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Klatsche für Giffey und Saleh
Landesspitze der Berliner SPD wird auf Parteitag im Amt bestätigt – mit richtig schlechtem Ergebnis
Dass es an der Basis der Berliner SPD eine gewisse Unzufriedenheit mit den beiden Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh gibt, ist ein offenes Geheimnis. Dass der Unmut mit der Parteispitze so groß ist, überrascht dann aber doch: Auf dem Landesparteitag im Neuköllner Hotel »Estrel« wurden Giffey und Saleh am Sonntag zwar von den etwas mehr als 260 Delegierten in ihren Ämtern bestätigt – dies allerdings mit einem denkbar katastrophalen Wahlergebnis. Der Regierenden Bürgermeisterin Giffey gaben gerade mal 59 Prozent der Anwesenden ihre Ja-Stimme, für SPD-Fraktionschef Saleh votierten nur 57 Prozent. Zum Vergleich: Auf dem Parteitag im November 2020, als das Führungsduo zum ersten Mal antrat, kam Giffey noch auf gut 89, Saleh – auch damals schon schwächer – auf etwa 69 Prozent.
Das miserable Abschneiden der Landesvorsitzenden am Sonntag kam insofern überraschend, als der Parteitag bis dahin eher den Charakter einer wohl inszenierten Giffey-Saleh-Show hatte. Berlins SPD steht geschlossen zusammen: Genau dieses Signal wollte die Parteitagsregie aussenden. Flügelkämpfe, das war einmal. »Wir wollen Politik aus einem Guss«, sagte die Regierende Giffey in ihrer Rede leicht aufgekratzt. Ein Satz, den unmittelbar im Anschluss Raed Saleh noch einmal wiederholte. Partei, Fraktion und Senat würden mit einer Stimme sprechen, sollte das heißen.
Vor der Wahl-Klatsche gab es seitens einzelner Delegierter in den Redebeiträgen allenfalls verhaltene Kritik. Etwa an der schludrigen Nicht-Quotierung der Rednerinnen- und Rednerliste. Oder daran, dass Berlin seine Städtepartnerschaft mit Moskau trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine immer noch nicht beendet hat. Berlins Juso-Vorsitzende Sinem Taşan-Funke mahnte zudem, dass die Parteispitze »nicht jede Initiative« von der Basis als »störend« empfinden solle: »Diese Mitgliederpartei braucht Räume für Debatten«, sagte Taşan-Funke, blieb aber im Vagen.
Wer wollte, konnte aus ihrem Wortbeitrag Kritik an Giffeys Anti-Haltung im Hinblick auf den erfolgreichen Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co enteignen« heraushören, den die vergesellschaftungsbereiteren Jusos eigentlich zum Parteitagsthema hatten machen wollen. Ein entsprechender Vorstoß des SPD-Nachwuchses wurde im Vorfeld des Parteitags von der Antragskommission nahezu gänzlich zusammengestrichen.
Von diesen Zwischentönen abgesehen wirkte der erste Berliner SPD-Präsenzparteitag seit über zwei Jahren aber eben über lange Strecken wie eine Abnick-Veranstaltung ohne größere Widersprüche. »Franziska und ich haben in den letzten zwei Jahren alles gegeben«, warb Saleh für seine Wiederwahl. »Ich glaube, dass wir uns da wirklich gefunden haben für diese Aufgabe«, sagte Giffey.
Schließlich die Abstimmung über das Weiter-so der beiden. Eigentlich eine Formalie. Gegenkandidaten gab es nicht. Noch nicht einmal eine sogenannte Aussprache zur Kandidatur von Giffey und Saleh. Mithin auch keine Gegenrede. Noch während die Abstimmungen liefen, wurden zwei große Blumensträuße aufs Podium geschleppt, die den Wiedergewählten nach der Bekanntgabe der Ergebnisse in die Hand gedrückt wurden. Die lächelten und dankten. Was sollten sie auch sonst tun? »Das ist komplett irrational«, kommentierte SPD-Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel das Ergebnis im Anschluss leicht konsterniert gegenüber »nd«.
Sowohl Giffey als auch Saleh hatten in ihren Werbeansprachen an die Delegierten vor allem den Wahlkampf und die Koalitionsverhandlungen im vergangenen Jahr heraufbeschworen. Man habe mit Rot-Grün-Rot »ein Bündnis geschmiedet, wo wir ganz klar sagen: Die sozialdemokratische Handschrift ist erkennbar«, spulte Giffey ihr bekanntes Programm runter. Auch »die fünf Bs« der Berliner SPD – Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernahe Verwaltung und Berlin in Sicherheit – durften in ihrer Rede nicht fehlen.
Daneben gab es viel Wolkiges von der Regierenden. Etwa: »Wir brauchen eine gute Wirtschaft in der Stadt, die auch Arbeit schafft.« Zu den mangelnden Mitbestimmungsrechten und miesen Arbeitsbedingungen bei Lebensmittel-Lieferdiensten sagte Giffey: »Das geht nicht.« Was die SPD dagegen unternehmen will, sagte sie nicht.
Raed Saleh wirkte weitaus kämpferischer. Der Spandauer, der als Fraktions- und dann Landeschef in den vergangenen Jahren dafür gesorgt hat, dass seine Kritikerinnen und Kritiker Zug um Zug kaltgestellt werden oder sich von selbst zurückziehen, zielte in seiner Rede vor allem auf das soziale Herz der Delegierten. »Verdammt noch mal, ich will keine weitere Gentrifizierung in der Stadt«, rief Saleh. Er wolle eine »bezahlbare Stadt«, er wolle, »dass die Menschen sich die Stadt leisten können«. Zudem unterstrich er, dass sich die Landespartei nun auch dafür einsetzen will, dass diejenigen Konzerne zur Kasse gebeten werden, die von dem russischen Angriffskrieg profitieren: »Eine Übergewinnsteuer ist fällig, und zwar sofort.«
Giffey wiederum bekräftigte, dass sich das Land Berlin im Bundesrat zusammen mit Hamburg für die Rückkehr des kommunalen Vorkaufsrechts zum Schutz von Mieterinnen und Mietern stark machen wird. Ansonsten: viel Selbstlob, wenig Inhalt. Vermutlich dürfte das die Zustimmungsraten für die Landeschefin im Laufe des Tages nicht gesteigert haben.
Ihr schlechtes Wahlergebnis kommentierte Giffey im Anschluss gegenüber der Presse sichtlich angefressen. »Wissen Sie, ich finde, fast 60 Prozent der Delegierten haben gesagt, wir wollen auf diesem Weg weitergehen«, mühte sie sich zunächst, das Desaster schönzureden. Um dann schließlich zu erklären: »Für uns hat sich das Ergebnis im Vorfeld so nicht abgezeichnet.« Man werde das jetzt »genau analysieren«.
Nach der Wahl war erst mal Schluss mit lustig. Und als wäre diese Schlappe nicht genug, rebellierten die Delegierten am Sonntagabend dann auch noch gegen die bisherige bewusste Nicht-Positionierung von Giffey und Saleh in Sachen Weiterbau der Autobahn A100 über Treptower Park hinaus Richtung Friedrichshain und Lichtenberg. Fast 65 Prozent der noch anwesenden 230 Delegierten stimmten für einen entsprechenden Antrag aus dem Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, der einen Planungsstopp und den generellen Verzicht auf den 17. Bauabschnitt fordert.
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