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Ein Neunkampf mit »dunkeldeutschen« Kandidaten
Bei der Wahl des Oberbürgermeisters in Dresden treten auch zwei Querdenker und ein nicht chancenloser AfD-Mann an
Die Auswahl ist groß: Wenn am Sonntag in Dresden ein neuer Oberbürgermeister gewählt wird, stehen neun Kandidaten und Kandidatinnen auf dem Wahlschein. Für den obersten Verwaltungsposten in der sächsischen Landeshauptstadt mit ihren rund 561 000 Bewohnern bewerben sich neben Amtsinhaber Dirk Hilbert fünf Politiker, die dem Mitte-Links-Lager zuzurechnen sind: von Linke, SPD, Grünen, den Piraten und der Partei Die Partei. Dazu kommen drei Rechtsaußen, von denen einem zumindest in Runde eins durchaus ein Überraschungserfolg zugetraut wird.
Dresden hat, wie spätestens seit Aufkommen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung im Jahr 2015 klar ist, ein erhebliches rechtes Wählerpotenzial. Bei der Stadtratswahl 2019 wurde die AfD mit 17,1 Prozent drittstärkste Kraft. Weitere 5,3 Prozent entfielen auf die Freien Wähler, deren Positionen sich in Dresden wenig von denen der AfD unterscheiden. Die NPD erhielt 0,6 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2021 verfehlte die AfD in einem der beiden Wahlkreise das Direktmandat nur um 35 Stimmen und wurde bei den Zweitstimmen stadtweit stärkste Kraft.
Bei der zurückliegenden OB-Wahl im Juni 2015 zeigte sich, das nicht wenige Bürger der extremen Rechten auch bei Wahlen ihre Stimme geben, bei denen es um Personen, ein Verwaltungsamt und nicht zuletzt die Repräsentation der Stadt geht. Tatjana Festerling, prominentes Gesicht von Pegida, brachte es auf 9,6 Prozent, ein AfD-Bewerber erhielt 4,8 Prozent. Zusammen war ihr Stimmanteil fast so hoch wie der des desaströs gescheiterten CDU-Kandidaten und damaligen Innenministers Markus Ulbig.
Zur Wahl am 12. Juni treten zum einen mit Marcus Fuchs und Sascha Wolff zwei Vertreter der Querdenken-Bewegung an. Ersterer wurde als Organisator von Demonstrationen der Impfgegner und Verschwörungstheoretiker bekannt. Wolff ist, wie Szenebeobachter anmerken, auf Fotos mit Vertretern der Gruppe »Dresden Offlinevernetzung« zu sehen, die Pläne zur Ermordung des sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer diskutiert haben sollen. Für beide wird auf den Kanälen der rechtsextremen »Freien Sachsen« geworben; Chancen werden ihnen nicht zugebilligt.
Anders sieht das beim Bewerber der AfD aus, dem Europaabgeordneten und Anwalt Maximilian Krah. Er bewarb sich im November 2019 in seiner Partei mit der Aussage um ein Mandat in Europa, er sei ein »Kandidat des dunklen Deutschland«. Die Äußerung findet sich in einem 64-seitigen Dossier, mit dem eine Initiative namens »OB Wahl 2022« auf Positionen und politisches Umfeld Krahs aufmerksam machen will. Begründet ist das in Befürchtungen, der einst von der CDU zur AfD gewechselte Politiker könne in Runde 1 womöglich das zweitbeste Ergebnis hinter Hilbert einfahren.
Gewählt würde damit nicht nur ein Mann, der ausländerfeindliche Positionen vertritt und Migranten bei einem Auftritt vor Burschenschaftlern unterstellte, sie kämen wegen Hartz IV und »Ficki-Ficki« nach Deutschland, wie die »Sächsische Zeitung« berichtete. Krah war, wie das Dossier detailliert aufzeigt, auch mit der erzkonservativen katholischen Pius-Bruderschaft verbandelt, der er außerdem beruflich half, Steuern zu minimieren. Als Anwalt vertrat er 2009 in Regensburg den Holocaustleugner Richard Williamson, ebenfalls ein Pius-Bruder. In Sachsen war er vor Gericht zum Beispiel tätig für Männer, die 2016 in Arnsdorf einen Asylbewerber an einen Baum fesselten; für einen als »Hutbürger« bekannt gewordenen LKA-Mitarbeiter und Pegida-Anhänger sowie den Vorsitzenden eines Dresdner Obdachlosenvereins, der nur für Deutsche tätig wird. Die Initiative »OB Wahl 2022« weist auch auf enge Verbindungen in das Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin hin und appelliert in ihrem Dossier, einen Rathauschef »aus den Reihen der Feinde der Demokratie« zu verhindern.
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