pandemie, als fast nur Lebensmittelgeschäfte geöffnet hatten, nahm dies noch einmal deutlich zu. Viele haben sich jetzt an die bequeme Art gewöhnt, Einkäufe vom Sofa aus via Internet zu erledigen. Die vielen Pakete zu befördern, ist aber eine logistische Herausforderung.

    Für die Hauptstadtregion gab es bisher die beiden DHL-Paketzentren in Rüdersdorf und Börnicke, in denen jeweils bis zu 20 000 Pakete pro Stunde sortiert werden können. Diese werden jetzt durch den Standort Ludwigsfelde entlastet. Hier ist alles so großzügig und modern eingerichtet, dass die Kapazität bei 50 000 Paketen pro Stunde liegt. Von den insgesamt 37 Sortieranlagen der DHL schaffen das sonst nur die in Obertshausen und Bochum.

    Das hohe Tempo werde erreicht durch ein optimales Zusammenspiel von Technik und Belegschaft, erläutert Betriebsleiter Sven Goerke, der vorher in Börnicke tätig war. Dort lief ein ankommendes Paket bis zur Abfertigung im Durchschnitt zwölf Minuten durch die Anlage. Hier in Ludwigsfelde sind es lediglich acht Minuten. Sortiert wird vollautomatisch. Scanner erfassen den Bestimmungsort jedes einzelnen Pakets. Durch kleine Rollen auf den Transportbändern, die sich bei Bedarf blitzschnell drehen, werden einzelne Pakete geradeaus geschickt oder zur Seite abgeleitet. Es gibt auch ein System, bei dem ein geradeaus laufendes Transportband über einzelne Segmente verfügt, die sich zur Seite drehen können und so das Paket an der richtigen Stelle in eine Art Rutsche wie in einem Spaßbad schubsen. So gelangen die Sendungen eine Ebene tiefer. In den Rutschen erfassen Sensoren, ob einmal etwas stecken bleibt. Wenn das vorkommt, was sehr selten geschieht, können mit Gurten gesicherte Arbeiter in die Rutschen einsteigen und den Stau auflösen.

    Aus Containern, die von außen an die Hallentore herangefahren werden, laden Arbeiter per Hand aus und ein. Wenn sich in den Paketen nur Kleidung befindet, ist das leicht. Wenn aber ein Kollege beim Ausladen einen Container voller schwerer Weinflaschen erwischt, dann könnte er schnell aus der Puste kommen, weiß Betriebsleiter Sven Goerke. Er fing in der DDR nach dem Abitur am 3. Oktober 1989 bei der Post an und diente sich vom Kraftfahrer hoch. So, wie er in den 1990er Jahren mal als kleiner Angestellter behandelt worden ist, wollte er später nie mit Untergebenen umgehen, hat er sich geschworen. Dem 51-Jährigen ist es wichtig, die Arbeitsbedingungen menschenwürdig zu gestalten.

    Im gesamten Unternehmen konnte der Zufriedenheitswert der Mitarbeiter im vergangenen Jahr um acht Prozentpunkte auf 74 Prozent gesteigert werden. Das hängt ganz sicher damit zusammen, dass die DHL Tarif zahlt, auch den Aushilfskräften. Das ist in der Branche alles andere als selbstverständlich. Die Belegschaft in Ludwigsfelde besteht überwiegend als Vollzeitkräften. Auch das ist nicht der Normalfall. Aber die meisten Beschäftigten wollen nun einmal eine volle Stelle, um von ihrem Lohn leben zu können, erklärt Goerke. Damit sie das Heben der Pakete dann auch acht Stunden am Tag durchhalten, seien die Dienstpläne so ausgearbeitet, dass jeder zweimal pro Schicht 30 Minuten Pause hat. Und wenn eine Ladung mit besonders schweren Paketen kommt, dann wechseln sich die Kollegen ab oder arbeiten zu zweit an einem Container. Hinein- oder hinaustragen müssen sie die Pakete nicht. Die Enden der Transportbänder lassen sich so weit ausfahren, dass sich die Arbeiter auch ganz hinten im Container nur umdrehen müssen.

    Durch die technischen Anlagen entsteht ein beständiges Brummen in der Halle. Um sich untereinander zu verständigen, muss man dicht beieinander stehen. Der Geräuschpegel bewegt sich aber unterhalb der Grenzwerte, die der Arbeitsschutz vorgibt, versichert Goerke. Das werde jedes Jahr amtlich nachgemessen.

    Ministerpräsident Woidke lobt die Unternehmensphilosophie: »Das ist der richtige Weg, denn gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung sind grundlegend, um dringend benötigte Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.« Für die Tätigkeit im Paketzentrum benötigt man allerdings keine Ausbildung. Die derzeit 550 Beschäftigten wurden nur angelernt, was in Ludwigsfelde in relativ kurzer Zeit gelungen sei, wie Sven Goerke sagt. Gearbeitet wird in einer Spät- und einer Nachtschicht. Bei Erreichen der vollen Kapazität voraussichtlich Ende 2024 soll es 600 Beschäftigte geben und auch noch eine Frühschicht.

    Geplant sei außerdem eine Solaranlage auf dem Dach, und vielleicht sei auch ein Gleisanschluss mit Verladestation machbar, erklärt Konzernvorstand Tobias Meyer. Klimaneutrale Paketbeförderung und Zustellung auf der Schiene oder mit Lastenfahrrädern, wie es der DHL bei der Hälfte der Sendungen in Berlin und Brandenburg gelinge, dies mache man im Moment aus eigenem Antrieb. Die Postregulierung durch die Politik sehe das noch nicht vor. Sollte sie aber, findet Meyer, um einen fairen Wettbewerb der Paketdienste zu garantieren. So mancher Konkurrent will allein die Kosten drücken und schert sich wenig bis gar nicht ums Klima.

    Ludwigsfeldes Bürgermeister Andreas Igel (SPD) freut sich über die Ansiedlung. 2017 sei der Kaufvertrag für das Grundstück unterschrieben worden – der »dickste Kaufvertrag«, der ihm jemals untergekommen sei. Es sei noch ein wenig trickreich mit der Baugenehmigung gewesen, da der geplante Gebäudekomplex an einigen Ecken etwas über die Ränder des ausgewiesenen Baulands hinausragte. Aber das habe die Kreisverwaltung hinbekommen, bedankte sich Bürgermeister Igel ausdrücklich bei Landrätin Kornelia Wehlan (Linke).

    Das vollautomatische Sortieren gelingt übrigens in rund 90 Prozent der Fälle. Doch nicht jeder hat eine gestochen scharfe Handschrift, nicht jede Adresse ist maschinenlesbar. Dann muss ein Mitarbeiter ran und das betreffende Paket auf den richtigen Weg bringen.

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