• Berlin
  • Umbau nach Todesfahrt

Streit um neue Poller am Breitscheidplatz

Nach der Amokfahrt könnte der Verkehr am Kurfürstendamm weiter eingeschränkt werden. Doch es gibt Gegenwind – unter anderem von der Verkehrssenatorin

  • Patrick Volknant
  • Lesedauer: 5 Min.

Weder der Kurfürstendamm noch die Stadt selbst ließen sich vollständig »abpollern«, hatte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nach der jüngsten Amokfahrt nahe des Breitscheidplatzes erklärt, bei der am Mittwoch eine Frau starb und zahlreiche Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Nun scheint es so, als ob doch zumindest ein Teil des Areals deutlich stärker abgesichert werden könnte als bisher: Charlottenburg-Wilmersdorf drängt auf die Umsetzung zweier Sicherheitspläne, die nach Vorstellung des Bezirksamts schnellstmöglich umgesetzt werden sollen.

»Ich habe bereits mit der Regierenden Bürgermeisterin über die Situation gesprochen und auch sie ist der Meinung, dass das Sicherheitskonzept jetzt schnell angegangen werden muss«, sagt Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne) am Freitag. Die präsentierten Entwürfe sollen bereits seit Jahren in der Schublade liegen, ohne dass sie hätten umgesetzt werden können. »Unser Ziel ist, dass keine geradlinige Fahrt auf den Breitscheidplatz, egal aus welcher Richtung, mehr möglich sein darf«, erklärt Bauch. Nach der zweiten Amokfahrt seit Dezember 2016 solle der Ort nun »zur Ruhe kommen«, auch wenn hunderprozentige Sicherheitsgarantien unmöglich seien.

Hierfür sollen auf beiden Seiten des Breitscheidplatzes Autospuren entfernt oder umgeleitet werden. Die Konzepte sehen vor, die nördlich verlaufende Budapester Straße auf zwei Spuren zu verengen und die Kantstraße als Sackgasse am Platz enden zu lassen. Der Verkehrsfluss der von Süden kommenden Rankestraße soll durch blockierende Elemente auf der Fahrbahn verlangsamt werden.

Den Platz selbst könnten weitere Schutzvorrichtungen einrahmen – wie genau die aussehen sollen, ist noch unklar. Charlottenburg-Wilmersdorfs Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) verspricht jedoch: »Die jetzigen Blöcke können alle weg, weil man in dieser Aufteilung sehr viel dezenter arbeiten kann.« Statt großer Betonklötze, die seit dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz vor fünfeinhalb Jahren stehen, könnten schwere Blumenkübel oder handelsübliche Poller zum Einsatz kommen.

Für die Umsetzung der Pläne sei der Bezirk laut Schruoffeneger nun auf einen Beschluss des Senats angewiesen. »Wir brauchen diese Grundsatzentscheidung des Landes und hoffen, dass sie in den nächsten Wochen kommen wird«, sagt der Verkehrsstadtrat, der zunächst provisorische Maßnahmen im Rahmen einer Baustellenabsperrung vorschlägt. Diese könnten bis zum kommenden Herbst umgesetzt werden.

Kritik an dem Vorstoß kommt aus den Reihen der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Die Tränen der Opfer sind noch nicht getrocknet, da wollen die Grünen im Bezirk aus der entsetzlichen Amokfahrt politisches Kapital schlagen. Das ist respektlos«, sagt deren verkehrspolitischer Sprecher Oliver Friederici, der die Vorschläge für »absurd« hält. »Mit dem Rückbau weiterer Straßen lassen sich psychisch Kranke nicht stoppen, die mit ihrem Wagen auf dem Bürgersteig in die Menschenmenge rasen«, sagt Friederici, der sich in Vergangenheit bereits häufiger gegen verkehrsberuhigte Hauptstraßen positionierte – so etwa bei der City West, der Friedrichstraße oder der Oranienstraße in Kreuzberg.

Zum Schluss, dass selbst die vorgeschlagenen Sicherheitsvorkehrungen den Amokfahrer am vergangenen Mittwoch nicht hätten aufhalten können, kommt allerdings auch Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne): »So schrecklich es ist, solche Gewalttaten sind nicht durch bauliche Maßnahmen zu verhindern.«

Die Frage der Verkehrsberuhigung auf der Tauentzienstraße und die Frage nach der Sicherheit auf dem Breitscheidplatz solle man lieber trennen, so Jarasch am Freitag in einem Interview mit dem RBB. Klar sei: »Wenn man ein Auto missbrauchen will, um damit willkürlich Menschen umzufahren, dass man das überall in der Stadt leider jederzeit tun kann. Außer wir wollten die ganze Stadt autofrei machen.« Die Debatte um Sicherheitskonzepte auf dem Breitscheidplatz sei noch nicht abgeschlossen. Über das weitere Vorgehen möchte Jarasch gemeinsam mit der Innenverwaltung und dem Bezirk jedoch weiter beraten.

Vorwürfe, die Amokfahrt für eigene Parteipolitik instrumentalisieren zu wollen, wirft Charlottenburg-Wilmersdorfs Bezirksbürgermeisterin derweil zurück. »Die Alternative wäre gewesen, sich das Sicherheitskonzept jetzt gar nicht mehr anzugucken«, sagt Kirstin Bauch. »Es hat auch etwas mit Verantwortungsbewusstsein zu tun, dass man sich die Gegend als Gesamtkonzept anschaut.« Diskussionen darüber, größere Areale wie etwa die gesamte Tauentzienstraße komplett autofrei zu gestalten, lehnt die Bezirksbürgermeisterin zum jetzigen Zeitpunkt gleichwohl ab. Bei den aktuellen Konzepten handele es sich um Pläne, die bereits mit Gewerbetreibenden und sogenannten Stakeholdern vor Ort abgesprochen seien: »Alles weitere ist noch im Rahmen größerer Diskussionen offen.«

Als ein weiterer Ansatz, um mögliche Amokfahrten zu verhindern, gelten Notbremsassistenten, die Fahrzeuge von allein zum Stoppen bringen könnten, sobald diese auf Menschen zurasen. Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, sagt dazu im RBB: »Was Autos schon sehr gut können, ist, Hindernisse erkennen und den Fahrer warnen. Aber der nächste Schritt, also der automatische Bremseingriff, bedingt eben auch, dass das Auto ganz sicher ist, dass dort etwas ist.« 

Momentan seien die Voraussetzungen hierfür noch nicht gegeben, doch: »Perspektivisch muss man daran denken und perspektivisch halte ich das auch für machbar.« In zwei bis drei Jahren könnte es laut Brockmann soweit sein, dass Bremssysteme auch Fußgänger und Radfahrer erkennen. Anders als bisher der Fall, sollte sich das Programm dann jedoch nicht mehr im Menü des Autos abschalten lassen.

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